Eimertaxi für Kröten, Frösche und Molche

Die Amphibienwanderung in Backnang, Aspach und Erbstetten ist in vollem Gange – In diesem Jahr wird ein Gutachten erstellt

Weil die Temperaturen mild sind und es ausreichend feucht ist, haben sich die Amphibien der Region in diesem Jahr schon früh auf die Wanderung gemacht. Unter der Regie der Nabu-Gruppen Backnang und Aspach haben Ehrenamtliche hierfür Zäune errichtet und bringen die Tiere sicher über die Straße.

Eimertaxi für Kröten, Frösche und Molche

Nach einer Runde entlang des am Plattenwald aufgestellten Zauns ist im Eimer viel los.

Von Lorena Greppo

BACKNANG. Im Eimer steppt der Bär – oder besser gesagt die Erdkröte. Etwa 15 Exemplare krabbeln darin herum, klettern übereinander, versuchen zu entwischen und geben regelmäßig Laute von sich. Wer ein tiefes, kehliges Quaken erwartet, wird von den männlichen Erdkröten überrascht. Piepsend klingt ihr Ruf, erinnert beinahe schon an eine Möwe. Und je mehr Krötenmännchen im Eimer sind, desto öfters wird er ausgestoßen. Obwohl die Kröten und Frösche Ausbruchsversuche unternehmen und mancher Molch sich tot stellt – die kurzzeitige Gefangenschaft im Eimer dient nur ihrem Wohlergehen. Bei frühlingshaften Temperaturen und Niederschlag machen sich die Amphibien zu Hunderten auf den Weg, um in nahe gelegenen Gewässern zu laichen. Nur: Mitten durch ihre Wanderstrecke verlaufen oft viel befahrene Straßen. So zum Beispiel in Backnang, wo die Tiere vom Plattenwald in das Biotop Pfaffenrinne gelangen wollen. Damit sie den Weg dennoch unbeschadet überstehen, sammeln Ehrenamtliche unter Anweisung des Nabu Backnang die Tiere auf und tragen sie durch die Unterführung zum Ziel.

In diesem Jahr ging es schon Ende Januar los, einige Wochen früher als gewöhnlich, erklärt Marion Schieber-Stitz, die Hauptverantwortliche für die Amphibienwanderung beim Nabu Backnang. Grund dafür seien die milden Temperaturen in den Wintermonaten. Mit dem Errichten der Zäune, die die Tiere vor der gefährlichen Überquerung der Straßen bewahren sollen, musste es also schnell gehen. Auch in Erbstetten wurde auf Höhe der Biovergärungsanlage Neuschöntal ein Zaun aufgestellt. Die beiden Nabu-Ortsgruppen Backnang und Aspach unterstützen sich hierbei gegenseitig. Und dann geht es auch schon ans Aufsammeln. Jeden Morgen und jeden Abend gehen Ehrenamtliche die Zäune ab und kontrollieren, ob sich dort Kröten, Frösche und Molche befinden. Weil die Amphibien zu Nachtzeiten und in der Dämmerung aktiv sind, werden so die Hauptwanderzeiten abgedeckt.

Springfrosch von Grasfrosch zu unterscheiden, ist gar nicht so leicht

„Wir überlegen schon, ob wir mit einem Leiterwagen losziehen sollen“, sagt Schieber-Stitz lachend. Sie hat zusammen mit Sven Marsch schon im Vorjahr eine Vielzahl der Kontrollgänge abgedeckt. Für den Einsatz ist allerhand Equipment nötig. Für die eigene Sicherheit tragen alle Helfer Warnwesten. Stirn- und Taschenlampen sind nötig, um die Tiere überhaupt zu finden. Dann braucht es natürlich Eimer – am besten mehrere, damit die Molche von den klammerfreudigen Kröten nicht erdrückt werden. Zusätzlich sollten Eimer mit Fröschen darin mit einem Handtuch abgedeckt werden, sonst hüpfen diese raus.

In diesem Jahr kommt noch eine Besonderheit hinzu: Für die Amphibienstrecke Backnang–Steinbach wird ein Gutachten erstellt. Dieses soll, so die Backnanger Nabu-Vorsitzende Anja McGrath, methodisch genaue Zahlen und Hinweise liefern, wie viele Amphibien an welcher Stelle laufen. Sprich: Anzahl, Art und Geschlecht der Amphibien wird genau erfasst. „Dieses Gutachten soll als Entscheidungshilfe dienen, ob an dieser Stelle eine bauliche Maßnahme für die Amphibien erstellt werden soll“, erklärt McGrath. Bauliche Maßnahmen, das könnten beispielsweise Querungshilfen oder Tunnel sein. Damit die Helfer auch erkennen, welches Tier sie vor sich haben, hat Jochen Schäufele, Vorsitzender des Nabu Aspach, bei einer Informationsveranstaltung die wichtigsten Merkmale der zu erwartenden Tierarten vorgestellt. Mehr als 1500 Exemplare wurden bisher schon transportiert.

Gut zu erkennen sind etwa die Feuersalamander mit ihrer schwarz-gelben Musterung. Sie müssen aber gar nicht über die Straße gebracht werden, denn sie paaren sich im Gegensatz zu den Kröten, Fröschen und Molchen an Land. Auch noch recht gut zu unterscheiden sind die Erdkröten – die häufigste Art am Amphibienzaun. Sie machen es den Helfern leicht und lassen sich anstandslos aufsammeln. Zudem sind die Weibchen so viel größer als die Männchen, dass eine Verwechslung ausgeschlossen ist. Dann wird es schon schwieriger. Die kleinen Molche sind nämlich im Laub nicht nur schwer zu erkennen, es gilt ja auch noch das Geschlecht zu bestimmen. Ist das nun ein dickes Männchen oder ein schlankes Weibchen? Und: Handelt es sich um einen Berg- oder Teichmolch? Noch schwieriger wird es mit den Fröschen. Nicht nur lassen diese sich ungern fangen und hüpfen den Helfern aus der Hand – Gras- und Springfrösche sind auch nicht einfach zu unterscheiden. Zum Glück sind bei Unsicherheiten Ansprechpartner des Nabu da. Marion Schieber-Stitz und Sven Marsch sind fast täglich vor Ort.

Sind die Tiere dann am Biotop angekommen, können sie sich an ihre eigentliche Aufgabe machen: das Laichen. Dann ist es für die Helfer schon an der Zeit, die Vorkehrungen für die Rückwanderer zu treffen – der Zaun im Biotop Pfaffenrinne steht bereits. Denn auch sie sollen ein Eimertaxi zurück in den Wald bekommen. Im Juni wird der sogenannte Froschregen erwartet, wenn die vielen Nachkommen sich auf Wanderung machen. Für die Ehrenamtlichen bleibt folglich auch in den kommenden Monaten einiges zu tun.

Eimertaxi für Kröten, Frösche und Molche

Im ruhigen Gewässer im Biotop Pfaffenrinne legen die Amphibien ihren Laich ab. Im Anschluss wandern sie wieder zurück in den Plattenwald. Fotos: L. Greppo

Info
Helfer sind gern gesehen

Für seine Aktivitäten rund um die Amphibienwanderung hat der Nabu Backnang im vergangenen Jahr den Leserpreis der Backnanger Kreiszeitung/Murrhardter Zeitung in Höhe von 1000 Euro erhalten. Mit diesem Geld seien Stirnlampen für die Helfer sowie dringend notwendiges Material für den Zaunbau gekauft worden, sagt Marion Schieber-Stitz.

Mehr als ein Kilometer Strecke wurde allein in Backnang am Rand des Plattenwalds und im Biotop Pfaffenrinne in mehreren Schritten mit einem Zaun versehen. Dieser hält die Tiere davon ab, eigenmächtig die Straße zu überqueren.

Die Zerschneidung von Wanderstrecken ist bei Amphibien eine der Hauptursachen für den Artenschwund, lässt das Landesministerium für Verkehr wissen.

Weil immer wieder Tiere am Zaun vorbei auf die Straße gelangen und zudem Helfer in diesen Gebieten oftmals in der Dunkelheit oder Dämmerung im Einsatz sind, bittet der Nabu Autofahrer, in diesem Bereich umsichtig zu fahren.

Um die Zäune regelmäßig zu kontrollieren und die Tiere sicher über die Straße zu bringen, sind zahlreiche ehrenamtliche Helfer im Einsatz. Wer sich ebenfalls einbringen will, kann sich beim Nabu Backnang per E-Mail an info@nabu-backnang.de melden.