Die jungen Besucher Oskar (von links), Karl und Jonathan haben sich eine Ritterburg gebaut und bewerfen Eindringlinge im Toberaum des Jahreszeitenspielplatzes mal mit mehr, mal mit weniger Nachdruck mit bunten Bällen aus dem Bällebad. Foto: Alexander Becher
Backnang. Es wuselt nur so im Jahreszeitenspielplatz in Backnang. Den Toberaum haben Oskar, Jonathan und Laurenz in Beschlag genommen und sich hinter den aus Polstern selbst gebauten Mauern einer „Burg“ verschanzt. Von dort aus wehren sie sich mit den bunten Geschossen eines Bällebads gegen Eindringlinge. Die Kinder, die es etwas ruhiger mögen, ziehen sich in die Leseecke zurück oder setzen sich an den Maltisch, in der Spielküche wird fleißig gekocht. Gespendete Spiele, Bücher und ein geschenktes Trampolin bieten den jungen Besuchern eine Vielzahl an Beschäftigungsmöglichkeiten und ausreichend Raum, um sich nach Herzenslust auszutoben.
Genau so hat sich Jennifer Baiter diesen Ort vorgestellt, als sie das Projekt „Winterspielplatz“ Ende des Jahres 2023 in der „Homezone Backnang“ ins Leben gerufen hat. Im Zuge der Nachwehen der Coronapandemie fiel einigen Familien, vor allem in kleinen Wohnungen, zu Hause die Decke auf den Kopf. Doch viele Menschen scheuten aus Vorsicht noch immer größere Menschenansammlungen. So wurden die Räume in der Albertstraße von Herbst bis Ostern immer freitags für Eltern und ihre Kinder geöffnet. „Von null bis sieben Jahre findet hier jedes Kind eine Beschäftigung“, ist Baiter überzeugt. „Für die Älteren ist der Spielplatz nicht so gut ausgestattet.“
In die Räume in der Albertstraße sind alle Familien herzlich eingeladen, betont die pädagogische Fachkraft. Die gemeinnützige GmbH Aktion Hoffnungsland, die das Projekt trägt, ist zwar eine christliche Initiative, dennoch seien alle Konfessionen und Familien aus allen Herkunftsländern willkommen. Baiter sieht das als Möglichkeit, für Menschen in ganz unterschiedlichen Lebenssituationen, miteinander ins Gespräch zu kommen und sich auszutauschen.
Zu Beginn verschickte sie Einladungen an die Kindertagesstätten der Gegend, um die Eltern auf das Angebot aufmerksam zu machen. So sprach sich der offene Treff recht schnell herum. Inzwischen informiert sie die Besucher auch mithilfe eines Newsletters zu den Treffen. Vor allem im Winter bietet der Ort eine willkommene Abwechslung für viele Familien. Jeweils von 14.30 bis 16.30 Uhr gilt das Konzept eines Open House, das heißt: Jeder kann kommen und gehen, wann er oder sie will. Eine gewisse Struktur haben die Treffen dennoch. Die freie Spielzeit der Kinder wird von einer gemeinsamen Snackpause unterbrochen. Dafür spendiert das Café Weller Kuchen – Obst ist ebenfalls im Angebot, falls eine gesündere Alternative bevorzugt wird.
Nach einer weiteren Spielzeit räumen die Kinder zusammen auf und nach einem gemeinsamen Abschluss schließt der Jahreszeitenspielplatz wieder seine Tore. Weil das Angebot so gut ankam, ist der Winterspielplatz inzwischen auch im Sommer geöffnet – allerdings nur monatlich; aktuell während der Sommerferien findet er nicht statt. Im Herbst wird es wieder losgehen.
Zwei Ehrenamtliche unterstützen das Projekt inzwischen
Nachdem Baiter den Spielplatz im ersten Jahr alleine beworben und organisiert hat, unterstützen sie seitdem zwei Ehrenamtliche bei der Arbeit: Alena Staiger und Saskia Jäger. Dank der Mundpropaganda ist der Spielplatz inzwischen bei jeder Öffnung mit etwa 20 Personen ganz gut besucht – obwohl sich niemand dafür anmelden muss. Ab 35 Personen beginnt es, in der Wohnung zu eng zu werden. Dennoch sei immer Platz für alle, die gerne kommen möchten. „Das Ziel war, ein niederschwelliges und kostenloses Angebot zu schaffen, das auch Familien mit weniger Einkommen einen Raum bietet“, erklärt Jennifer Baiter. Ein kurzer Ausflug aus dem eigenen Zuhause, der aber nichts kostet, das war den Organisatoren wichtig. Das Projekt wird von Spenden und Fördergeldern finanziert. „Viele Eltern wollen ein bisschen was dazugeben, wenn sie hier sind. Aber finanziell soll der Spielplatz nicht von den Besuchern getragen werden“, findet Jennifer Baiter. Auch viele Alleinerziehende besuchen die Räume und hätten hier die Möglichkeit, einen Moment der Ruhe zu finden, während ihre Kinder mit anderen spielen können.
Die Kinder lernen dabei, zu teilen und Rücksichtnahme und Toleranz gegenüber anderen Kindern zu zeigen. „Und sie lernen, wie schön und wichtig Vielfalt ist“, so Baiter. Neu zugezogene Eltern, die noch nicht so viele Freunde in der Gegend haben, könnten untereinander Kontakte knüpfen und sich einen Bekanntenkreis aufbauen.
Ibolya Czirjek war schon öfters in diesen Räumen zu Besuch, zusammen mit ihrem dreijährigen Sohn Oliver. Ihre fünfjährige Nichte Alisz hat sie an diesem Tag ebenfalls mitgebracht. Sie liest den Kindern aus einem Buch vor. „Mein Sohn kommt bald in die Kita und hier hört er schon gleich die Sprache“, sagt Czirjek, die aus Ungarn stammt und seit zwei Jahren mit ihrer Familie in Deutschland lebt. Von München ist die Familie nun nach Korb gezogen. Einrichtungen wie diese bieten ihr die Möglichkeit, ungezwungen Kontakte zu anderen Eltern aufbauen zu können.
Auch ein Punkt, der für Jennifer Baiter den Sinn und Zweck der Spielenachmittage ausmacht: „Wir haben viele Familien, die aus der Ukraine oder aus afrikanischen Ländern kommen. Für sie ist das eine tolle Möglichkeit, hier schneller anzukommen.“
„Hier soll es einen Platz für alle Familien geben, niederschwellig und kostenlos.“
Jennifer Baiter, pädagogische Fachkraft