Drei Tote bei Familiendrama in Heidelberger Hochhaus

Rentner erschießt vermutlich Frau, Sohn und sich selbst – Sein Motiv liegt noch im Dunkeln

Es ist spät am Abend, als eine Bewohnerin Schüsse in einem Heidelberger Hochhaus hört. Ein Sondereinsatzkommando macht in einer Wohnung einen grausigen Fund.

Heidelberg /LSW - Vom Aufzug sind es nur wenige Schritte durch den gelb gestrichenen Flur zur Wohnung im 15. Stock. Die Tür trägt Spuren des nächtlichen Einsatzes eines Spezialeinsatzkommandos (SEK). Der Rahmen ist in Höhe des Schlosses wie gesprengt, Teile der Verkleidung hängen herab. Zwei Polizisten sichern den Tatort, die angelehnte Tür verwehrt den Blick ins Innere.

In der Hochhauswohnung im Heidelberger Stadtteil Emmertsgrund müssen sich am späten Dienstagabend dramatische Szenen abgespielt haben. Ein 71-Jähriger soll hier seine Frau (73) und den Sohn (43) erschossen und sich dann selbst getötet haben.

Warum? Das bleibt zunächst im Dunkeln. Hausmeister Ingo Ellerhold ist am Morgen immer noch wie geschockt. Kurz vor Mitternacht klingelt ihn die Polizei raus. Das SEK steht vor der Tür. Es muss aufs Dach. „Ich habe aufgesperrt, dann haben die das eingenommen“, schildert er den nächtlichen Einsatz. Ellerhold ist vor allem der „Schlag“ durch die Blendgranate in Erinnerung: „Ich dachte, die sprengen die Etage.“

Anwohner zählen an die 20 Polizeifahrzeuge, jede Menge Polizisten und mehrere Rettungswagen. Sie sehen Einsatzkräfte mit schwarzen Helmen und Schutzwesten und Polizeihunde. Ein Hubschrauber kreist.

„Das war wie im Film“, sagt Agron Dinarica aus dem zweiten Stock. Der 32-Jährige kam vom abendlichen Einkauf zurück. „Die Polizei hatte das Haus aber abgesperrt. Die Familie war allein im Haus, ich hatte Angst.“ Ein Bewohner aus dem neunten Stock dachte an einen Terroranschlag.

Gegen 0.30 Uhr hören Be- und Anwohner einen lauten Knall. Das SEK hat die Tür zur Wohnung im 15. Stock aufgebrochen. Gut zweieinhalb Stunden nachdem der Notruf einer Anwohnerin einging – sie hatte Schüsse gehört –, finden die Einsatzkräfte drei Tote. Und eine Pistole. Der mutmaßliche Täter hatte eine Waffenbesitzkarte.

Hausmeister Ellerhold meint sich zu erinnern, dass jemand aus der Familie im Schützenverein war. Soweit er wisse, lebten nur die Eltern in der Vier-Zimmer-Eigentumswohnung. Der Sohn wohnte laut den Ermittler nicht bei den Eltern. Ein Bild aus der Nacht geht Ellerhold jetzt noch nach: „Ein Toter lag direkt hinter der Wohnungstür, ich habe die Beine gesehen, das war gruselig.“

Der Hausmeister sagt, die Polizei war in dem Mehrfamilienhaus schon öfter im Einsatz. Die getöteten Rentner hat er in guter Erinnerung: „Die Familie war nett.“

Das Viertel gilt als sozialer Brennpunkt. Vereinzelt blinken weihnachtliche Lichter, einige Fenster und Balkone sind geschmückt. Hier, wo sich weitgehend gesichtslose Betonbauten aneinanderreihen, scheint die berühmte „Romantikstadt Heidelberg am Neckar“ weit weg.

Am Morgen danach ist der Bereich um das Hochhaus noch großräumig abgesperrt. Für die meisten geht das Leben einfach weiter, Menschen hasten über den nassen Asphalt zur Arbeit. Am Tatort suchen Kriminaltechniker derweil noch nach Hinweisen für den Grund des Familiendramas.