Backnanger gewinnt Landespreis für Archäologie

Der Backnanger Reinhold Feigel hat kürzlich den Landeshauptpreis für Archäologie erhalten. Seit 2004 betätigt er sich schon ehrenamtlich beim Landesdenkmalamt. In der Stadt Backnang aber auch in der Region hat er schon zahlreiche Grabungen begleitet und geleitet.

Backnanger gewinnt Landespreis für Archäologie

Reinhold Feigel hat vor wenigen Tagen erst festgestellt, dass die Forstarbeiter mit schwerem Rückgerät auf die originale Römerstraße Benningen-Murrhardt einwirken. Die Auswirkung der Rückarbeiten auf die alte Straße hat er daraufhin untersucht. Foto: Alexander Becher

Von Anja La Roche

Backnang. Reinhold Feigel kennt sich ziemlich gut aus in der Region. Beim Spazierengehen und Pilzesammeln hält er stets die Augen offen. Vielleicht fällt ihm etwas auf? Der Backnanger spürt nämlich Spuren der Vergangenheit auf – und schützt diese. Seit 2008 ist er ehrenamtlicher Beauftragter für die archäologische Denkmalarbeit Backnang. Nun hat die Landesregierung ihn mit dem Hauptpreis für Archäologie geehrt (wir berichteten). Er ist seines Wissens nach derzeit die einzige Person, die für das Landesdenkmalamt im nördlichen Rems-Murr-Kreis unterwegs ist.

Der heute 75-Jährige ist in Frankfurt am Main aufgewachsen und nach seinem
elektrotechnischem Studium in Darmstadt nach Backnang gekommen. In die Stadt an der Murr gelockt hat ihn eine Stelle bei dem Unternehmen für AEG Telefunken. Bis 2004 hat er dort gearbeitet, zuletzt als Standardisierungsfachmann. Schon kurz bevor Feigel in seinen Vorruhestand wechselte, hat er begonnen, seine freie Zeit mit Archäologie zu verbringen. „Ich hab immer die Berichte über Ausgrabungen in den Nachrichten verfolgt“, erzählt er. Im Sommer 2003 nahm er an einer sogenannten Lehrgrabung teil, bei dem ein römisches Dorf in Güglingen (Kreis Heilbronn) ausgegraben wurde.

Mit Arbeitskleidung, Werkzeug und Schubkarre geht es an den Boden

In Pension dann hatte Reinhold Feigel die Zeit, sich seiner Leidenschaft zu widmen. Beim Landesdenkmalamt suchen sie immer Leute, wusste er. Und auch die Gesellschaft für Archäologie in Württemberg und Hohenzollern stand als Ansprechpartner zur Seite. Los ging es. „Man braucht einen Ort, wo man weiß, dass etwas ist“, erklärt Feigel. Mit Arbeitskleidung, Werkzeug und Schubkarre rücke er dann an. Zunächst trägt ein Bagger die oberste Schicht ab, das seien in der hiesigen Gegend rund 50 Zentimeter. Mit einem harkenähnlichen Abzieher schneidet der Archäologe dann dünne Erdschichten ab. Verfärbte Stellen im Boden verraten längst vergangene Reste – zum Beispiel die einer frühzeitlichen Vorratsgrube. Ein Teil der Erdmasse kann ausgehoben und durchgesiebt werden. Aber auch Gegenstände und Knochen sind Feigel schon vielfach zwischen die Finger gekommen. Sein historisches Wissen ist dabei enorm gewachsen. „Es dauert viele Jahre, bis man sich nicht mehr nach etwas bückt, das gar nichts ist“, sagt er. Mit der Zeit habe er etwa gelernt, Scherben ihrer Zeit und dem Material zuordnen zu können.

2013 ist eine Stadtmauer freigelegt worden

Grabungen und Begehungen hat er in den 18 Jahren viele gemacht. Besonders an den Randhöhen um die Backnanger Bucht, ein Sandsteingebirge, das viele mittelsteinzeitlichen Reste unter einer dünnen Humusschicht birgt. Und auch in der Stadt Backnang gibt es viel zu entdecken. Feigel zählt auf: Die Freilegung der Stadtmauer 2013, als in der Grabenstraße gegenüber des Drogeriemarkts Müller neu gebaut wurde. Die alten Gerbereien, die er 2014 bei der Baugrubenvorbereitung für das Ärztehaus in der Gerberstraße dokumentiert hat. Im selben Jahr die Vermessung eines Splitterbunkers in der Gartenstraße. Zuletzt hat er 2019 bis 2022 geholfen, die Renovierung der Stiftskirche archäologisch zu begleiten. Dort hat er ein Grab freigelegt.

Das Ehrenamt von Feigel umfasst allerdings noch viele weitere Aufgaben. So hat er bereits Akten im Denkmalamt angelegt, welche die Luftbilder zur Lokalisierung von archäologischen Fundstellen dokumentieren. Viele Tage stand er auch am Scanner und digitalisierte Fotografien von Kleindenkmälern, geschossen von anderen Ehrenamtlichen. Er besucht auch regelmäßig ihm bekannte Fundstellen, beispielsweise Grabhügel in der Region. Fällt ihm auf, dass dort unerlaubt gegraben wurde, meldet er dies der Behörde. Dabei seien nicht nur private Grabungen verboten, sondern auch die zur bloßen Forschung, erklärt Feigel. Nur wenn etwas gefährdet ist, etwa durch Bauvorhaben oder Raubgrabungen rücke er mit seinem Werkzeug an.

„Das Bezahlen ist immer mit Verpflichtungen verbunden.“

2021 war seine letzte Grabung, denn Unternehmen übernehmen inzwischen die Arbeit und der Verursacher muss dafür zahlen. Ob Feigel nicht sowieso lieber bezahlt werden will? Der 75-Jährige schüttelt erstaunt den Kopf. „Das Bezahlen ist immer mit Verpflichtungen verbunden.“ Aber um so mehr hat er sich über den Archäologie-Preis gefreut. „Da hab ich mir im Lauf der Zeit etwas zusammen verdient, mit den ganzen Aktivitäten“, sagt er. Vor allem der mit 8 000 Euro dotierte Hauptpreis sei schon etwas Besonderes, freut er sich.

Gemeinsam mit dem in Backnang bekannten Hobbyhistoriker Heiner Kirschmer war Feigel auch Mitglied im archäologischen Arbeitskreis Backnang. So kam es, dass er im Backnanger Jahrbuch einige Texte und Bilder veröffentlichte. Ansporn sei für ihn aber vor allem die eigene Neugier, weniger ein Gefühl der Heimatverbundenheit. „Es ist einfach faszinierend“, sagt er. „Die Leute aus der Jungsteinzeit waren genau wie wir und ihre Spuren sind im Boden.“ Ihm dränge sich die Frage auf, wie diese Menschen gelebt haben. Besonders reize ihn dabei, wenn es um persönliche Geschichten geht. Die lassen sich besonders bei geschichtlich jüngeren Funden aufspüren. Inschriften und Beigaben in Gräber etwa würden viel über die dort beerdigte Person verraten. Feigel erinnert sich an einen spannenden Fall: Bei einer Grabstätte in Hessigheim (Kreis Ludwigsburg) ist eine Person anders herum begraben worden als alle anderen. Warum? Wurde sie geächtet?

Bei Baustellen muss Feigel viele verschiedene Personen berücksichtigen

Für Reinhold Feigel ist klar: „Solange ich kann, mache ich weiter.“ Im vergangenen Winter verbrachte er viele Wochen in Murrhardt, um ein Auge in die Gruben zu werfen, die zur Verlegung des Breitbands aufgerissen werden. „Ich kann mich immer neu einbringen.“ Als archäologischer Begleiter bei Baustellen muss er sich stets auf die verschiedenen Personen vor Ort einstellen und seine Expertise und sein Fingerspitzengefühl einsetzen, sodass die Zusammenarbeit mit den Bauherren, Firmen und Vorarbeitern reibungslos funktioniert. Aber die Arbeit macht ihm nicht nur Spaß, sondern der ehrenamtliche Archäologe weiß auch: „Der Nachwuchs ist ein großes Problem.“ Um so besser, dass es ihn nie in die große weite Welt gezogen hat – die vielfältigen und zahlreichen Spuren der hiesigen Bewohner sind für ihn interessant genug.