Digitalisierung kommt in Grundschulen an

Durch das Förderprogramm Digitalpakt Schule kommt auch in den Grundschulen immer mehr digitale Technik im Unterricht zum Einsatz. Mit digitalen Tafeln und Laptops sollen Unterrichtseinheiten individueller werden und mehr Möglichkeiten bieten.

Digitalisierung kommt in Grundschulen an

Schulleiter Jens Sommer nutzt das Smartboard im Matheunterricht. Foto: Alexander Becher

Von Kristin Doberer

Oppenweiler. Vorbei ist die Zeit, in der ein Fernseher auf Rollen in die Klassenzimmer geschoben werden muss, um einen kurzen Film anzusehen. Die Zeit, in der die Kreide über die Tafel kratzt und ein Schwamm im Waschbecken vor sich hin gammelt. Die Digitalisierung macht vor keinem Lebensbereich mehr halt, auch in vielen Grundschulen ist sie mittlerweile angekommen. So zum Beispiel in der Murrtalschule in Oppenweiler. Hier sind vor knapp zwei Wochen die Kreidetafeln verschwunden, stattdessen hängen sogenannte Smartboards an den Wänden der acht Klassenzimmer. Diese können einerseits genauso eingesetzt werden wie eine übliche Tafel, nur ohne die Kreide an den Händen. Doch mit nur wenigen Klicks ist noch sehr viel mehr drin. Das Board ist verbunden mit einem Laptop, die Lehrkräfte können über das Internet auf Lernvideos zugreifen, auf digitale Arbeitsblätter, auf die Inhalte der Lehrbücher, auf interaktive Aufgaben und Beispiele für das jeweilige Thema. „Früher habe ich vorne das Buch hochgehalten und alle Arbeitsblätter und Lösungen auf Folien kopiert“, sagt Lehrerin Stephanie Mergenthaler. Nun könne sie mit wenigen Klicks auf alle Lehrmaterialien zugreifen – und das von überall –, spontan die Einheiten wechseln oder auf nicht geplante Fragen der Schüler reagieren. Aber nicht nur auf die Arbeitsbücher hat sie über die digitale Tafel Zugriff, sondern auch auf Lern-Apps und digitale Anwendungen, mit denen die Kinder interaktiv Quizfragen an der Tafel beantworten können.

Grundschüler arbeiten selbstständig mit Laptops und Lernprogrammen

Das ist aber nicht der einzige Schritt in eine digitalere Unterrichtsgestaltung. Auch gibt es seit einiger Zeit zwei Klassensätze an Laptops, mit denen auch die Grundschülerinnen und Grundschüler schon selbstständig arbeiten können. „Wir haben uns für die Laptops entschieden, weil die eigentlich alles abdecken“, erklärt der Schulleiter Jens Sommer. Die Laptops sind zentral in den Lernlandschaften außerhalb der Klassenzimmer gelagert. Kommen sie zum Einsatz, wissen die Kinder schon genau, wo sie sich die Geräte holen müssen, wie sie diese starten und später auch, wie sie die Laptops wieder herunterfahren. Genutzt werden die Laptops ganz unterschiedlich, der Schulleiter setzt sie besonders mit dem Programm Lernwerkstatt ein. Hier können die Kinder Aufgaben zu verschiedensten Themen bearbeiten.

„Hier gibt es viele verschiedene Bausteine, die der Lehrer vordefinieren kann“, erzählt Sommer. Dabei könne das Kind den Schwierigkeitsgrad selbst auswählen, die Übungen können so individueller auf die einzelnen Kinder angepasst werden. Das funktioniere natürlich bei manchen Kindern besser als bei anderen, als Lehrkraft müsse man trotzdem immer im Blick behalten, wie die Kinder die jeweiligen Aufgaben bearbeiten, berichtet Sommer. Dabei machen es sich die Kinder selbst nicht immer nur möglichst einfach: „Insgesamt haben wir die Erfahrung gemacht, dass die Kinder oft Lust haben, sich auch mal auszuprobieren und an ihr Limit zu kommen.“

Schwierigkeiten selbst einstellen

Andererseits können Kinder, die sich noch sehr schwertun, zunächst etwas leichtere Aufgaben bearbeiten. Im Vergleich zum Arbeitsblatt gebe es viel mehr Möglichkeiten, die einfacher anzuwenden seien. Auch Mergenthaler ist sich sicher, dass der Arbeitsalltag durch die Smartboards erleichtert werden kann – allerdings erst, wenn sich die Lehrkräfte auch gut mit dem Gerät auskennen. Denn das Einarbeiten koste Überwindung und sei nicht immer einfach, gerade für ältere Kollegen. Auch eine Vertretungslehrerin, die noch nie mit einem Smartboard gearbeitet hat, war zunächst ein wenig überfordert. „Aber die Schüler kennen sich damit schon super aus, die haben mir gleich gezeigt, auf welche Knöpfe ich drücken muss“, berichtet die Vertretungslehrerin. Allgemein kommen die Tafeln bei den Kindern sehr gut an, so die Lehrerin. Auf den Tafeln wird selbstverständlich gemalt, Aufgaben werden bearbeitet und Videos angeschaut. „Die Videos finde ich am besten“, meint eine Schülerin.

Der Schulleiter Jens Sommer ist zufrieden mit dem Ergebnis. „In den vergangenen eineinhalb Jahren haben wir sehr viel gemacht und erhebliche Mittel investiert.“ Insgesamt 96000 Euro sind in die Digitalisierung der Schule geflossen. 37000 Euro stammen aus den Mitteln des Bundes (siehe Infotext), etwa 59000 kommen von der Gemeinde. Das Geld geht aber nicht nur in die Anschaffung der Laptops, Dokumentenkameras und digitalen Tafeln, besonders auch in die digitale Infrastruktur in der Schule musste investiert werden, zum Beispiel in Kabel, Steckdosen und WLAN. „Da fließt viel Geld in Dinge, die man gar nicht sieht. Aber es muss alles richtig vernetzt werden“, so der Schulleiter. So sei es schade, wenn Geräte angeschafft werden, für die dann die nötigen Grundlagen wie zum Beispiel WLAN fehlen. „Wenn die Endgeräte da sind und die Infrastruktur fehlt, landen die Geräte irgendwann doch nur im Schrank und werden nicht genutzt.“

Die Wartung der Technik darf nicht vernachlässigt werden

Bisher sei technisch immer noch alles gut gelaufen; wie der Unterricht funktioniert, wenn die Tafel mal Probleme hat oder ausfällt, müsse sich zeigen. So sei es noch schwer einzuschätzen, wie lange es dauert, bis zum Beispiel Reparaturarbeiten erledigt werden. „Ein paar Tage kann man natürlich auch ohne Tafel arbeiten“, meint Mergenthaler. Trotzdem sei das Potenzial für Ausfälle bei den Smartboards doch größer als bei der üblichen Kreidetafel. Nicht nur Reparaturen könnten irgendwann nötig werden, auch brauchen die Endgeräte immer wieder Systemupdates – bei den vielen Laptops auch ein großer Zeit- und Arbeitsaufwand. „Hier hilft uns ein Ehrenamtlicher“, freut sich Sommer. Nur bei größeren Problemen hole man dann die Fachleute von L-mobile hinzu, die die digitale Infrastruktur und die Smartboards auch installiert haben.

Neben den Endgeräten habe man im vergangenen Jahr auch das Lehrwerk gewechselt, sodass es nun eines mit digitalem Unterrichtsassistenten gibt. Trotz der Fortschritte in Sachen Digitalisierung blickt der Schulleiter schon weiter in die Zukunft. Zum einen fehlt an der Schule noch ein Glasfaseranschluss, dieser ist aber bereits vom Gemeinderat beschlossen und in Planung. „Bei dem Unterrichtsassistenten ist aber noch Luft nach oben“, meint Sommer zu dem Lernprogramm. Er hofft, dass die Software noch weiterentwickelt wird, um noch mehr Individualisierung möglich zu machen. „Spannend wäre es zum Beispiel, wenn die Software selbst merkt, wie schnell und gut ein Schüler die Aufgaben löst. Und dann entsprechend die Aufgaben schwerer oder leichter macht“, nennt der Schulleiter ein Beispiel. Schon bestellt hat die Schule außerdem Dokumentenkameras. Mit diesen können zum Beispiel Arbeitsblätter oder Buchseiten live auf den Bildschirm übertragen werden. „Das kann man zum Beispiel beim Vorlesen einer Geschichte einsetzen“, sagt Mergenthaler.

All die Neuerungen treffen aber auch auf Skepsis. Das sei unbegründet, meint die Lehrerin. „Die Kinder starren trotzdem nicht den ganzen Tag auf einen Bildschirm. Wir nutzen ja weiterhin auch andere Unterrichtsmethoden wie zum Beispiel Stationen. Und man kann die Tafel ja auch einfach mal ausschalten.“

Digitalpakt Schule

Ziele Mit dem Digitalpakt Schule hilft der Bund den Ländern und Gemeinden bei Investitionen in die digitale Bildungsinfrastruktur. Ziel ist der flächendeckende Aufbau einer zeitgemäßen digitalen Infrastruktur, welche die Pädagogik unterstützen soll.

Fördermittel Laut Vereinbarung vom Mai 2019 stellt der Bund für Investitionen in die digitale Bildungsinfrastruktur fünf Milliarden Euro zur Verfügung. Als Folge der Coronapandemie wurde der Digitalpakt Schule 2020 um drei Zusatzvereinbarungen im Umfang von insgesamt 1,5 Milliarden Euro erweitert. Dazu gehören das Sofortausstattungsprogramm, Administration und Lehrendgeräte. Den Schulen im Rems-Murr-Kreis stehen etwa 19,3 Millionen Euro zu.