Ein Visionär mit Weitblick

Der Unternehmer Harro Höfliger ist im Alter von 82 Jahren gestorben – Maschinenbauer hat 1975 in einer Garage angefangen

Noch bis vor wenigen Monaten war er fast täglich in seiner Firma präsent, erst Anfang des Jahres zog sich Harro Höfliger aus gesundheitlichen Gründen zurück und übergab den Vorsitz des Aufsichtsrates an seinen Sohn Markus. Nun ist der Gründer des Allmersbacher Maschinenbauunternehmens im Alter von 82 Jahren gestorben.

Ein Visionär mit Weitblick

Noch mit 80 Jahren kam Harro Höfliger fast jeden Tag in seine Firma. Trotzdem hat er seine Nachfolge frühzeitig geregelt.Foto: A. Becher

Von Kornelius Fritz

ALLMERSBACH IM TAL. „Es ist, als ob man mit einem Stein in der Hand in einem See steht. In dem Moment, wo der Stein die Hand verlässt und ins Wasser fällt, treibt er seine Kreise.“ So hat Harro Höfliger einmal die Entwicklung seines Unternehmens beschrieben. Der Vergleich ist Ausdruck schwäbischer Bescheidenheit, denn dass Harro Höfliger heute mehr als 1300 Mitarbeiter und einen Jahresumsatz von 260 Millionen Euro hat, ist natürlich kein Zufall, sondern das Ergebnis harter Arbeit und kluger unternehmerischer Entscheidungen.

Höfliger war keiner, dem der Erfolg in die Wiege gelegt wurde. Alles, was er erreicht hat, hat er sich selbst erarbeitet. Die Eltern starben früh, und so musste der gebürtige Stuttgarter schon in jungen Jahren seinen Mann stehen. Als 14-Jähriger begann er eine Maschinenschlosser-Lehre bei der Firma Höfliger und Karg. Unter der Obhut seines gestrengen Onkels hatte der junge Harro dort keinen leichten Stand. Aber vielleicht haben ihn genau diese Erfahrungen zum erfolgreichen Unternehmer gemacht: „Ich habe mir damals geschworen, dass ich später ein anderes Leben haben will, dass ich mich einbringen und selbst entscheiden will“, verriet Höfliger im BKZ-Interview zu seinem 80. Geburtstag.

Den Erfolg in der Nische gefunden

Selbstständig gemacht hat sich Harro Höfliger aber erst mit 38 Jahren. In einer Garage in Untertürkheim begann er 1975, gebrauchte Verpackungsmaschinen von Höfliger und Karg zu überholen und damit zu handeln. Drei Jahre später verlegte er seine Firma nach Backnang – der Liebe wegen. Seine erste Frau Marianne, die aus einer Backnanger Handwerkerfamilie stammte, stärkte ihm nicht nur privat den Rücken, sondern übernahm auch die kaufmännische Leitung in der Firma.

In den alten Lederwerken entwickelte Höfliger zusammen mit dem Konstrukteur Manfred Reiser die ersten eigenen Maschinen. Gerne erzählte Harro Höfliger die Geschichte, wie er für einen Kunden aus England eine Maschine baute, mit der man Dekorationssiegel auf Whiskeyflaschen aufbringen konnte. Als der Kunde zur Abnahme in den schäbigen Backsteinbau kam, sei er entsetzt gewesen und habe zu dem Freund, der den Auftrag vermittelt hatte, gesagt: „Wenn ich gewusst hätte, in was für ein Rattenloch Du mich hier führst, hättest Du den Auftrag nie bekommen.“

Mit dem Umzug nach Allmersbach im Tal hatte sich dieses Problem zum Glück erledigt, und die Erfolgsgeschichte nahm ihren Lauf. Anfangs baute Harro Höfliger vor allem Verpackungsmaschinen für die Lebensmittelindustrie. Das Geschäft lief gut bis Anfang der 90er-Jahre. Dann wurde es schwieriger und Höfliger erkannte, dass man sich mit den bisher gebauten Maschinen am Markt auf Dauer schwertun würde: „Ein Brathähnchen in der Folie ist ein Brathähnchen in der Folie. Da gibt es nicht viel Innovation.“ Ganz anders in der Pharma- und Medizintechnikbranche. Dort werden ständig neue Medikamente und Produkte entwickelt, die sich nicht mit Standardmaschinen verpacken lassen. Höfliger hatte seine Nische gefunden, in der das Unternehmen bis heute sehr erfolgreich ist.

Keine Lust auf Urlaub und Ruhestand

In der Firma, die seinen Namen trägt, war Harro Höfliger zwar der Patriarch, aber er war kein Einzelkämpfer: „Mein Vater hatte die Gabe, die richtigen Menschen um sich zu scharen und für seine Ideen zu begeistern“, sagt sein Sohn Markus, der viele Jahre in der Geschäftsführung mit dem Vater zusammengearbeitet hat. Zuhören, vorleben, überzeugen – diese drei Verben beschreiben Höfligers Führungsstil. „Er war ein berechenbarer und geradliniger Unternehmensleiter“, sagt sein Sohn. Neben Fachkenntnis zählten für den Firmenchef auch Werte wie Respekt, Offenheit und Loyalität. Als die Firma bereits mehrere hundert Mitarbeiter hatte, kannte er noch jeden einzelnen mit Namen. Dass das bei mehr als tausend Beschäftigten zuletzt nicht mehr möglich war, hat er bedauert.

Harro Höfliger war ein Schaffer im besten Sinne: „37 Wochenstunden hatte er oft schon bis Mittwoch gearbeitet“, erinnert sich Markus Höfliger. Urlaub habe sein Vater einmal als „unliebsame Unterbrechung der gewohnten Tätigkeit“ bezeichnet. Auch auf Ruhestand hatte der Firmengründer wenig Lust: In der Firma des Onkels habe er erlebt, wie Kollegen, die mit 55 Jahren in den Vorruhestand geschickt wurden, zwei Jahre später „total vertrottelt waren“, erzählte Höfliger einmal. Deshalb ging er lieber weiter zur Arbeit. Auch nachdem er sich aus dem operativen Geschäft zurückgezogen hatte, war er noch fast täglich in seinem Unternehmen präsent.

Trotzdem konnte er auch loslassen und hat im Gegensatz zu anderen Familienunternehmern bereits frühzeitig seine Nachfolge geregelt. Schon vor knapp
20 Jahren berief er seinen Sohn Markus sowie die langjährigen Führungskräfte Thomas Weller und Peter Claußnitzer in die Geschäftsführung und beteiligte sie auch am Unternehmen. 2013 gründete er eine Familienstiftung, in die er seine Anteile einbrachte: „Ich will auf keinen Fall, dass die Firma nach meinem Ableben in fremde Hände kommt“, sagte Höfliger vor zwei Jahren im Interview. Ein Wunsch, den ihm seine Nachfolger gerne erfüllen wollen.

Info
Ehrenämter und Auszeichnungen

Neben seinem beruflichen Engagement war Harro Höfliger auch in verschiedenen Ehrenämtern aktiv. So war er unter anderem viele Jahre Vizepräsident der Industrie- und Handelskammer Rems-Murr und bis Sommer 2018 Vorsitzender des Industrievereins Backnang und Umgebung.

Für seine Leistungen wurde Harro Höfliger 2007 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet, 2016 erhielt er den Gründerpreis Baden-Württemberg in der Kategorie Lebenswerk. 2008 wurde er zum Ehrenbürger der Gemeinde Allmersbach im Tal ernannt.

Auch privat galt Harro Höfligers Liebe der Technik: Er sammelte historische Fahrzeuge der Marke Mercedes.