Ein Bürgereinkommen gegen das Couchdasein

Warum Deutschland auf Hartz IV stolz sein kann,zeigt ein Blick nach Italien

Von Almut Siefert

Arbeitslosigkeit - In Italien soll bald ein Bürgereinkommen eingeführt werden - keinesfalls zu verwechseln mit einem bedingungslosen Grundeinkommen. Im Vergleich zu den italienischen Plänen erscheint das deutsche Hartz IV-System wie ein Paradies für Leistungsbezieher.

Rom Die geringste Arbeitslosenquote seit der Wiedervereinigung. Und das in einer Zeit, in der es selbst um das deutsche Wirtschaftswachstum nicht rosig bestellt ist: Deutschland könnte stolz sein, dass es die Arbeitslosenzahl von fast 12 Prozent bei Einführung von Hartz IV im Jahr 2005 auf 5,2 Prozent im Jahr 2018 senken konnte. Doch die Deutschen haben es nicht so mit dem Stolz. 14 Jahre nach der Einführung von Hartz IV wird dieses System ohne Notwendigkeit auf den Prüfstand gestellt – am Ende vielleicht sogar abgeschafft.

Dabei ist die Bundesrepublik für viele ein Vorbild in Sachen Sozialstaat. Italien arbeitet seit Jahren daran, eine funktionierende Hilfe für Bedürftige zu etablieren. Erste Maßnahmen wurden 2015 mit der Arbeitslosenversicherung eingeführt, 2017 folgte das „reddito di inclusione“, ein Teilhabegeld, das Arme in die Gesellschaft integrieren sollte. Doch mit 188 Euro für einen Einzelnen und 540 Euro für eine Großfamilie kommt man nicht weit. Fünf Millionen Menschen gelten in Italien als arm.

Die Arbeitslosenquote in Italien liegt derzeit bei rund elf Prozent, die Jugendarbeitslosigkeit übersteigt noch immer die 30 Prozent. Die Maßnahmen, die die populistische Regierung nun mit dem „reddito di cittadinanza“, dem Bürgereinkommen, geschaffen hat, könnten den Italienern also tatsächlich helfen. Das Prinzip des Förderns und Forderns wird mit Blick auf den Erfolg in Deutschland auch in Italien eingeführt. Arbeitsminister und Vize-Premier Luigi Di Maio, Chef der Fünf-Sterne-Bewegung, die bei ihrer Gründung vor etwa zehn Jahren ein bedingungsloses Grundeinkommen propagiert hatte, nennt seine Reform „misura anti-divano“, eine Maßnahme gegen das Couchdasein.

Die „zumutbare Mitwirkung“, die dem deutschen Hartz IV-System zugrunde liegt, sieht in Italien aber ganz anders aus. Nach drei abgelehnten Jobangeboten innerhalb von 18 Monaten wird das Bürgergeld ersatzlos gestrichen. Zumutbar bedeutet: Das erste Angebot muss in einer Distanz von bis zu 100 Kilometern vom Wohnort liegen, das zweite in einem Radius von 250 Kilometern, das dritte irgendwo in Italien.

Mit dem neuen Bürgergeld gibt es höchstens 500 Euro zum Leben. Die Maximalsumme von 780 Euro wird nur ein ganz geringer Teil der Leistungsberechtigten bekommen, darin sind dann auch die Kosten für die Miete enthalten. Die Modalität der Auszahlung würde in Deutschland wohl als menschenunwürdig gegeißelt. Der zustehende Betrag soll jeden Monat auf eine Bankkarte geladen werden. Mit der Karte kann man aber kein Geld abheben, sondern nur in Läden bezahlen. Und auch das nicht in allen. Zigaretten etwa soll man damit nicht kaufen können. Wer am Ende des Monats etwas gespart hat, hat Pech: Die Karte wird auf Null gesetzt und der Betrag für den kommenden Monat neu geladen. Wer den Staat betrügt, falsche Angaben macht oder nebenbei einer Schwarzarbeit nachgeht, muss mit sechs Jahren Gefängnis rechnen. Im Vergleich zu den italienischen Plänen erscheint das deutsche Hartz-IV-System wie ein Paradies für Leistungsbezieher.

Durchhaltevermögen ist gefragt. Vor der Europawahl im Mai will die Fünf-Sterne-Bewegung zumindest eines ihrer Wahlversprechen umgesetzt haben. Ihr Chef Luigi Di Maio hatte bereits im September stolz verkündet: „Wir haben die Armut in Italien abgeschafft.“ Da war die Reform nur grob in den Haushalt aufgenommen worden. Die größte Gefahr ist nun, dass der Wunsch nach schnellem Erfolg bei den kommenden Wahlen wieder einmal einer langfristigen Besserung der Lage in Italien im Wege steht.

almut.siefert@stzn.de