Ein Abschied zum richtigen Zeitpunkt

Sechsmal hat Norbert Barthle (CDU) bei Bundestagswahlen das Direktmandat im Wahlkreis Backnang/Schwäbisch Gmünd gewonnen. Nun verabschiedet sich der 69-Jährige aus der Politik und ist froh, dass ihm der Gang in die Opposition erspart bleibt.

Ein Abschied zum richtigen Zeitpunkt

Stammplatz im Bundestag: Norbert Barthle hat den Wahlkreis Backnang/Schwäbisch Gmünd 23 Jahre lang als direkt gewählter Abgeordneter vertreten, anfangs noch in Bonn, ab 1999 dann in Berlin. Foto: privat

Von Kornelius Fritz

Backnang. Im April hat es Norbert Barthle noch einmal ins „Heute Journal“ geschafft. Im Interview mit Moderatorin Bettina Schausten warb der CDU-Abgeordnete dafür, den CSU-Vorsitzenden Markus Söder zum Kanzlerkandidaten zu machen. Barthle konnte die offene Rebellion gegen seinen eigenen Parteichef Armin Laschet riskieren, denn zu diesem Zeitpunkt stand bereits fest, dass er selbst bei der Bundestagswahl im September nicht mehr antreten würde. Geholfen hat sein Appell allerdings nicht: Die CDU zog trotzdem mit Laschet in die Wahl, das Ergebnis ist bekannt. Und Norbert Barthle ist sich jetzt noch sicherer, dass er mit seinem selbst gewählten Abschied alles richtig gemacht hat. Auf Opposition hätte der 69-Jährige nämlich überhaupt keine Lust mehr gehabt: „Da landet alles, was man macht, im Papierkorb.“

Barthle spricht aus Erfahrung, denn seine ersten sieben Jahre als Abgeordneter hat er auf der Oppositionsbank verbracht. Für den Einstieg sei das auch gar nicht so schlecht gewesen: „Der Druck ist geringer und man kann sich warmlaufen.“ Der damals 46-Jährige hatte noch wenig politische Erfahrung, als er 1998 erstmals in den Bundestag gewählt wurde. Barthle hatte nicht die übliche Ochsentour von der Jungen Union über Orts-, Kreis- und Landesverband hinter sich, sondern startete als Quereinsteiger direkt durch. Der ehemalige Gymnasiallehrer für Deutsch und Sport war überhaupt erst acht Jahre CDU-Mitglied, als er sich im internen Wettbewerb gegen sechs Konkurrenten durchsetzte. Die Politik war ihm allerdings auch nicht fremd: Als Pressesprecher von Kultusministerin Annette Schavan war er nah dran an den Entscheidungsträgern im Land und wusste sich auch in der Öffentlichkeit zu verkaufen. Trotzdem brauchte es drei Wahlgänge, bis Barthles Nominierung feststand.

Erster Wahlkampf endet mit einer Pleite

Sein erster Wahlkampf war dann alles andere als einfach. Nach 16 Jahren unter Kanzler Helmut Kohl herrschte Wechselstimmung. Barthle erinnert sich noch gut an einen Wahlkampfauftritt in Bargau, bei dem am Ende ein Zuhörer aufstand und erklärte: „Was Sie da sagen, ist ja alles schön und gut, aber der Dicke muss weg.“ Die Wahlniederlage hat der Kandidat kommen sehen und musste am Ende froh sein, dass es für ihn selbst noch zum Direktmandat reichte – mit mageren drei Prozentpunkten Abstand auf SPD-Bewerber Christian Lange. Vorgänger Dieter Schulte hatte vier Jahre zuvor noch 16 Punkte Vorsprung gehabt.

Doch es kamen auch wieder bessere Zeiten, für die Union und für Barthle. Angela Merkel wurde Kanzlerin und der Abgeordnete aus Schwäbisch Gmünd 2009 haushaltspolitischer Sprecher seiner Fraktion. Damit war er so etwas wie der verlängerte Arm von Finanzminister Wolfgang Schäuble. In der Banken- und Eurokrise sei das ein richtig stressiger Job gewesen, erinnert sich Barthle: „Wir haben einen Rettungsschirm nach dem anderen gebaut.“ Dass die Eurozone damals nicht auseinandergebrochen ist, sei vor allem dem Geschick von Merkel und Schäuble zu verdanken: „Sie haben in dieser Zeit Großartiges geleistet.“

Nach der Bundestagswahl 2013, bei der er mit 55,4 Prozent der Erststimmen sein bestes Ergebnis erzielte, machte sich Norbert Barthle Hoffnungen auf einen Job in der Regierung. Bei der Verteilung der Posten ging er allerdings zunächst einmal leer aus. Bundeskanzlerin Angela Merkel habe ihm damals aber versprochen: „Bei nächster Gelegenheit sind Sie dran.“ Die bot sich, als die Staatssekretärin im Verkehrsministerium Katharina Reiche zwei Jahre später in die Wirtschaft wechselte. Die Kanzlerin erinnerte sich an ihr Versprechen und bot Barthle den Posten an.

Zwei Jahre war der Schwabe an der Seite des CSU-Ministers Alexander Dobrindt für die Infrastruktur zuständig, was nicht zum Schaden seines Wahlkreises war. So wurde in dieser Zeit unter anderem die Baufreigabe für den vierspurigen B-14-Ausbau bis Backnang-West erteilt. Dass seitdem trotzdem nicht viel passiert ist, ist in Barthles Augen ein Skandal, die Schuld daran gibt er dem Land, das bei der Umsetzung auf der Bremse stehe: „Wenn dieses Projekt trotz zugesagter Finanzierung versandet, dann ist dem Land nicht mehr zu helfen.“

Obwohl er gerne geblieben wäre, musste Barthle seinen Posten im Verkehrsministerium nach der Bundestagswahl 2017 wieder räumen. Doch auch an seinem neuen Job als Staatssekretär im Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung fand er rasch Gefallen. Und das nicht nur, weil er dabei um die ganze Welt reisen durfte. „Wir machen keine Gesetze, sondern gute Taten“, bringt Barthle die Aufgabe seines Ministeriums auf den Punkt. Neben dem Kampf gegen die Armut waren dabei auch viele Projekte für den Umwelt- und Klimaschutz, unter anderem in Indien und Südamerika. Eine sinnvolle Arbeit, jenseits von Parteipolitik und ideologischen Glaubensfragen. Daneben kümmerte sich Barthle auch um das nicht immer einfache Verhältnis zu Griechenland, als persönlicher Beauftragter der Bundeskanzlerin in der Deutsch-Griechischen Versammlung.

Zum Abschied ein Plädoyer für Merz

Der Abschied aus Berlin fällt Norbert Barthle nach 23 Jahren im Bundestag nicht leicht: „Es war schon ein komisches Gefühl, als ich nach meiner letzten Sitzung wusste: Diesen Saal darf ich nie wieder betreten.“ Andererseits freut er sich auch auf das, was vor ihm liegt, zum Beispiel mehr Zeit zum Skifahren oder zum gemeinsamen Kochen mit seiner Frau. Auch weitere Ehrenämter schließt Norbert Barthle nicht aus. Insbesondere dem Sport will der ehemalige Sportlehrer auf jeden Fall verbunden bleiben. Schon heute ist er Präsident im Deutschen Verband für das Skilehrwesen und Aufsichtsratsmitglied beim Fußball-Regionalligisten SG Sonnenhof Großaspach.

In die Parteipolitik will sich Norbert Barthle künftig nicht mehr einmischen, aber er gibt der CDU zum Abschied noch einen Tipp: „Wir müssen die Chance in der Opposition nutzen, um uns personell und inhaltlich zu erneuern.“ Dafür brauche es „neue Köpfe und ein klares Parteiprofil“. Und er macht auch kein Geheimnis daraus, wen er damit meint: Friedrich Merz. Für ihn hatte sich Barthle schon bei dessen ersten beiden Kandidaturen starkgemacht. Mal sehen, ob die Partei diesmal auf seinen Rat hört.