Donald Trump hat hoch gepokert - und steht mit leeren Händen da. Kreml-Chef Putin hingegen nutzt den roten Teppich virtuos für eine Rückkehr aus der weltpolitischen Isolation.
Russlands Präsident Putin und US-Präsident Donald Trump bei ihrem Treffen in Anchorage.
Von Karl Doemens
Dass etwas nicht nach Plan läuft, zeichnet sich spätestens gegen 14 Uhr Ortszeit ab. Da werden die amerikanischen und russischen Journalisten auf der Joint Base Elmendorf-Richardson in Alaska zwei Stunden früher als erwartet plötzlich in den Raum für die Pressekonferenz geführt. Dabei sind US-Präsident Donald Trump und Kremlchef Wladimir Putin noch gar nicht mit ihren erweiterten Delegationen zum Lunch zusammengekommen, um über Wirtschaftsfragen zu reden.
Die amerikanischen Fernsehsender schalten eilig zu ihren Korrespondenten im Saal: Was ist passiert? Wird es überhaupt einen gemeinsamen Auftritt der beiden Regierungschefs geben? Die Frage ist beantwortet, als zwei Pulte vor der blauen Wand aufgebaut werden, auf der groß „Pursuing Peace“ (Nach Frieden streben) steht. Aber haben die beiden mächtigen Politiker einen Durchbruch erzielt? Oder bleibt der Ukraine-Gipfel, dem Trump regelrecht entgegengefiebert hat, während er den europäischen Verbündeten schlaflose Nächte bereitete, ohne greifbares Ergebnis?
Putin umschmeichelt den „lieben Freund Donald“
Es dauert noch eine halbe Stunde, bis sich diese Frage beantworten lässt. Dann spricht ungewöhnlicherweise zunächst Putin. Er umschmeichelt seinen „lieben Freund“ Donald, redet viel über die russisch-amerikanische Freundschaft, greift weit in die Geschichte zurück und leitet aus ihr seine bekannte Erklärung der „Situation in der Ukraine“ ab. Nur über mögliche Zugeständnisse seines Landes, das den Krieg vor drei Jahren begonnen hat, oder einen möglichen Waffenstillstand sagt er kein Wort.
Dann ist Trump an der Reihe, und man fragt sich unwillkürlich, ob das wirklich jener Mann ist, der normalerweise die Welt mit seinen von Selbstbewusstsein strotzenden Auftritten samt verbaler Endlos-Tiraden in Atem hält. Der Präsident wirkt müde und emotionslos. Keine Superlative, keine historischen Erfolge, kein Friedensnobelpreis. Stattdessen, für seine Verhältnisse unglaublich schmallippig: „Wir sind noch nicht ganz am Ziel. Aber wir haben Fortschritte gemacht. Es gibt keinen Deal, bis der Deal abgeschlossen ist.“ Gerade einmal drei Minuten dauert sein Vortrag. Fragen sind nicht erlaubt. „Thank you, press!“, werden die Journalisten aus dem Raum gedrängt. Das dürfte der kürzeste Trump-Auftritt der Geschichte gewesen sein.
Trump wiederum hofiert den russischen Präsidenten
Dabei hat der Tag ganz anders begonnen. Am frühen Morgen ist Trump von Washington nach Alaska geflogen - jenem Bundesstaat, den die USA im Jahr 1867 für schlappe sieben Millionen Dollar von Russland abgekauft hat: Die ideale Bühne also für den selbsternannten „Dealmaker“, der unbedingt den Friedensnobelpreis bekommen und lukrative Geschäfte mit seinem Freund Wladimir machen möchte. „Ich will eine Waffenruhe“, sagt der Präsident den mitreisenden Journalisten an Bord der Air Force One. Siegessicher setzt er hinzu: „Ich wäre nicht glücklich, wenn es heute nicht klappt.“
Am Boden tut Trump dann alles, um seinen Gast zu hofieren. Der Kontrast zu dem feindseligen Empfang, den er im Februar dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Weißen Haus bereitete, könnte nicht größer sein: Auf der Luftwaffenbasis hat Trump für den geächteten Kriegsverbrecher aus Moskau einen roten Teppich ausrollen lassen. Während sich Putin ihm nähert, applaudiert Trump freudig. Dann folgt ein Händedruck samt Oberarmklopfer wie unter alten Buddys. Zu Ehren des Gastes brausen US-Militärjets durch die Luft.
Eine kleine Programmänderung allerdings hat es gegeben. Eigentlich sollte die Begegnung zunächst unter vier Augen stattfinden. Das hatte in europäischen Hauptstädten und in Kiew massive Befürchtungen ausgelöst, dass der an Details uninteressierte Trump von dem gewieften Ex-KGB-Mann Putin über den Tisch gezogen werden könnte. Kurz vor dessen Landung heißt es nun, dass an der Begegnung auch der Sondergesandte Steve Witkoff und der in seinem früheren Leben russlandkritische Außenminister Marco Rubio teilnehmen würden.
Erleichterung der Ukraine-Partner hält nicht lange an
Die Erleichterung der Ukraine-Partner hält nicht lange: Kurzerhand bittet Trump auf dem Rollfeld seinen Gast nämlich zu sich in die Präsidentenlimousine. Putin spricht genügend Englisch für eine Konversation. So können sich die beiden Machthaber auf der Fahrt zum Tagungsort rund eine Viertelstunde ohne Dolmetscher und Zeugen austauschen. Er kenne Putin sehr gut und wisse nach fünf Minuten, wie die weiteren Verhandlungen laufen würden, hat sich Trump in der vergangenen Woche gebrüstet. Vielleicht ahnt er in dem schwer gepanzerten „Biest“ also schon, dass es ein Problem geben wird. Die Öffentlichkeit aber kann bis auf weiteres nur rätseln.
Jedenfalls steht Trump vier Stunden später mit ziemlich leeren Händen da: Kein Waffenstillstand, kein Deal - aber auch keine Sanktionen, mit denen der US-Präsident Russland noch vor wenigen Tagen für den Fall gedroht hat, dass Putin nicht bereit sei, den Krieg zu beenden. Nur vage Beschwörungsformeln. Putin hingegen kann zufrieden nach Moskau zurückfliegen: Alleine der selbstbewusste Auftritt auf der Weltbühne ist für ihn ein Riesenerfolg.
Am Ende wirkt es gar, als habe der Kremlchef komplett die Regie in Trumps Theater übernommen. Die Gespräche würden fortgeführt, verkünden beide Politiker ohne konkreten Termin. „Das nächste Mal in Moskau“, ruft Putin dem Amerikaner auf Englisch zu. Darauf ist Trump offensichtlich nicht vorbereitet: „Oh, das ist interessant“, versucht er zunächst auszuweichen: „Ich würde deswegen ein bisschen Ärger bekommen.“ Dann aber sagt er: „Es könnte möglicherweise passieren.“