Ein Traditionsberuf im Wandel der Zeit

Schäfer ist ein Beruf, der weiterhin Vielfältigkeit bietet. In Allmersbach im Tal trägt bereits die vierte Schäfergeneration die Verantwortung im Betrieb der Familie Allmendinger. Theodor Allmendinger ist einst der Liebe wegen von der Alb nach Heutensbach gezogen.

Ein Traditionsberuf im Wandel der Zeit

Die frisch geborenen Lämmchen bleiben die ersten Tage im Stall. Fotos/Repros: Alexander Becher

Von Simone Schneider-Seebeck

Allmersbach im Tal. Misstrauisch blickt die Schafmama den Besuchern entgegen. Nähert man sich ihrer Box zu sehr, stampft sie auf. Doch es besteht kein Grund zur Sorge – man möchte nur das niedliche kleine Lämmchen betrachten. Zwei Tage ist es alt und steht schon sehr sicher auf seinen vier Beinen. Den Kopf hat es abenteuerlustig in die Höhe gereckt. Am liebsten würde man es knuddeln, die Wolle sieht so kuschelig aus. Aber bei der vorsichtigen Mama lässt man es dann doch lieber bleiben.

Zahlreiche weitere Schafmütter sind mit ihren Kleinen, manche mit einem, manche mit zwei Lämmchen, hier im Stall. Nur ein paar Tage, damit Mutter und Kind ein bisschen Zeit für sich haben und sich auch kennenlernen können, dann geht es wieder hinaus auf die Weide.

Auch wenn die niedlichen Lämmer kein ungewohnter Anblick für die Allmendingers sind, bringen die Tiere sie doch immer wieder zum Lächeln. Bernd Allmendinger kann auf eine lange Reihe von Schäfern als Vorfahren zurückblicken. Sein Großvater Theodor war vor Jahrzehnten der Liebe wegen nach Heutensbach gekommen und hatte dort gebaut. Die Familientradition des Schäfers hat er von seiner alten Heimat Gammelshausen hierhergebracht.

Im Winter sei man früher mit den Schafen immer von der Alb herunter in mildere Gefilde gezogen, weiß Bernd Allmendinger, und „da hat er halt meine Oma getroffen“. Er lacht und sagt: „Wie’s halt so ist.“

Bis in die 1950er-Jahre hat man nur von der Wolle gelebt

Seit den Zeiten seines Großvaters hat sich viel geändert beim Beruf des Schäfers. „Mein Opa hat nur von der Wolle gelebt“, sagt Allmendinger. Bis in die 1950er-Jahre hatte man so ein recht gutes Auskommen. Doch durch das steigende Angebot an Baumwolle setzte dann ein Preisverfall heimischer Wolle ein. „Aktuell wird es aber wieder besser“, berichtet er. Die Wolle seiner Merino-Landschafe kommt, nachdem sie gewaschen ist, nach Norddeutschland. Zwei schwäbische Unternehmer haben dort die Firma Eigengut gegründet, die fast ausschließlich aus baden-württembergischer Wolle hochwertige Filzprodukte herstellt.

Das Schäferleben hat sich in den vergangenen Jahrzehnten sehr gewandelt. Der Großvater war seinerzeit noch weite Strecken mit seinen Tieren umhergezogen und lebte dann im Schäferwagen. Mittlerweile sind die Schafe vor allem in der Backnanger Bucht. Sie sind die ganze Zeit draußen auf den Wiesen, übrigens ein optimaler Beitrag zur Landschaftspflege der Streuobstwiesen, die mittlerweile zu einer wichtigen Einkommensquelle geworden sind. Nicht nur dass das Gras abgefressen wird, vor allem an Steilhängen, wo keine Maschinen fahren können. Mit ihrem dichten Vlies, in dem so einiges hängen bleiben kann, dienen die Tiere auch als Samentaxis.

Der Schäfer darf mittlerweile aber abends nach Hause kommen. Morgens geht es dann mit den Hunden wieder zu den Tieren. „Wenn man einen Schäfer mit Hund sieht, ist es höchstwahrscheinlich ein Allmendinger“, so der Schäfer. Denn es gibt nicht mehr viele Wanderschäfer, der Ertrag ist für den Aufwand eigentlich zu gering. Die Hunde bildet die Familie selbst aus, denn „jeder Schäfer hat andere Ansprüche an seine Hunde“.

Für Bernd Allmendinger stand schon immer fest, dass er den elterlichen Betrieb übernehmen und die Familientradition weiterführen würde. So freut es ihn auch, dass Sohn Michael in seine Fußstapfen tritt.

Die Haupteinnahmequelle ist mittlerweile das Fleisch

Etwa 800 Mutterschafe haben die Allmendingers. Die Haupteinnahmequelle ist mittlerweile jedoch das Fleisch der Tiere, nicht mehr die Wolle. Die kommt günstiger und in etwas feinerer Qualität aus Australien. Doch rückt auch in diesem Bereich der Nachhaltigkeitsgedanke wieder mehr in den Fokus. „Schafwolle dämmt sehr gut und nimmt Feuchtigkeit auf“, zählt Bernd Allmendinger die Vorteile des Produkts auf. Aus den Wollresten wird sogar Dünger hergestellt, den man als Pellets im Allmendinger’schen Laden kaufen kann. Diesen Laden führt vor allem seine Frau Martina. Neben den Pellets gibt es auch Filzprodukte, Wollsocken, gefütterte Hausschuhe, Schaffelle (sehr hilfreich gegen Rückenprobleme), Wolle und Seife aus Schafsmilch. Seit 1999 hat sich der Laden sehr gut etabliert.

„Das Schöne an der Landwirtschaft ist, dass die ganze Familie zusammenarbeitet“, sagt Bernd Allmendinger. Bereits die Kinder werden früh mit einbezogen, lernen so Verantwortungsbewusstsein. Bernd Allmendingers Vater Erich hatte damals als kleiner Junge von zehn Jahren mit dem Schafehüten begonnen. Und ist immer noch unterwegs. Die letzte weitere Wanderung ist jedoch etwa 20 Jahre her, bis nach Rottenburg am Neckar ging es. Allerdings schon nicht mehr im Schäferwagen. Der moderne Wohnwagen bietet doch etwas mehr Komfort. Die Allmendingers lieben das Leben von und mit ihren Tieren, doch einfach ist es nicht. Vor dem Wolf etwa hat man Respekt, auch wenn noch keines ihrer Schafe gerissen wurde. Bernd Allmendinger erklärt: „Der Aufwand, die Weiden wolfssicher zu machen, ist fast nicht leistbar.“ Ein weiteres Problem ist die Zersiedelung der Landschaft. „Man muss schauen, dass man überhaupt Grünflächen findet, über die man ziehen kann“, gibt Allmendinger zu bedenken. Die Arbeitstage sind lang, für gewöhnlich startet man gegen halb sieben und arbeitet bis zum Einbruch der Dunkelheit. Und so sagt er schmunzelnd: „Der Schäfer liebt den Winter, da wird es früher dunkel.“

Ein Traditionsberuf im Wandel der Zeit

Erich Allmendinger hat schon als kleiner Junge mit zehn Jahren mit dem Schafehüten begonnen und ist heute noch unterwegs. Das rechte Foto zeigt Bernd, Theodor und Erich Allmendinger bei einer Jubiläumsfeier vor ihrem Schäferwagen. Drei Generationen, ein Beruf.

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