Ein Leben ohne Tatort und Sportschau

Familie Vogel und Familie Bösche verzichten bewusst auf den Fernseher – So bleibt mehr Zeit für andere Aktivitäten

Im Wohnzimmer von Familie Vogel aus Kirchberg gibt es ein Klavier, eine Gitarre, eine große Topfpflanze und zwei Sofas. Aber irgendetwas fehlt – genau, der Fernseher. Wie Familie Bösche aus Allmersbach im Tal haben auch Christian und Christina Vogel entschieden, dass ihre Kinder ohne Flimmerkiste aufwachsen sollen. Sie haben nicht das Gefühl, dass sie dadurch etwas verpassen.

Ein Leben ohne Tatort und Sportschau

Auch ohne Fernseher wird es bei Familie Vogel selten langweilig: Während die elfjährige Sophia Klavier spielt, liest die siebenjährige Amaris ein Buch. Der zweijährige Jaron lauscht auf dem Schoß von Papa Christian einer Geschichte. Foto: T. Sellmaier

Von Kornelius Fritz

KIRCHBERG AN DER MURR. Ja, auch Christina Vogel kennt diese Momente, in denen man sich als Mutter einen Fernseher wünscht. Wenn es draußen Bindfäden regnet und die Kinder in der Wohnung quengeln und streiten. „Da habe ich mir manchmal gedacht: Wenn wir jetzt einen Fernseher hätten, dann würde ich die Kinder davorsetzen“, gesteht die 36-Jährige. Allerdings hat sie auch festgestellt, dass Elias (13), Sophia (11), Amaris (7) und den zweijährigen Zwillingen Judith und Jaron irgendwann dann doch meistens eine Beschäftigung einfällt. „Unsere Kinder spielen sehr viel und sehr schön, weil sie es müssen“, sagt die fünffache Mutter. Wer sich nicht berieseln lassen kann, muss selbst aktiv werden.

Michael Bösche und seine Frau Gabriele können das bestätigen. Ihre beiden Söhne Jonathan und Simon sind mittlerweile 26 und 23 Jahre alt und ebenfalls ohne Fernseher aufgewachsen. „Unsere Kinder haben immer sehr viel draußen gespielt“, erzählt der Vater. Er erinnert sich noch, wie seine Frau und er früher manchmal darüber gesprochen haben, ob sie ihren Söhnen womöglich etwas Wichtiges vorenthalten, weil sie keinen Fernseher besitzen. Dann stellten sie allerdings fest, dass deren Interesse am Fernsehschauen, selbst wenn sich mal die Gelegenheit ergab, gar nicht besonders ausgeprägt war: „Wir hatten nicht den Eindruck, dass ihnen etwas fehlt.“

WM-Spiele laufen

bei der Oma

Christian Vogel ist selbst in einem Haushalt ohne Fernseher aufgewachsen. „Wenn sich meine Freunde über Serien unterhalten haben, konnte ich natürlich nicht mitreden“, erzählt er. Dafür blieb ihm mehr Zeit für andere Dinge: „Ich habe zwei Instrumente gelernt, Sport gemacht und viel Zeit mit der Familie verbracht.“ Dass dann auch die erste gemeinsame Wohnung mit seiner Frau fernsehfrei blieb, hatte zunächst aber eher praktische Gründe. „Die Wohnung war so klein, wir hätten gar nicht gewusst, wo wir da einen Fernseher hinstellen sollen“, erzählt Christina Vogel lachend. So blieb es beim Leben ohne Fernseher – auch als die Kinder kamen.

„Das war dann auch eine bewusste Entscheidung“, sagt Christian Vogel. Seine Frau und er sind zwar gegen strikte Verbote, wollten aber, dass ihre Kinder möglichst wenig Zeit vor dem Bildschirm verbringen. Immer sonntags dürfen sie auf dem Tablet-Computer eine Kindersendung anschauen. Auch in den Ferien gibt es Ausnahmen. „Es soll aber etwas Besonderes sein“, erklärt die Mutter.

Die Bösches besitzen einen DVD-Player mit Monitor, auf dem die Söhne, als sie noch kleiner waren, ab und zu einen Kinderfilm anschauen durften. Wenn sie unbedingt mal etwas im Fernsehen sehen wollten, etwa ein Spiel der Fußball-WM, dann durften sie zur Oma, die im Nachbarhaus wohnt. „Aber das haben sie nur sporadisch gemacht“, sagt der Vater.

Auch die fünf Kinder der Familie Vogel scheinen sich mit ihrem fernsehfreien Leben ganz gut arrangiert zu haben. „Mir fehlt eigentlich nichts“, sagt die elfjährige Sophia. Sie ist eine Leseratte, spielt Klavier und trifft sich oft mit ihren Freundinnen. Ihr zwei Jahre älterer Bruder Elias hätte schon ganz gerne einen Fernseher – noch lieber wären ihm allerdings eine Playstation und unbegrenzter Zugang zum Smartphone. Damit sie in ihrer Klasse nicht zu Außenseitern werden, haben die Eltern ihren beiden großen Kindern ein Handy gekauft, allerdings dürfen sie es nur 90 Minuten pro Tag benutzen. „Das sorgt momentan eher für Konflikte als der fehlende Fernseher“, erzählt die Mutter.

Und wie leben die Eltern ohne Tatort, Tagesthemen und Sportschau? Michael Bösche hat das Gefühl, dass er seine Zeit sinnvoller nutzen kann: „Ich bin einer, der gerne selbst etwas gestaltet.“ Er dreht und schneidet eigene Videos, spielt Gitarre und Trompete und engagiert sich bei der Biblischen Gemeinde in der Jugendarbeit. Fürs Fernsehschauen bliebe da wenig Zeit. Über das Weltgeschehen informieren sich die Bösches über Radio, Zeitung und Internet.

Die Vogels sind mit fünf Kindern so beschäftigt, dass ohnehin kaum Zeit zur Muße bleibt. Abends spielt die Familie oft Gesellschaftsspiele. Wenn die Kinder im Bett sind, greifen die Eltern gerne zu einem Buch oder studieren im Internet die aktuellen Nachrichten. Einen Fernseher vermissen sie nicht. „Ich wüsste gar nicht, was ich anschauen sollte“, sagt die Mutter aus Kirchberg.