Ein Fotoalbum voller Promis

Sammellust (6) Die Backnangerin Ursel Kress sammelt seit etwa 50 Jahren Fotos mit Prominenten. Zu jedem Exemplar kann sie eine kleine Geschichte erzählen. Es war nicht immer einfach, zu den heiß begehrten Stars durchzukommen, doch die ehemalige Gastwirtin kennt die Tricks.

Ein Fotoalbum voller Promis

Die Fotos und dazugehörige Erinnerungsstücke hat Ursel Kress stets ausgedruckt und in ein Album geklebt. Fotos: Alexander Becher

Von Anja La Roche

Backnang. „Ich hab sie bisher fast alle gekriegt“, sagt Ursel Kress schmunzelnd. Die Backnangerin blättert in einem ihrer dicken Alben, die gefüllt sind mit Fotos von jeglichen Stars und Sternchen – und mit ihr selbst. Denn bereits seit einem knappen halben Jahrhundert ist die mittlerweile 81-Jährige auf der Jagd nach Berühmtheiten, um sich gemeinsam mit ihnen ablichten zu lassen. Ob in der ehemaligen Disko „Grube“ in Backnang, im Sonnenhof oder auch in Stuttgarter Konzerthallen, Ursel Kress ist in ihrem Leben auf vielen Konzerten gewesen. Und fast immer konnte sie mit viel Glück und einem Talent für selbstbewusstes Vorpreschen die umgarnten Lieblinge der Showbranche abpassen. Darunter sind sowohl internationale Größen wie Fats Domino, David Copperfield und Harry Belafonte, als auch nationale wie Jürgen Drews, Hubert Kah, und Karl Dall. Dass die ehemalige Gastwirtin der Gaststätte Scholpp heute über 100 Fotos mit Promis angesammelt hat, ist teilweise auch dem Zufall geschuldet. So traf sie zum Beispiel Thomas Gottschalk 1988 in einem Café in München an und konnte ihn vor die Linse locken.

Einige prominente Musiker kamen zur Stärkung in ihrem Wirtshaus vorbei

Ein unbekanntes Gesicht ist Ursel Kress dabei selbst nicht, zumindest nicht in Backnang. Gemeinsam mit ihrem Ehemann Ernst Kress übernahm sie 1970 die Gaststätte Scholpp von ihren Eltern, welche sich zu einem beliebten Treffpunkt entwickelte. Nicht nur lokale Berühmtheiten hörten von dem Charme, mit welchem die Eheleute die Gaststätte bewirteten. Mike Krüger etwa schrieb in das Album von Ursel Kress: „Liebe Eltern, wenn ich gewusst hätte, dass man hier so gut essen kann, hätte ich euch mitgenommen.“ Und auch die deutsche Band Relax kam 1983 in die Wirtschaft Scholpp, „um was G’scheites zu essen“, erinnert sich Ursel Kress voll Freude zurück. Das Lokal nutzte sie damals auch, um die Fotos von ihr und den Promis auszustellen. So konnte jeder Gast ihre zahlreichen Begegnungen bewundern und auf Nachfrage erzählte die Backnangerin gerne, wie es war, diesen und jenen Star zu treffen, denn „zu jedem Foto gibt es eine Geschichte“.

Begonnen hat ihre Fotosammlung 1973 mit dem Musiker Gus Backus. „Es ist a bißle wie a Sucht“, erklärt sie, dass diesem ersten Schuss noch viele weitere folgten. Ein besonderes Highlight für Ursel Kress ist die Begegnung mit Fats Domino 1978. Den weltbekannten Pianisten und Sänger sah sie auf der Bühne der Stuttgarter Liederhalle, und ihre Freunde waren sich sicher: „Den kriegst du nicht.“ Pustekuchen. Denn nach dem Konzert ließ sie in einer Bar den Abend ausklingen, und wer kam da zur Tür hereinspaziert? Indem sich Ursel Kress als gute Bekannte am Portier vorbei flunkerte gelangte sie schließlich zu dem Musiker.

Als Ursel Kress mit ihrem Mann 2000 im Berliner Lokal Aschinger verkehrte, erblickte sie den ehemaligen Staatspräsidenten der Sowjetunion und Friedensnobelpreisträger Michail Gorbatschow; dass sie ihn um ein Foto bat, stand außer Frage. Allerdings hat ihr Mann lange gewartet, bis er den Auslöser der Kamera drückte, sodass Ursel Kress einen Moment zu lange die Hand des Staatsmannes in ihrer halten musste. „Ich hab zu ihm gerufen: Mach doch endlich das Bild“, erzählt sie lachend.

Um an das Foto zu gelangen, musste die Backnangerin oft improvisieren

Oftmals hatte Ursel Kress niemanden an ihrer Seite, der sie fotografieren konnte, wenn sie auf Promipirsch gegangen ist. Dann musste sie improvisieren. Als sie Udo Jürgens 1986 am Wörthersee begegnete, fragte sie einfach den Fotografen des Sängers, doch bitte ein Foto zu machen, und 1994 knipste der Manager von David Copperfield sie Arm in Arm mit dem besagten Zauberkünstler. Um zum begehrten Fotomotiv zu gelangen, musste Ursel Kress manchmal ein bestimmtes Maß an Dreistigkeit einsetzen. 1984 sah sie James Last in der Schleyerhalle und musste drei Sperren überwinden, um den Star zu erreichen.

Besonders am Herz liegen der tief in Backnang verwurzelten Frau die Fotos mit lokalen Stars wie Andrea Berg, deren Ehemann sie von Kindesbeinen an kennt, aber auch Vanessa Mai und Werner Veidt, der von 1979 bis 1990 täglich in der Wirtschaft Scholpp ein und aus ging. Heute sind sie und ihr Mann nicht so viel unterwegs wie einst, aber der Schlussstrich ist noch nicht gezogen. So ließen sich die beiden erst im vergangenen September mit dem Sänger Matthias Reim ablichten, dem sie am Bodensee über den Weg gelaufen sind.

In der Gastwirtschaft Scholpp, die 1998 einer der beiden Söhne übernahm, hängen heute nur noch wenige der Fotos. Doch Ursel Kress kann heute ja Facebook nutzen, um ihre Bilder zu teilen. Rückblickend findet sie es schön, dass sie dieses besondere Hobby in den 70er-Jahren angefangen hat. „Das gibt mir Energie, da bin ich happy drüber.“ Nur ein Wunsch blieb bisher unerfüllt: Sie möchte unbedingt ein Foto mit Shakin’ Stevens, denn der performt die Songs des von ihr verehrten Elvis Presley am besten. Er ist der einzige, wie Ursel Kress beteuert, den sie nicht auf ein Foto bekommen hat.

Ein Fotoalbum voller Promis

Thomas Gottschalk 1988: rechter Arm um Ursel Kress gelegt, in der Linken die Zigarre.