Die Zahl der Katastrophen steigt. Das DRK sieht Baden-Württemberg nicht gut genug aufgestellt: Die Landesverbände fordern ein Kompetenzzentrum und viel höhere Ausgaben.
In Stuttgart macht das DRK eine inklusive Bevölkerungsschutzübung, bei der besonders auf die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung geachtet wird.
Von Jürgen Bock
Es ist das erste Mal, dass am Donnerstag beide Landesverbände des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) zu einer gemeinsamen Jahrespressekonferenz bitten. Das Thema, um das es in Stuttgart hauptsächlich geht, ist ihnen wichtig. Denn sie halten es, trotz aller Warnungen und bedrohlichen Entwicklungen, in der Politik noch immer für deutlich unterschätzt: Für den Bevölkerungsschutz müsste aus ihrer Sicht viel mehr getan werden.
„Wir leben in Zeiten des Wandels, der geopolitischen Entwicklungen, der Naturkatastrophen“, sagt Barbara Bosch, Präsidentin des DRK-Landesverbandes Baden-Württemberg. Die vergangenen Jahre seien gezeichnet gewesen von Pandemie, Krieg auch in Europa, Geflüchteten oder Überschwemmungen. Zeitgleich stoße das Gesundheitssystem immer wieder an Grenzen, es fehlten zudem Fachkräfte. Ihr Fazit nach den jüngsten Erfahrungen: „Der Bevölkerungsschutz in den jetzigen Strukturen ist noch ein Kind des Kalten Krieges. Wir müssen ihn dringend neu aufstellen.“
Ein Kompetenzzentrum für alle Beteiligten?
Dabei spielt eine große Rolle, dass der Bevölkerungsschutz eine komplizierte Sache ist. Er besteht aus dem Zivilschutz, also der Versorgung im Kriegsfall, für den der Bund zuständig ist, sowie aus dem Katastrophenschutz, bei dem die Länder den Hut aufhaben. Es gibt unterschiedliche Zuständigkeiten, unterschiedliche Finanzierungen, aber im Grunde immer dieselben Betroffenen: die Einsatzkräfte von Rettungsorganisationen wie dem DRK, Feuerwehr oder THW. Viele von ihnen arbeiten ehrenamtlich.
„Wir brauchen nicht ein Nebeneinander verschiedener Akteure, sondern eine methodische und strukturelle Vernetzung“, so Bosch. Deswegen fordert das DRK, das im Katastrophenschutz über drei Viertel der Kapazitäten in Baden-Württemberg stellt, ein Landeskompetenzzentrum. Am liebsten sähe man solche Zentren dann auch auf regionaler oder lokaler Ebene. Mit den anderen Rettungsorganisationen ist man sich da einig, mit der Landesregierung hat es offenbar erste Gespräche gegeben – ohne konkrete Zusagen.
Zurückhaltend dürfte die Politik auch auf eine weitere Forderung der Retter reagieren. „Das Land muss auch finanziell aufstocken. Wir fordern, dass künftig 0,5 Prozent des Landeshaushalts für den Bevölkerungsschutz zur Verfügung gestellt wird“, sagt Hanno Hurth, Präsident des Badischen Roten Kreuzes, das im Südwesten für den Bereich Südbaden zuständig ist. Geplant hat das Land derzeit zwischen 20 und 30 Millionen jährlich. Beim DRK geht man davon aus, dass es 200 bis 300 Millionen Euro pro Jahr braucht, um gut aufgestellt zu sein – also eine glatte Verzehnfachung.
„Wir selbst investieren auch. Wir schaffen weitere Materialreserven an, vergrößern die Lagerflächen, bilden Leute aus“, so Hurth. Es könne aber nicht sein, dass man den Bevölkerungsschutz, der Sache des Bundes und der Länder sei, wesentlich mitfinanziere. Man müsse derzeit zum Beispiel die Hälfte der Fahrzeugkosten selbst tragen. „Ich weiß nicht, wie ich Spendern erklären soll, dass wir eine staatliche Aufgabe mit Spenden finanzieren müssen“, sagt Barbara Bosch. Das sei auch respektlos gegenüber den vielen Ehrenamtlichen, die das Thema Bevölkerungsschutz tragen.
Erste Hilfe im Bildungsplan?
Die Retter sehen noch weitere Punkte, die helfen könnten. So fordern sie eine Gleichstellung der DRK-Helfer mit den Leuten von Feuerwehr und THW. Das bedeutet, dass alle in jeder Einsatzlage, für die sie gebraucht werden, einen Anspruch auf Freistellung von der Arbeit und gegebenenfalls eine Übernahme von ausgefallener Bezahlung bekommen. Zudem müsse die Resilienz in der Bevölkerung dringend steigen. „Das Thema Erste Hilfe muss bei jedem mindestens einmal in der Schullaufbahn auf dem Stundenplan stehen“, so Bosch.