Mit Blick auf drohende Handelskriege und internationale Verwerfungen weltweit rückt ein Akteur in den Fokus, der sonst eher im Schatten agiert: Deutschlands Auslandsschulen. Ihre diplomatische Kraft ist größer, als viele glauben.
Nach eigenen Worten ein Zentrum für die Deutsch-Australische Gemeinschaft: Lehrer und Schüler an der Deutschen Schule in Melbourne
Von Barbara Barkhausen
Während sich die Welt in geopolitischen Spannungen und Unsicherheiten verliert, entfaltet Deutschlands stille Diplomatie Wirkung an einem unerwarteten Ort: im Klassenzimmer. Mehr als 85 000 Kinder und Jugendliche lernen derzeit an Deutschen Auslandsschulen – viele von ihnen haben keinen familiären Bezug zur Bundesrepublik. Doch was sie dort erleben, prägt ihr Bild von Deutschland über Jahre hinweg. Es ist diese kaum beachtete Softpower, auf die der Weltverband Deutscher Auslandsschulen (WDA) jetzt die Aufmerksamkeit der Politik lenken will.
„Im Grunde genommen ist jede Schülerin und jeder Schüler auch ein kleiner Diplomat“, sagt Heilke Daun, Vorsitzende des WDA. „Sie erleben Deutschland, ganz ohne Visum oder Pass und tragen dieses Bild in ihre Familien, ihre Freundeskreise und später in ihr Berufsleben.“ Das sei in einer Zeit multipler globaler Krisen ein oft unterschätzter, aber hoch wirksamer Beitrag zur Stabilisierung internationaler Beziehungen.
Schüler mit unterschiedlichem Hintergrund
Ein Beispiel für diese Wirkung liefert die Deutsche Schule Melbourne. „Als wir 2008 mit einer Vorschul- und zwei Grundschulklassen gestartet sind, war klar: Wir wollen keine isolierte deutsche Insel in Australien sein“, sagt Boris Bielert, Vorstandsvorsitzender der Schule. „Unser Ziel war es und bleibt es, ein Zentrum für die Deutsch-Australische Gemeinschaft in Melbourne zu sein und deutsche Sprache und Kultur zu fördern.“ Gleichzeitig habe man offen für alle Familien sein wollen, unabhängig davon, ob sie Deutsch sprechen oder nicht. Das Konzept ist aufgegangen: Heute besuchen Kinder aus unterschiedlichsten kulturellen Hintergründen die Schule.
Jessica Dehne, eine ehemalige Absolventin (Alumna) der Schule, beschreibt die Wirkung dieser besonderen Lernumgebung: „Wir alle führen mittlerweile ganz unterschiedliche Leben, aber durch unsere gemeinsame Zeit an der DSM sind wir auf besondere Art und Weise verbunden.“ Ihre ehemalige Klasse ist heute ein kleines internationales Netzwerk – mit Studienorten in Berlin, Paris, Melbourne und München. „Was uns verbindet, ist die deutsche Sprache und ein gemeinsames Werteverständnis.“
Auslandsschulen schlagen Alarm
Auch Kristel Enkerlin, die die deutsche Schule im mexikanischen Guadalajara besucht hat, hält eine multikulturelle Bildung für wichtig und glaubt, dass sie durch ihre Ausbildung zur „Weltbürgerin“ geworden ist. „Durch meine Schulzeit an einer solchen Schule habe ich mich zu einer Person entwickelt, die anderen zuhört und unterschiedliche Meinungen akzeptiert, aber auch ihre Umgebung und ihre Erfahrungen hinterfragt.“
Trotz dieser Erfolgsgeschichten schlagen die Auslandsschulen Alarm. Viele Einrichtungen seien in ihrer Existenz bedroht, heißt es im neuen Positionspapier des WDA, das als Grundlage für die Interessenvertretung in der 21. Legislaturperiode des Bundestags dient. Die staatliche Förderung sei zu niedrig, die strukturellen Hürden hoch. „Im Schnitt macht die Förderung nur circa 30 Prozent eines Schulbudgets aus“, sagt Daun. Darin seien die Gehälter der aus Deutschland an die Schulen vermittelten Lehrkräfte enthalten, die weiter an das deutsche Inlandsniveau gekoppelt seien und damit kontinuierlich steigen würden. „Zumindest in diesem Maße müsste auch der Schulfonds steigen“, sagt die WDA-Vorsitzende.
Alumni bilden internationales Netzwerk
Besonders kleinere Schulen, die nicht unter das Auslandsschulgesetz fallen, sind laut Daun auf freiwillige Zuschüsse angewiesen – viele davon wurden zuletzt gekürzt oder gestrichen. Die Folge: Finanzielle Engpässe, Planungsunsicherheit und eine drohende soziale Schieflage. „Wir können Schulgebühren nicht einfach um 20 Prozent erhöhen, das würde viele Familien ausschließen“, warnt Daun. „Gerade die Durchmischung der Schülerschaft ist aber entscheidend für unsere interkulturelle Wirkung.“
Hinzu komme ein oft übersehener wirtschaftlicher Aspekt: Viele Absolventinnen und Absolventen entscheiden sich später für ein Studium oder eine Ausbildung in Deutschland und bringen dabei nicht nur sehr gute Sprachkenntnisse, sondern auch kulturelles Verständnis mit. In Zeiten des Fachkräftemangels ein Potenzial, das die Politik stärker nutzen sollte.
„Die Auslandsschulen haben ein Alleinstellungsmerkmal in der deutschen Bildungs- und Außenpolitik“, betont Daun. „Sie sind stabilisierende Orte in instabilen Regionen und oft Türöffner für junge Talente, die sich später bewusst für Deutschland entscheiden.“ Ein wichtiges Potenzial sieht der Verband in dem internationalen Alumni-Netzwerk. „Viele unserer ehemaligen Schülerinnen und Schüler sind heute in Schlüsselpositionen – in Wirtschaft, Wissenschaft und Politik“, sagt Daun. Sie seien Teil von „Team Deutschland“.
Von Ägypten bis Vietnam
Länder Die Bundesrepublik fördert und betreut von Ägypten (Kairo, Alexandria und Hurghada) bis Vietnam (Ho-Chi-Minh-Stadt) weltweit 136 deutsche Auslandsschulen. Sie werden in der Regel durch gemeinnützige Schulvereine getragen und verleihen deutsche sowie internationale Schulabschlüsse.
Zugänge An den meisten Schulen wird sowohl auf Deutsch wie auch in der Landessprache unterrichtet. Das Schulangebot richtet sich an alle Nationalitäten.