Ein Königreich für ein Grundstück

Der Markt für Bauland ist im Südwesten praktisch leer gefegt, entwickelt sich aber sehr unterschiedlich je nach Region

Von Thomas Faltin

Auf dem Land stagnieren die Grundstückspreise bei unter 100 Euro pro Quadratmeter, Filetstücke am Bodensee liegen dagegen bei jenseits von 4000 Euro.

Stuttgart Es ist ein Rätsel, warum Menschen sich am Wasser wohlfühlen. Fast magisch ist die Anziehungskraft – und extrem kostspielig, wenn man dort wohnen will. In Überlingen am Bodensee etwa sind die Preise völlig aus den Fugen geraten. Laut den Bodenrichtwerten der Stadt zahlte man dort Ende 2016 für einen Platz am See 2200 Euro pro Quadratmeter, doch das sei längst überholt, sagt der Überlinger Immobilienmakler Peter Reisky: „Preise ab 4000 Euro sind keine Seltenheit und wenn ein Bootssteg dabei ist, kostet der alleine eine Million Euro.“

Die Stadt hat neben dem Friedhof ein kleines Wohngebiet ausgewiesen, dessen Bauplätze günstig sein sollen, damit auch junge Familien zum Zuge kommen könnten: 800 Euro kostet dort der Quadratmeter. Das ist für Überlingen zwar billig, aber welche Familie kann sich das leisten? Meist schnappten ihnen Bauträger die Plätze weg, sagt Reisky, der seit 25 Jahren mit Immobilien am See handelt: „Diese Preissteigerungen sind kein Spaß mehr.“ Eine Anwohnerin des neuen Baugebiets sagt: „Die Mieten sind entsprechend hoch. Oft zahlt man 1500 Euro für vier Zimmer – und wenn ein Seeblick dazukommt, wird es unbezahlbar.“

Was in Überlingen zugespitzt zu beobachten ist, gilt fast für ganz Baden-Württemberg. Immobilienexperten sprechen dabei von „Trockenheit“. Ebenso wie das Jahr 2018 heiß und trocken gewesen sei, so sei der Immobilienmarkt überhitzt und ausgetrocknet. Überall werde verzweifelt nach Bauland und Wohnungen gesucht, sagt Robert Kaltenbrunner, der stellvertretende Leiter desBundesinstituts für Bauforschung: „Der Markt in den Top-Standorten und Regionalzentren ist leer gefegt.“

Dementsprechend gehen die Profis von weiter steigenden Preisen aus. Deutschlandweit steigt die Kurve für Eigenheime steil nach oben: Wenn man das Jahr 2010 als Basis nimmt, liegen die Preise jetzt um 40 Prozent höher. Die Grundstückspreise sind dagegen nicht ganz so stark gewachsen. Laut dem Statistischen Landesamt zahlte man 2017 im Schnitt 193 Euro für einen Quadratmeter baureifes Land; das ist fast gleich viel wie 2010. In Stuttgart dagegen stieg der Preis im gleichen Zeitraum um 18 Prozent, im Bodenseekreis sogar um 95 Prozent.

Die Ursachen für diesen Andrang auf Grundstücke und Immobilien: Es wurden lange viel zu wenige Wohnungen gebaut; 33 500 waren es im Jahr 2017 im Südwesten, während es bis zur Jahrtausendwende häufig mehr als das Doppelte pro Jahr waren. Auch Bauland ist knapp. Das liegt daran, dass besonders viele Menschen ihr Geld in Steine anlegen wollen, weil die Schuldzinsen historisch günstig sind und weil es kaum gewinnbringende Anlagealternativen gibt.

Die Nachfrage ist nicht überall gleich im Land. Schon 15 Kilometer vom Bodenseeufer entfernt wird es ruhiger. In Herdwangen-Schönach etwa, einer Gemeinde mit 3350 Einwohnern, kostet Bauland gerade noch 105 bis 140 Euro pro Quadratmeter. Vom Bodensee ist hier noch nichts zu sehen, aber der Druck ist da – Bauplätze hat der Bürgermeister zurzeit nicht im Angebot.

Das Karstgebirge der Schwäbischen Alb ist als besonders wasserarm bekannt, aber dort kann von einem ausgetrockneten Immobilienmarkt keine Rede sein. In Pfronstetten (Kreis Reutlingen) zum Beispiel, zehn Kilometer von Zwiefalten entfernt, stehen in fast allen der sechs Teilorte Bauplätze zur Auswahl – für 46 Euro pro Quadratmeter. Zudem sind sie mit 600 bis 1100 Quadratmetern großzügig, oft gibt es freie Sicht auf die Hochebene umsonst dazu. Trotzdem hält sich der Andrang laut dem Bürgermeister Reinhold Teufel in Grenzen. Er kann nicht ganz verstehen, warum nicht mehr Menschen herziehen wollen.

Aber es sind eben vor allem die Topstandorte und deren Speckgürtel sowie touristische Gebiete, die boomen. Denn dort sind die Arbeitsplätze, dort ist die schöne Lage. Tatsächlich lässt sich der Druck auf die Mieten längst statistisch nachweisen. Seit 2013 steigt die durchschnittliche Nettokaltmiete in Baden-Württemberg um jährlich 4,3 Prozent und liegt jetzt bei knapp elf Euro.

Bei einer Umfrage des Statistischen Landesamtes 2016 gaben 76 Prozent der Mieter an, dass die Hauskosten eine große oder zumindest eine „gewisse“ Belastung darstellten. Und nach einer Studie der Humboldt-Universität müssen in Großstädten 40 Prozent der Haushalte mehr als 30 Prozent ihres Einkommens für die Miete ausgeben. Das entspricht in Deutschland 5,6 Millionen Haushalten mit 8,6 Millionen Menschen. Bei Sozialwissenschaftlern und Immobilienexperten gilt eine Belastungsquote von mehr als 30 Prozent des Einkommens als problematisch. Das zeigt, dass sich immer mehr Menschen das Wohnen kaum noch leisten können, selbst wenn sie normal verdienen.