Johann Wadephul bei Caren Miosga

„Drohnenabwehr – da müssen wir Gas geben“

Außenminister Wadepuhl sorgt sich im ARD-Talk wegen russischer Luftattacken, und ein Militärexperte beschreibt ein düsteres Szenario für die Bundeswehr in Litauen.

„Drohnenabwehr – da müssen wir Gas geben“

Außenminister Johann Wadephul bei Caren Miosga.

Von Christoph Link

Für den US-Präsidenten Donald Trump hat der deutsche Außenminister Johann Wadepuhl am Sonntag im ARD-Talk von Caren Miosga tatsächlich ein Kompliment mitgebracht. „Ich muss Trump dafür loben und danken, dass er auf beide Seiten Druck ausübt, um im Gaza zu einer friedlichen Zwischenlösung zu kommen“, sagte Wadepuhl. Am Montag werden Trump und Israels Premier Benjamin Netanjahu den amerikanischen 21-Punkte-Plan für Gaza erörtern – mehr darüber später, denn Russland war das Top-Thema der Sendung.

Die wiederholte Verletzung des Luftraums von Nato-Ländern durch russische Kampfjets sowie das Überfliegen von Flughäfen oder Kasernen mit russischen Drohnen treibt das westliche Verteidigungsbündnis um. „Putin will uns testen“, meinte Minister Wadepuhl, der selbst Reserveoffizier der Bundeswehr ist. Die Nato lebe noch „im Frieden“ mit Russland, aber es sei „kein vollständiger Friede“ mehr angesichts der Luftraumverletzungen. „Da werden wir Antworten geben.“

Kein Wort zum Jet-Abschuß

Gehört dazu auch ein Abschuss eines russischen Jets über Nato-Gebiet und würde er das befürworten, fragte Caren Miosga. Wadepuhl wich in seiner Antwort aus: „So ein Abschuß ist keine politische Frage. Dafür haben wir Nato-Strukturen und Nato-Offiziere, die so etwas entscheiden.“ Gleichwohl sieht er die Bundesregierung bereits am Handeln, wie auf die Drohnen zu reagieren sei. Es werde jetzt innenpolitisch geprüft, wer Drohnen abschießen könne, ob dass die Bundeswehr mache oder die Landes- oder Bundespolizei im Auftrag der Bundeswehr. Vermutungen, dass Deutschland leicht einem Luftangriff ausgesetzt sein könne, widersprach Wadepuhl vehement: „Wir sind in der Lage, unseren Luftraum zu verteidigen.“

Allerdings müsse man bei der technischen Ausrüstung für die Drohnenabwehr jetzt „Gas geben“ und schneller werden bei der Beschaffung von Verteidigungsmitteln. Das sei auch kein Hexenwerk. Möglich sei nicht nur der Abschuss, sondern auch eine elektronische Störung, dass diese unbemannten Flugkörper von allein vom Himmel fallen. Solche Geräte produziere auch Deutschland. Gefragt, was er denn unter der „kraftvollen Antwort“ verstehe, die er am Rande der UN-Vollversammlung Russland zu geben angekündigt hatte, blieb Wadepuhl vage. Man habe ja das Fünf-Prozent-Ziel bei den Verteidigungsausgaben beschlossen, außerdem werde eine deutsche Brigade in Litauen stationiert. „Wir stehen an der Ostflanke. Das ist eine starke Aussage von Deutschland“, meinte Wadepuhl.

„In 10 Tagen zu 60 Prozent vernichtet“

Diese Aussage ist vom Studiogast Christoph von Marschall, Verteidigungsexperte und Korrespondent des „Tagesspiegels“ dann aber zugleich zerpflückt worden. Er habe ein Sabbatical in den USA gemacht und sich dort mit sogenannten War Games beschäftigt, die detailliert den Verlauf militärischer Konflikte vorhersagen können. Wenn da in Litauen die deutsche Brigade stehe gemeinsam mit 18.000 litauischen Soldaten, dann bräuchten laut dieser Planspiele mehrere Hunderttausend russische Soldaten – die nach einem Ende des Ukraine-Krieges verfügbar wären – exakt zehn Tage um die dortige Bundeswehreinheit und die litauische Armee zu 60 Prozent zu vernichten.

Von Marschall sieht deshalb nur in einer entschiedenen Ausrüstung mit Luftabwehr eine Chance für Litauen: Die bräuchten mindestens zehn Patriot-Abwehr-Batterien, allerdings seien die auf dem Markt gar nicht verfügbar. Man müsse die USA davon überzeugen, eigene Patriots abzugeben oder die Erlaubnis erhalten, sie in Europa in Lizenz produzieren dürfen. Man brauche ein schnelles und entschlossenes Handeln, und das müsse man den Bürgern auch sagen und erklären. Dafür gab es Applaus im Studio. Von Marschall ist im übrigen der Ansicht, dass die Nato sich mit Russland schon einer Art von „unerklärtem Krieg“ befinde, auch wenn es noch „kein Schießkrieg“ sei.

Hoffnung für Gaza?

Den Krieg im Gaza zu beenden – das soll nach dem Wunsch der Studiorunde vielleicht in dieser Woche noch klappen. Alle Hoffnung liegt auf dem Gaza-Plan von Trump. Dass die Geiseln frei kommen, dass die humanitäre Hilfe fließt, Sicherheitskräfte aus muslimischen Ländern in den Gaza kommen und die Hamas entwaffnet wird: das ist auch der Wunsch von Wadepuhl, er sieht eine Chance für eine Vereinbarung. Wenn das erreicht werde, dann könne auch über den Staatsgründungsprozess für die Palästinenser verhandelt werden. Der Ansicht von Christoph von Marschall, dass Deutschland im Nahen Osten gar keine politische Rolle mehr spiele, widersprach Wadepuhl. Laufend riefen ihn arabische Minister an mit der Bitte, auf Israel Einfluss zu nehmen. Es habe ihn überrascht, dass muslimische Länder erstmals im Gaza Verantwortung übernehmen wollten. So wolle Indonesien 20.000 Soldaten schicken, dass sei eine große Menge. Auch Pakistan sei zur Entsendung bereit.

Je nach dem, wie die Woche verläuft, wird auch die von der EU-Kommision vorgeschlagene Sanktionsliste gegen Israel diskutiert werden, bei einer Einigung über Gaza könnten sie obsolet werden, falls nicht, bleiben sie auf der Agenda. Deutschland müsse sich da positionieren, meinte die Politikwissenschaftlerin Daniela Schwarz (Bertelsmann-Stiftung), es könne als wichtigster außenpolitischer Akteur in Europa sich da ein „Nicht-Verhalten“ nicht leisten und auf die Bundesregierung werde eine „schwierige Entscheidung“ zu kommen. „Das Gute an den EU-Sanktionen ist, dass sie sehr gezielt sind auf einzelne Personen und nicht die Israelis insgesamt bestrafen“ Dass ermögliche es Deutschland, die Solidarität mit Israel zu erhalten und gegebenenfalls dennoch für Sanktionen zu sein.