Bundesliga-Aufsteiger Barock Volleys Ludwigsburg steht auf Rang vier. „Wir sind ein tolles Team“, sagt Ben-Simon Bonin, „und mehr als Arbeitskollegen.“
Von Jochen Klingovsky
Ludwigsburg - Was für ein Start! Die Ludwigsburger Volleyballer befinden sich völlig überraschend in der Spitzengruppe der Bundesliga. Das freut auch Ben-Simon Bonin. Aus Sicht des Kapitäns ist die Entwicklung längst noch nicht beendet.
Herr Bonin, wenn Ihnen jemand vor der Saison gesagt hätte, dass Ihr Team sieben der ersten elf Spiele gewinnen würde – was hätten Sie geantwortet?
Den Deal wäre ich eingegangen.
Weil dies für einen Aufsteiger eine super Bilanz ist?
Ja, und trotzdem wissen wir die Situation richtig einzuschätzen.
Was bedeutet das?
Wir sind super zufrieden mit unseren Leistungen und glücklich über die Ergebnisse. Wir haben aber auch Spiele gegen Teams aus der unteren Tabellenhälfte verloren. Das Feld ist so eng beisammen, dass wir in jeder Partie aufpassen müssen.
Andererseits gab es zum Auftakt einen Punktgewinn gegen Spitzenreiter SGV Lüneburg und zuletzt einen 3:1-Heimsieg gegen den Top-Verein VfB Friedrichshafen.
Das stimmt. Nach dem Matchball gegen den VfB Friedrichshafen hat sich ein Gefühl der leichten Fassungslosigkeit eingestellt. Wir haben uns für unsere harte Arbeit im Training belohnt und zugleich für unser Umfeld und die Fans gewonnen. Das war großartig.
Auch weil die Barock Volleys in diesem Spiel gezeigt haben, was möglich ist?
Natürlich, wir haben da sportlich einen Pflock eingerammt. Und zudem ist so ein Erfolgserlebnis noch wie eine Versorgungsstation beim Marathon: Es gibt allen im Verein viel Kraft, um weiterzumachen.
Was sind die Gründe für den unerwartet guten Start?
Das ist kein Geheimnis.
Wir sind gespannt.
Wir arbeiten hart. Denn wir wissen: ohne harte Arbeit werden wir nichts erreichen.
Das kann nicht der einzige Grund sein.
Die Verantwortlichen um Sportdirektor Michael Dornheim haben ein tolles Team zusammengestellt, das selbst in schwierigen Situationen den Kopf nicht verliert. Wir vertrauen gegenseitig unseren Qualitäten, und jeder will Verantwortung übernehmen. Außerdem harmonieren wir nicht nur auf dem Feld, wir machen auch außerhalb der Halle sehr viel miteinander.
Was?
Spieleabende, Essen gehen, Volleyball schauen – ganz unterschiedliche Dinge. Und wir reden sehr viel über den Sport, der unser Leben ist.
Gibt es ein Lieblingsspiel?
Es ist ein bunter Mix, mal ein Brettspiel, mal Mario Kart. Da sind wir flexibel.
Welches Wohnzimmer ist am besten geeignet, um zusammenzusitzen?
Wir leben alle in Ludwigsburg oder der Nähe. Deshalb wechseln wir uns ab. Das schönste Wohnzimmer haben Philipp Herrmann und ich in unserer WG, das größte Jan Huber, Tim Köpfli und Nyherowo Omene. Und die Mario-Kart-Station steht bei Jeffrey Klok. Wichtig ist aber nicht, wo wir uns treffen.
Sondern?
Dass wir mehr sind als Arbeitskollegen. Und mir als Kapitän kommt dabei eine besondere Aufgabe zu.
Wie sieht die aus?
Ich muss ein tiefes Verständnis für jeden Einzelnen entwickeln. Das hilft, bei den Ansprachen den richtigen Ton zu treffen.
Welche Rolle spielt der neue Trainer Hasse Mattila für den Erfolg des Teams?
Er hat selbstverständlich einen sehr großen Anteil. Es ist seine erste Station im Ausland, und er macht mit seiner finnischen Art einen grandiosen Job, weil er nicht festgefahren ist, sondern offen für Neues. Und weil er sehr viel mit den jungen Spielern arbeitet.
Was macht die finnische Mentalität aus?
Finnen wird ja nachgesagt, eher zurückhaltend und wenig emotional zu sein. Auch unser Coach strahlt eine große Ruhe aus, er bringt nie Stress ins Spiel. Davon profitiert das Team, weil seine Art vor allem den weniger Erfahrenen hilft, den Fokus zu behalten.
An diesem Sonntag geht es im Bundesliga-Topspiel zum Tabellenzweiten nach Düren. Gibt es dort die Revanche für die 0:3-Niederlage im Pokal-Viertelfinale?
Ein paar Spieler von uns denken sicher an eine Wiedergutmachung, weil wir beim Pokal-Aus nicht unsere beste Leistung gezeigt haben. An den Voraussetzungen ändert das aber nichts: Wir brauchen Mut und müssen unser Potenzial zu 100 Prozent ausschöpfen, um eine Chance zu haben. Und andererseits ist es ein gutes Gefühl, zu wissen, dass die Gegner uns ernst nehmen – weil ihnen klar ist, dass sie eine gute Leistung brauchen, um uns zu schlagen.
Bald ist die Hälfte der Saison rum, Ihr Team liegt voll auf Play-off-Kurs. Muss die Zielsetzung geändert werden?
Nein. Unser Motto lautet: Gekommen, um zu bleiben. Daran ändert sich erst mal nichts. Für den Klassenverbleib haben wir beste Vorarbeit geleistet, jetzt gilt es, sportlich weiterhin stabil zu sein. Vielleicht ist ja nach der Vorrunde der Zeitpunkt für eine Neubewertung gekommen.
Welche Perspektive ergibt sich mittelfristig aus dem gelungenen Start?
Der Verein hat vor, ein fester Bestandteil der ersten Liga zu werden, Männer-Spitzenvolleyball in Ludwigsburg und der Region Stuttgart zu etablieren und gesellschaftlich an Relevanz zu gewinnen. Dafür ist ein derart guter Start natürlich hilfreich.
Hat sich in der Stadt schon etwas verändert?
Auf jeden Fall. Wir Volleyballer merken, dass wir auffallen und von den Leuten wahrgenommen werden. Die Fans werden mehr, kommen auf uns zu. Das zeigt uns, dass Ludwigsburg Lust auf Spitzenvolleyball hat.
Der Etat der Barock Volleys ist nicht allzu hoch, bewegt sich derzeit im mittleren sechsstelligen Bereich. Was muss sich im Umfeld tun, um mittelfristig in der Bundesliga bestehen zu können?
Ein großer Teil unseres Wachstums und Erfolgs beruht auf ehrenamtlicher Arbeit – bei uns im Verein ist siebenmal pro Woche ein Tag des Ehrenamts. Wir Spieler feiern dieses unglaubliche Engagement. Und trotzdem ist es notwendig, das Ehrenamt zu entlasten und strukturelle Investitionen ins Hauptamt zu tätigen, ohne die notwendige Nähe zum Verein zu verlieren. Daran wird bereits intensiv gearbeitet.
Die Heimspiele finden in dieser Saison in drei Hallen statt, auch das ist kein Modell für die Zukunft.
Das ist richtig, weil der ständige Wechsel zu viele Ressourcen kostet. Ich weiß, dass die Stadt Ludwigsburg den Verein bei der Suche nach einer einheitlichen Lösung ungemein unterstützt. Das wird kommen.