„Die steinerne Leiter“ ersteht neu

Rolf Schweizer freut sich, dass der Wiederaufbau der Murrhardter Pilgerstaffel nach über 20 Jahren verwirklicht wird

Das Projekt „Wiederaufbau der Pilgerstaffel“ erschien lange Zeit utopisch, steht nun aber in den Startlöchern. Dies ist dem ehemaligen Heimatpfleger Rolf Schweizer zu verdanken, der sich dafür seit Ende der 1990er-Jahre persönlich stark engagiert hat.

„Die steinerne Leiter“ ersteht neu

Rolf Schweizer hat einfach nicht lockergelassen. Unermüdlich hat er für den Wiederaufbau getrommelt und Spenden gesammelt. Foto: E. Klaper

Von Elisabeth Klaper

MURRHARDT. Erfolgreich rief Rolf Schweizer eine Bürgerinitiative für die Neugestaltung des historischen Denkmals ins Leben, das an die Walterichswallfahrt als wichtiges Element der Stadtgeschichte erinnert. Voller Vorfreude, bald selbst die Stufen hinauf zur Walterichskirche gehen zu können, erzählt er die spannende Geschichte der Pilgerstaffel, der Idee zum Wiederaufbau und dem unermüdlichen Sammeln von Spenden.

„In den Jahren um 1100 erbaute man für die zahlreichen Pilger zum Grab Walterichs die dritte, damals der Gottesmutter Maria geweihte Kirche, größer und schöner als je zuvor. Zudem wurde der alte Pfad bergauf durch eine Treppe besser begehbar gemacht“, sagt Rolf Schweizer. Diese „steinerne Leiter“, die viele Gläubige hinaufrutschten, habe symbolisch in den Himmel geführt, wie es der Künstler Reinhold Nägele 1919 bildlich darstellte: Engel, die links und rechts der Treppe Spalier stehen, leiten die Pilger in die Höhe.

Leider habe man vor 70 Jahren die viel begangene, aber langsam zerfallende Stiege beseitigt: „Der Beschluss zum Abbruch der Pilgerstaffel erfolgte wegen jahrelanger Baufälligkeit und Sperrung, jedoch entgegen der Stellungnahme des Landesdenkmalamts und des letzten Einspruchs von Altbürgermeister Karl Blum 1949. Nachdem der Abbruch vollzogen war, verwendete man die Steine zur Ausbesserung der ebenso baufälligen Friedhofringmauer auf der Südseite. Damit schien ein bedeutendes Stück unserer Geschichte für immer verloren gegangen zu sein“, erinnert sich Schweizer.

Er weist auf die hohe Bedeutung der Pilgerstaffel für die gesamte Region hin: Sie bilde mit dem Ölberg als Pilgeraltar und dem angeblich aus Walterichs Grabstein geschaffenen, „wundertätigen“ Opferstock am Eingang zur Walterichskirche „eine Dreiheit von heilsbringenden Sakralobjekten: Eines ist ohne das andere nicht denkbar.“ Darum kamen „auch nach der Reformation und bis Mitte des 20. Jahrhunderts die Pilger beiderlei Konfession“ aus vielen Gemeinden im Umkreis „wie gewohnt an den althergebrachten heiligen Ort und vollzogen uralte, ursprünglich katholische Traditionen und Rituale“.

Für Rolf Schweizer ist es einzigartig, dass evangelische und katholische Christen „ohne das Wort Ökumene zu kennen“ die Wallfahrt am Karfreitag weiter pflegten. „Dabei stand in den vergangenen 400 Jahren stets die Freundschaft, das Miteinander und das Gemeinsame über dem Trennenden“. Der Heimatgeschichteexperte ist evangelisch, empfindet aber das Pilgern als „wertvolle, überkonfessionelle, besondere Art der Glaubenserfahrung, dazu muss jemand nicht einer Kirche angehören“. Gerade heute sei Pilgern „wohltuend für Leib und Seele, weil viele Menschen vor lauter Hektik und Stress nicht mehr zu sich selbst finden“.

20 Jahre nach Abbruch der Pilgerstaffel „wollten zwei ältere Bürgerinnen der Walterichstadt ihren Nachlass zum Wiederaufbau der Stiege verwendet wissen“, erzählt Schweizer weiter. „Die beiden setzten eine Freundin als Testamentsvollstreckerin ein, die sich Ende der 1960er-Jahre mit mir als damaligem ehrenamtlichen Heimatpfleger in Verbindung setzte.“ Daraufhin habe er versucht, „bei der Stadtverwaltung den Weg zu bahnen für den Wiederaufbau, aber die Zeit war der Denkmalpflegeidee nicht förderlich.“

Denn die damals Verantwortlichen von Stadtverwaltung und evangelischer Kirchengemeinde „lehnten die Idee des Wiederaufbaus rigoros ab: Die Treppe wird nicht mehr gebraucht, so lautete der Tenor, und die dafür vorgesehenen Mittel wanderten woanders hin.“ Darum habe man „den Wunsch etlicher älterer Murrhardter, die geschichtsträchtige Stiege wiederaufzubauen als Alleinstellungsmerkmal unserer Stadt“ nicht weiterverfolgen können, bedauert Schweizer. Doch wiederum 20 Jahre später habe er als Heimatpfleger, Stadt- und Kreisrat erfolgreicher tätig werden können.

„Am Pfingstmontag 1998 meldete sich bei mir telefonisch die aus Murrhardt stammende, in Hamburg lebende Medizinerin Gisela Maurer mit dem Auftrag ihrer verstorbenen Mutter Hedwig Wahl von der Burgermühle, deren Wunsch, die Pilgerstaffel wieder aufzubauen, mit Rat und Tat zu begleiten.“ Aus deren Nachlass sollte eine namhafte Summe zur Finanzierung der Baukosten verwendet werden. „In der Aussicht, doch noch den Wiederaufbau der einstigen Wallfahrtsstiege zu erreichen, stimmte ich diesem Vorhaben aus Verantwortung für dieses einzigartige Bauwerk zu“, berichtet der Heimatgeschichteexperte.

Als Mitglied im Historischen Verein für Württembergisch Franken habe er in dessen Namen ein Spendenkonto zum Wiederaufbau der Pilgerstaffel eingerichtet. Bei etlichen Benefizvortragsveranstaltungen „habe ich die Idee in die Bürgerschaft getragen, und so kamen seither zahlreiche größere und kleinere Spendenbeträge zusammen“. 2011 nahm auch die Murrhardter Bürgerstiftung den Wiederaufbau der Staffel als Spendenzweck in ihr Aufgabenspektrum auf.

Überdies „haben Stadtverwaltung und Gemeinderat in den vergangenen Jahren wichtige Entscheidungen getroffen, damit das Projekt verwirklicht werden kann“, hebt er hervor. Die Stadtverwaltung übernahm die Regie über Planung und Bau, dazu schloss sie einen Vertrag mit der evangelischen Kirchengemeinde ab, die dem Projekt zustimmte. Und dank der Leader-Förderung, für den sich Bürgermeister Armin Mößner stark gemacht hat, weiteren Spenden sowie Erlösen aus dem Verkauf von Kunstwerken ist die Finanzierung der Baukosten nun gedeckt. Rolf Schweizer hofft, dass bald die Baumaschinen am Walterichshügel anrücken und die Baustelle als Schauobjekt bis Ostern viele Interessenten anlockt.