Ein Wochenende im Multiversum

An zwei Tagen füllte die Comic Con die Landesmesse mit Leben von zahllosen Fantasie- und Popkulturwelten – ein Anziehungspunkt für Fans von Comics, Science-Fiction und Gaming.

Ein Wochenende im Multiversum

Es weihnachtet auf der Comic Con: Figuren aus dem Anime „Frieren“ erscheinen im festlichen Weihnachtsmantel.

Von Laura Wallenfels

Stuttgart - Am Samstagmorgen wartet ein lebensgroßer Wurm an der Haltestelle Olgaeck auf die U6 in Richtung Messe. Marcus the Worm, um genau zu sein. Er hat lange Armen, einen kleinen Wohlstandsbauch und seinen Ursprung in den nischigsten Ecken des Internets. Normalerweise begegnet man Marcus sonst eher in Onlinestreams oder kurzen Clips auf TikTok. Doch heute steht er eben an der Stuttgarter Haltestelle und steigt ganz selbstverständlich in die Bahn.

Ein paar Leute lächeln wissend – so als wären sie eingeweiht. Viele von ihnen sind selbst verkleidet, tragen schwere Rüstungen, wallende Umhänge oder farbenfrohe Perücken. Andere blicken verwirrt und fragen sich, was hier eigentlich passiert. Und mit jeder Haltestelle wird die Szenerie bunter: Mr. Spock aus Star Trek steigt zu, dann Ruffy aus One Piece. Spätestens jetzt dämmert es auch dem letzten Ratlosen im Wagen: Es ist wieder Comic Con in Stuttgart.

Größer, bunter, besser?

Am 29. und 30. November verwandelt sich die Messe Stuttgart in einen Treffpunkt für Comic-, Sci-Fi- und Gaming-Fans. Wer durch die Hallen schlendert, merkt schnell, wie sehr die Comic Con in diesem Jahr gewachsen ist. 2025 verteilt sich das Spektakel erstmals auf vier Hallen, vollgepackt mit allem, was die Popkultur hergibt: von einer neuen Lego-Ausstellung über den Retro-Bereich mit alten Konsolen bis hin zu ikonischen Filmautos. Dazu kommen Gaming Zone, Cosplay Kingdom, die „Star Wars“-Welt Galactic Cantina und auch dieses Jahr wieder die bunte Queer Avenue. Die Messe ist ein einziges, weit verzweigtes Spielfeld für Fans aller Genres – und jedes Eck verspricht etwas anderes zu entdecken.

Ein besonderes Highlight für viele: die Stimmen ihrer Lieblingsanimefiguren live zu erleben. Constantin von Jascheroff, bekannt aus Star Wars oder Demon Slayer, gibt Autogramme, macht Fotos und schickt Sprachnachrichten – für rund 40 Euro pro Aufnahme. Neben einigen Synchronsprechern und Sprecherinnen sind auch – wie in jedem Jahr – einige Gaststars geladen. Dieses Mal sind die wohl am bekanntesten von ihnen: Sean Gunn, Ross Marquand und Sasha Pieterse. Auch deutschsprachige Prominenz sollte mit „4 Blocks“-Schauspieler Kida Khodr Ramadan vertreten sein, doch der 49-Jährige musste den Auftritt in Stuttgart kurzfristig absagen.

Ein großes Familientreffen

Die Schlangen für Fotos und Autogramme sind lang, die Hallen sind voll. Aber die Stimmung lassen sich die Besucherinnen und Besucher davon nicht verderben. Ganz im Gegenteil: „Mir gefällt es hier so gut. Ich war schon auf vielen Messen, aber die Comic Con Stuttgart ist mit Abstand die beste“, findet der Piratenkapitän Jeff aus der Animeserie One Piece. „Das Angebot ist groß, es gibt ein cooles Programm aber vor allem stimmt hier das Klientel.“

Auch für Lukas aus dem Saarland ist das Publikum eine wichtiger Grund, warum er schon zum vierten Mal für die Comic Con nach Stuttgart gereist ist. „Mein Highlight ist eigentlich jedes Jahr, andere Leute aus der Community zu treffen. Das ist immer wie ein großes Familientreffen“, findet der 28- Jährige. Verkleidet hat er sich auch, heute als The Mandolorian, aus dem „Star Wars“-Universum. Sein Kostüm hat er selbst gebastelt. Wie das geht? „Mit dem 3D-Drucker“ sagt er mit einem Lächeln.

Jack Sparrow kommt aus München

Im Gewusel tauchen immer wieder vertraute Figuren auf – und überraschende Allianzen. Mitten durch die Menge schlendert Jack Sparrow aus „Fluch der Karibik“, flankiert von Gandalf und Frodo aus Mittelerde, als wäre diese Truppe die selbstverständlichste Kombination der Welt. Jack Sparrow heißt eigentlich Megan und statt mit der Black Pearl über die Meere zu segeln, studiert die 25-Jährige in München. „Ich finde, Jack Sparrow hat einfach einen coolen Charakter“, sagt Megan. „Er ist mutig, ein bisschen verrückt – einfach ganz anders, als ich es bin.“ Genau das reizt sie am Cosplay: „Ich kann für einen Tag in eine Rolle schlüpfen, die völlig anders ist als ich selbst.“ Doch diese Verwandlung hat ihren Preis: „Ungefähr 750 Euro habe ich für das komplette Kostüm ausgegeben“, erzählt die Münchnerin. Seit September bastelt sie daran, rund 150 Stunden sind in das Kostüm geflossen, schätzt sie. „Aber es lohnt sich“, sagt sie. „Ich habe mich schon lange darauf gefreut und bin echt froh, heute hier zu sein.“

Die Comic Con ist ein echtes Multiversum: Jedi-Ritter, Gandalf und Spider-Man teilen sich im Comic-Con-Universum für ein Wochenende denselben Raum – etwas, das in keinem Comic oder Film möglich wäre. Genau darin liegt die Magie: Nicht die großen Shows oder Stände machen den Reiz aus, sondern die Begegnungen zwischen Menschen, die für kurze Zeit dieselbe Fantasie leben.

Stuttgart wird so für ein Wochenende zu einem Ort, an dem alles möglich ist – und jeder sein kann, wer er sein möchte.