Drei Bäume und kein Halleluja

Zweimal Rolle rückwärts bei der Suche nach einem Platz für eine Netzübergabestation in Sachsenweiler. OB Maximilian Friedrich findet erst einen Alternativstandort, favorisiert nach einem „Baumunfall“ wieder den ursprünglichen und baut jetzt doch wieder beim Alternativplatz.

Drei Bäume und kein Halleluja

Das Hauptargument, das gegen den ursprünglichen Standort der Netzübergabestation gesprochen hat, zwei alte Eichen, gibt es nicht mehr. Die Bäume mussten gefällt werden. Trotzdem soll das Trafohäuschen nun nicht an dieser Stelle gebaut werden. Foto: A. Becher

Von Matthias Nothstein

Backnang. Die Baumfällarbeiten im Gewann Schneckenbühl bei Sachsenweiler sind abgeschlossen, eigentlich könnte jetzt wieder Ruhe einkehren bei dem umstrittenen Thema. Doch zwei Bäume, ein Unfall und das ungeschickte Vorgehen der Stadtverwaltung sorgen für Ärger. Die Historie:

Als die Bürger von Sachsenweiler im Frühjahr erkennen, dass im benachbarten Wäldchen Hunderte Bäume gefällt werden sollen, regt sich Widerstand. Der Einschlag, über 600 Bäume sollen fallen, wird generell als zu massiv empfunden. Und ganz konkret wird die Fällung von drei markanten Eichen am südlichen Waldrand kritisiert, die für ein Trafohäuschen weichen sollen.

In vielen Gesprächen und vor allem bei einer Bürgerinformationsveranstaltung Mitte September wirbt der Leiter des Forstbezirks Schwäbisch-Fränkischer Wald, Martin Röhrs, für die Aktion und kann mit seinen fachlichen Erläuterungen die stärksten Wogen zumindest etwas glätten. Halleluja. Dass auch geprüft wird, die Trafostation vielleicht an einem anderen Standort zu bauen, nimmt vielen Kritikern zudem den Wind aus den Segeln. Und als dann der Backnanger Kämmerer Alexander Zipf bei der Infoversammlung vor Ort im Namen von OB Maximilian Friedrich sogar verkünden kann, dass ein anderer Standort nicht nur geprüft, sondern definitiv auch gefunden wird, scheint Friede bei der Bürgerschaft einzukehren. Zipf hatte verlesen, dass die Stadt Backnang auf jegliche Maßnahmen verzichten werde, die zu einem Einschlag beitragen. In seiner Funktion als Aufsichtsratsvorsitzender der Stadtwerke habe OB Friedrich die Stadtwerke angewiesen, die Netzübergabestation an dem geplanten Standort im Waldgebiet Schneckenbühl nicht weiterzuverfolgen. „Die Stadtwerke werden nach einem anderen Standort suchen, bei dem keinerlei Fällungen erforderlich sind.“ Beifall brandet auf.

Es vergehen Wochen, dann meldet das Backnanger Rathaus Vollzug: „Als Alternativstandort für die Netzübergabestation ist ein Standort etwas nördlicher auf der anderen Straßenseite in der Prüfung. Es handelt sich hierbei um ein städtisches Grundstück ohne entsprechende Eingriffe in den Baumbestand. Die Vorbereitungen für das Bauvorhaben und den Grundstücksverkauf an die Stadtwerke sind eingeleitet worden.“ Nochmals Bravo und nochmals Halleluja.

Bei den eigentlichen Fällarbeiten im 14 Hektar großen Schneckenbühl passiert jedoch ein Malheur, ein Baum fällt anders als geplant. Mit voller Wucht kracht der Stamm in zwei andere Bäume und beschädigt diese anscheinend so stark, dass es keine andere Wahl gibt, als auch diese zu fällen.

Das ist ärgerlich, aber eigentlich keine Erwähnung wert. Wobei. Aufgepasst. Es sind nicht x-beliebige Bäume. Ei der Daus, es sind ausgerechnet jene, um deren Erhalt so viel Aufhebens gemacht wurde. So ein Pech aber auch. Und während die Stämme noch holterdiepolter auf dem direkten Weg ins Sägewerk sind, äußern alle Akteure ihr Bedauern zu diesem Malheur. Forstexperte Röhrs macht kein Hehl daraus, richtig, richtig verärgert zu sein, wirbt aber auch ein bisschen um Verständnis. Bäume am Waldrand stürzen oft anders als berechnet, da deren Äste durch die speziellen Voraussetzungen unsymmetrisch angeordnet sind. Und Rathauschef Friedrich verkündet: „Dass nun zwei der drei Bäume dennoch gefällt wurden, ist ein unglücklicher Unfall, den ich sehr bedauere. Dies lag jedoch nicht im Zuständigkeitsbereich der Stadt.“

Nur drei Tage vergehen, dann trifft erneut eine Pressemitteilung des Rathauses ein. Deren Inhalt: Jetzt soll die Trafostation doch an dem ursprünglichen Standort gebaut werden, da das kräftigste Gegenargument, die unerwünschte Fällung von drei alten Eichen, nun nicht mehr greift. Schließlich existieren zwei der drei Eichen nicht mehr. „Die Fällung dieser beiden Bäume war ein unglücklicher Unfall, den wir bedauern und eigentlich durch Umplanung verhindert wollten“, so Oberbürgermeister Maximilian Friedrich. „Da die Station nun aber am ursprünglichen Standort errichtet werden kann und der verbliebene Baum trotzdem erhalten werden kann, verfolgen wir die ursprünglichen Planungen weiter“, begründet Friedrich die Entscheidung. Der ursprüngliche Standort sei nach entsprechender Prüfung sowohl aus technischen als auch wirtschaftlichen Gesichtspunkten dem Alternativstandort vorzuziehen.

Und was sagt Martin Röhrs dazu? Er erfährt von der erneuten Planänderung durch die Presseanfrage und zeigt sich schockiert. Sowohl spontan als auch nach reiflicher Überlegung erklärt er, den Grund und Boden für die Trafostation nicht zur Verfügung zu stellen. Seine Begründung: „Die Bürger würden glauben, es handele sich um ein abgekartetes Spiel. Und ich hätte für eine solche Unterstellung sogar Verständnis.“ Röhrs betont, dass er ein verlässlicher Partner sei und ständig versuche, Vertrauen in der sehr kritischen Bevölkerung aufzubauen. Würde er nun dem Projekt am ursprünglichen Standort zustimmen, so wäre das Vertrauen unwiederbringlich verloren.

Nochmals zwei Tage später vermeldet die Stadt nun die Rolle rückwärts von der Rolle rückwärts. „Die Stadtwerke Backnang GmbH wird den Neubau der Netzübergabestation nun doch am Alternativstandort im Bereich Westpreußenstraße/Waldstraße errichten, da ForstBW das Festhalten am ursprünglich geplanten Standort nicht mehr für vertretbar hält.“

Kommentar
Unterm Strich gibt es nur Verlierer

Von Matthias Nothstein

Nüchtern betrachtet sind es nur drei Bäume. Lokalpolitisch betrachtet ist es ein diplomatisches Desaster. Und unterm Strich betrachtet gibt es nun nur Verlierer. Maximilian Friedrich durfte sich anfangs feiern lassen, hatte er doch viel Fingerspitzengefühl bewiesen und sich auf die Suche nach einem Alternativstandort gemacht und – noch besser – auch einen gefunden. Von den Bürgern gab es Beifall. Danach der Baum-Super-GAU. Ausgerechnet zwei jener Bäume, die gerettet werden sollten, werden durch einen Unfall so beschädigt, dass sie gefällt werden müssen. Viele Fragen bleiben offen. Warum passiert solch ein Anfängerfehler ausgerechnet Baumfällprofis? Und warum soll der Schaden so groß gewesen sein, dass die Bäume nicht mehr erhalten werden konnten? Diese Aktion hat ein Gschmäckle, da können die Akteure ihr Bedauern beteuern so viel sie wollen.

Mit seinem Plan, die Trafostation nun doch am ursprünglichen Ort zu bauen, beweist der oben gelobte Friedrich dann das Feingefühl einer Dampfwalze. Ausgerechnet bei dem höchst sensiblen Thema, siehe Bürgerprotest. Und er setzt gleich den zweiten Fauxpas oben drauf, indem er seine neuen Pläne ohne Abstimmung mit dem Grundstückseigentümer der Öffentlichkeit verkündet.

Dass Martin Röhrs darüber gelinde gesagt wenig erfreut ist, das ist nur allzu verständlich. Und dass er nun das Grundstück nicht mehr zur Verfügung stellt, ist nicht stur zu nennen, sondern geradezu zwangsläufig. Andernfalls wäre der Vorwurf, es habe sich bei dem Baumunfall um ein „abgekartetes Spiel“ gehandelt, nie mehr verstummt. Zumal der Forstexperte bei vielen Bürgern ohnehin einen schweren Stand hat.

Die Bilanz: Die Station kommt jetzt an einen Standort, der sowohl aus technischen als auch wirtschaftlichen Gesichtspunkten schlechter ist. Die Bäume sind weg, viele Bürger enttäuscht und das Vertrauensverhältnis mehrerer Akteure gestört. Es gibt wegen zweier Bäume nur Verlierer. Schade.

m.nothstein@bkz.de