Dienstleister für die Mitarbeiter

Der neue Tesat-Chef Marc Steckling ist ein Teamspieler

Fast 20 Jahre ist es her, da war Marc Steckling beim Start einer Sojus-Rakete im kasachischen Baikonur mit dabei. „Der ganze Körper hat gezittert von der Druckwelle. Das war ein bombastisches Gefühl“, schwärmt er noch heute. Seine Begeisterung für die Raumfahrt hat sich Steckling bewahrt: Seit Dezember ist der 50-Jährige der neue Mann an der Spitze der Backnanger Tesat.

Dienstleister für die Mitarbeiter

Von Kornelius Fritz

BACKNANG. Es gibt viele Gründe, warum Menschen Karriere machen: Geld, Ehrgeiz, Gestaltungswille. Bei Marc Steckling scheint es der pure Spaß gewesen zu sein. Wenn der neue Tesat-Chef von seinem Berufsweg erzählt, dann fallen immer wieder Vokabeln wie „spannend“, „aufregend“ oder „fantastisch“ – und seine Augen leuchten dabei. „Ich war schon immer von der Luft- und Raumfahrt begeistert“, erzählt der gebürtige Berliner. Schon als Kind wollte er Pilot werden, nach dem Abitur entschied er sich dann aber doch für ein Ingenieursstudium. Nach einem Praktikum bei Dornier war er dann endgültig mit dem Weltraumvirus infiziert.

Während seiner Promotion an der TU Berlin war Steckling an der Konstruktion eines Minisatelliten beteiligt, der 1999 ins All geschossen wurde: „Ich bin selbst an der Drehmaschine gestanden, habe gefräst und gelötet.“ Damals, so sagt er, habe er ein Gesamtverständnis für die technischen Systeme bekommen, das so kein Studium vermitteln könne: „Diese Erfahrung war Gold wert.“

Heute baut Marc Steckling zwar selbst keine Satelliten mehr, aber die Begeisterung ist geblieben. Er nutzt sie, um andere für seine Ideen und Ziele zu gewinnen. „Es macht mich persönlich glücklich, mit Menschen zusammenzuarbeiten und gemeinsam mit ihnen eine Vision zu verwirklichen“, sagt der 50-Jährige, der direkt nach seinem Studium zu Airbus ging. Innerhalb des Konzerns führte ihn sein Berufsweg von Bremen über Friedrichshafen und München vor zwei Jahren nach Backnang. Tesat gelte in der Branche als „Kronjuwel“, dort einmal zu arbeiten, habe er sich immer gewünscht.

In der Geschäftsführung war Steckling zunächst für den operativen Bereich verantwortlich. Als der bisherige Geschäftsführer Andreas Hammer im November zum Mutterkonzern nach Bayern zurückkehrte, rückte er von der zweiten in die erste Reihe auf. Ein Unternehmen mit 1100 Mitarbeitern zu leiten, sei eine „große Herausforderung“, sagt Steckling. Er geht sie aber anders an als andere Führungskräfte. Der 50-Jährige stellt nicht Zahlen in den Mittelpunkt, sondern Menschen: „Die Mitarbeiter sind nicht für mich da, sondern ich muss für die Mitarbeiter da sein“, lautet sein Credo. Steckling sieht im Management eine Art Dienstleister, der die Aufgabe hat, Rahmenbedingungen für die bestmögliche Arbeitsleistung zu schaffen.

Mit offenem Ohr im Haus unterwegs

Das ist allerdings nur möglich, wenn der Chef die Sorgen und Nöte seiner Angestellten kennt. Trotz seines eng getakteten Terminplans ist Steckling deshalb so oft es geht im Haus unterwegs, spaziert durch die Fertigung, trinkt Kaffee mit den Teamleitern oder lädt eine ganze Abteilung zum Pizzaessen ein. Dahinter steht die Überzeugung: „Das Wichtigste ist, dass man den Menschen auf einer Stufe begegnet.“ Denn die Betroffenen wüssten am besten, wo es Probleme gibt und was verändert werden sollte.

Das Aufspüren von Verbesserungspotenzial – es ist so etwas wie Stecklings Spezialgebiet. Als Leiter des Bereichs Lean Management für den Gesamtkonzern war das drei Jahre lang seine wichtigste Aufgabe. Lean Management – das ist für Steckling mehr als ein Modewort aus dem Manager-Vokabular. „Es geht um die Frage: Was hindert mich daran, schneller zu sein?“ Das können zum Beispiel Leerlaufzeiten in der Produktion sein, weil ein Kollege auf den anderen warten muss oder weil die benötigten Teile gerade nicht verfügbar sind.

Was man alleine durch die Optimierung solcher Prozesse erreichen kann, veranschaulicht Steckling an einem Beispiel aus seinem früheren Tätigkeitsfeld: „Bei den Eurofightern hat Airbus es früher geschafft, 9 Flugzeuge im Jahr zu warten, nachdem wir die Prozesse optimiert hatten, waren es 18.“ Und wenn man den Mitarbeitern klarmache, dass man ihnen nicht mehr Arbeit aufhalsen, sondern sie von unnötigen Pflichten befreien will, gebe es auch kaum Widerstände. Ganz im Gegenteil. „Wenn man damit in einem Bereich Erfolg hat, wollen es alle anderen auch.“

Als Marc Steckling vor zwei Jahren bei Tesat anfing, steckte das Unternehmen mitten in der Krise. Von den großen TV-Satelliten, die dem Backnanger Unternehmen jahrzehntelang verlässliche Umsätze beschert hatten, wurden immer weniger gebaut, die kleineren Navigations- und Erdbeobachtungssatelliten flogen oft ohne Tesat-Komponenten ins All. „Der Markt brauchte andere Produkte als die, die Tesat damals hergestellt hat“, erinnert sich Steckling. Die Backnanger reagierten, investierten viele Millionen Euro in neue Produkte. Heute passt Tesats Lasertechnik auch in Kleinsatelliten, das kleinste Bauteil wiegt gerade mal 300 Gramm. Außerdem ist man dazu übergegangen, statt einzelner Komponenten ganze Systeme anzubieten und dem Kunden damit Arbeit abzunehmen.

Die steigenden Auftragseingänge im vergangenen Jahr zeigen, dass der Kurswechsel Früchte trägt. Die Krise habe somit auch ihr Gutes gehabt, sagt Marc Steckling. „Um an der Spitze zu bleiben, müssen wir jetzt aber genau so weitermachen“. Denn die Lebenszyklen der Produkte würden immer kürzer und die Technik im All konkurriere zunehmend mit der am Boden. Etwa beim Mobilfunk: „Da wird sicher keiner bereit sein, mehr Geld zu bezahlen, weil seine Handyverbindung über das Weltall läuft“, vermutet der Tesat-Chef.

Privat ist der neue Mann an der Firmenspitze bereits sicher in Backnang gelandet. „Ich find’s toll hier“, sagt der Wahlschwabe aus der Hauptstadt. Die Menschen seien herzlich und die Wege kurz: „Ich kann sogar zu Fuß zur Arbeit gehen.“ Im März werden auch seine Frau und der elfjährige Sohn von der Isar an die Murr ziehen. Auf weitere Umzüge hat Steckling keine Lust mehr: „Wir werden mit Sicherheit lange hier bleiben.“

Info
Tesat schafft die Wende

Nach einem schwierigen Jahr 2017, in dem Tesat aufgrund eines weltweiten Marktrückgangs Kurzarbeit anmelden musste, geht es für Backnangs größten Arbeitgeber wieder bergauf. Nachdem 2018 mehr Aufträge eingingen, soll der Umsatz, der seit 2015 von 350 auf 270 Millionen Euro eingebrochen war, in diesem Jahr wieder die 300-Millionen-Grenze überschreiten.

21 Satelliten, die 2018 ins Weltall geschossen wurden, hatten Backnanger Technik an Bord. Führend ist Tesat vor allem im Bereich der lasergestützten Weltraumkommunikation: Diese Technik ermöglicht es, Daten über Distanzen von bis zu 80000 Kilometern mit bis zu 1,8 Gigabit pro Sekunde zu übertragen.

Mittelfristig rechnet Marc Steckling mit einem Wachstum von 20 Prozent. Aktuell beschäftigt das Unternehmen, das zum Airbus-Konzern gehört, an seinem einzigen Standort in der Backnanger Innenstadt rund 1100 Mitarbeiter.