Neue Chefin der DB?

Ein schwieriger Job zum Geburtstag

Mit der Südtirolerin Evelyn Palla soll künftig erstmals eine Frau an der Spitze des krisengeschüttelten Staatskonzerns stehen.

Ein schwieriger Job zum Geburtstag

Evelyn Palla hat einen Führerschin für Triebfahrzeuge.

Von Thomas Wüpper

Am 24. September feiert Evelyn Palla ihren 52. Geburtstag. Punktgenau kommt ein ganz besonderes Geschenk von der Bundesregierung: Die Südtirolerin soll neue Vorstandschefin der Deutschen Bahn AG werden. An diesem Montag will der federführende Verkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) die längst überfällige Eigentümerstrategie für den krisengeschüttelten Staatskonzern vorstellen – und voraussichtlich auch die neue DB-Spitze.

Als einziges Vorstandsmitglied besitzt sie einen Triebfahrzeugführerschein

Bei der langen Suche für die Nachfolge des bisherigen Vorstandschefs Richard Lutz fiel der Name der vielseitigen Topmanagerin früh, die in Bozen geboren und aufgewachsen ist. Kein Wunder: Evelyn Palla, die seit drei Jahren den DB-Regionalverkehr leitet, kann eine beeindruckende Biografie vorweisen. Die Managerin kennt die Bahnbranche und den Konzern aus mehreren Perspektiven in Führungspositionen, hat internationale Erfahrung und umfassende Kenntnisse. Auch in der Praxis: Als einziges Vorstandsmitglied besitzt die Mutter von drei Kindern seit vorigem Jahr einen Triebfahrzeug- sowie einen Busführerschein – sie kann also nicht nur Unternehmen steuern, sondern auch Züge und Omnibusse.

Noch ist die Berufung nicht offiziell bestätigt. Denn letztlich entscheidet der 20-köpfige Aufsichtsrat, der am Dienstag und Mittwoch tagt. Beim Staatskonzern haben die Arbeitnehmervertreter ein gewichtiges Wort mitzureden, allen voran die SPD-nahe EVG, die andere Wunschkandidaten hatte, darunter Christian Kern, vormals Chef der Österreichischen Bundesbahnen und Bundeskanzler im Nachbarland. In den letzten Tagen haben sich beide Seiten nach längerem Hin und Her offenbar doch noch auf einen Kompromiss verständigt, der keine schlechte Wahl ist.

Wie man in Konzernen agiert muss der Managerin niemand erklären

Palla hat schon in ihren acht Jahren bei der ÖBB in Wien gezeigt, was sie kann. Ab 2011 übernahm die gelernte Betriebswirtin in der Zentrale das Controlling im Personenverkehr und leitete bald auch noch den Einkauf neuer Schienenfahrzeuge. Ende 2015 rückte Palla in den Vorstand der ÖBB-Personenverkehr AG auf, zuständig für Nah- und Regionalverkehr, Finanzen, Einkauf und Recht, zudem wurde sie Aufsichtsratschefin bei der ÖBB-Postbus AG.

Bei der Neuausrichtung des schlingernden DB-Konzerns, der auch im Fernverkehr, beim Flottenausbau und den Werken sparen will, können solche vielseitigen Erfahrungen wertvoll sein. Wie man in großen Konzernen agiert und sich durchsetzt, muss der Managerin niemand mehr erklären. Vor ihrem Aufstieg bei der ÖBB war Palla acht Jahre lang für Eon tätig, zunächst in München im Controlling und beim Aufbau der Tochter „E wie einfach“, dann bei Eon Italia in Mailand.

Vor gut drei Jahren rückte Palla in den Holdingvorstand auf

Wie der scheidende DB-Chef Lutz ist die Managerin eine Finanz- und Bilanzexpertin. Beim Studium an der Wirtschaftsuniversität Wien konzentrierte sich Palla auf Controlling, Rechnungslegung und Unternehmensführung. Danach startete sie ihre Karriere bei Siemens UK in Newcastle upon Tyne als Controllerin, später wechselte sie zum Chipproduzenten Infineon nach München. Es folgte ein kurzer Abstecher zur Österreichischen Handelskammer nach Tokio.

Bei der Deutschen Bahn AG stand die Managerin bisher nicht im Rampenlicht, auch ihr Wechsel 2019 auf den Vorstandsposten Finanzen der DB Fernverkehr AG sorgte kaum für größere Schlagzeilen. Das änderte sich vor gut drei Jahren, als Palla in den Holdingvorstand aufrückte und zur Chefin der DB Regio AG berufen wurde. Kein einfacher Start für die Managerin, denn auch der regionale Zug-, S-Bahn- und Busverkehr des Staatskonzerns war in die roten Zahlen gerutscht und hatte lukrative Aufträge an Wettbewerber verloren.

Die 51-Jährige gilt als pragmatisch, team- und zielorientiert

Anders als DB-Cargo-Chefin Sigrid Nikutta, die vormals als größte Favoritin für den Weg an die Konzernspitze galt, schaffte die Managerin die Trendwende und brachte ihre Sparte zurück in die Renditezone. Im ersten Halbjahr standen unterm Strich rund 100 Millionen Euro operative Gewinne, einer der wenigen Lichtblicke in den ansonsten desaströsen Bilanzen des größten Bundesunternehmens. Wobei der Konzern im hochsubventionierten Regionalverkehr auch davon profitiert, dass viele Konkurrenten schwächeln und es bei Ausschreibungen neuer Verkehrsverträge oft nur noch wenige Bieter gibt.

Im Konzern gilt die 51-jährige Managerin als pragmatisch, team- und zielorientiert. Anders als Externe ist Palla mit den komplexen Strukturen des Staatskonzerns und der politischen Einflussnahme vertraut, schon aus ihren ÖBB-Zeiten. Die Regio-Sparte führt sie mit ruhiger Hand, mit Diplomatie und Überzeugungskraft. Angesichts der gewaltigen Probleme des Konzerns und im deutschen Schienenverkehr sind das wichtige Eigenschaften, die eine Managerin braucht, um an der DB-Spitze erfolgreich zu sein – zumal die Regierung den Bahnriesen künftig an die kurze Leine nehmen will.