Eine Brise Alphorn-Sanftmut

Bruno Sauter zieht spontan zu Spieleinsätzen in Murrhardt los – Ehemaliger Kinderarzt hat Instrument vor drei Jahren für sich entdeckt

Eine Brise Alphorn-Sanftmut

In seinem Element: Bruno Sauter hat seit seinem Ruhestand wieder mehr Zeit zu musizieren und das Alphorn für sich entdeckt. Normalerweise wäre er nun mit den Murrtaler Alphornbläsern beispielsweise in den Weinbergen bei Aspach unterwegs beziehungsweise im Einsatz. Weil das zurzeit nicht möglich ist, spielt er auch mal auf den Höhen von Murrhardt. Foto: privat

Von Christine Schick

MURRHARDT. Man kennt die Bilder von Musizierenden vom Balkon aus – auch Mitglieder der Murrhardter Stadtkapelle haben sich in dieser Hinsicht schon verdient gemacht – mit einem Ständchen für die Nachbarn. Das ist für Bruno Sauter nicht ganz so einfach, spielt er doch ein Instrument, das schon allein von seinem Bau her äußerst raumgreifend ist – ein Alphorn. Als der ehemalige Murrhardter Kinderarzt aber einen Artikel über zwei Alphornbläser las, die die Esslinger Burg als Kulisse für das gemeinsame Spiel genutzt haben, bekam auch er Lust zu experimentieren.

„Am Ostersonntag war ich bei einem Pavillon in der Nähe der Villa Franck“, erzählt er. Die Töne beziehungsweise Stücke allerdings, so sein Eindruck, verebben dort einfach im Wald. Die nächste Station am letzten Freitag im April: der Wolkenhof. „Das haben doch einige gehört.“ Und am Sonntag darauf hat sich Sauter in der Nähe des Friedhofs positioniert, nicht weit vom oberen Parkplatz entfernt, um Murrhardt ein paar Lieder zu schicken. In Anlehnung an den speziellen Hintergrund seines Instruments stellt er augenzwinkernd fest, dass es in den Alpen zur Besänftigung und Beruhigung der Tiere auf der Alm eingesetzt worden sei. Draußen zu spielen jedenfalls gehört beim Alphorn einfach dazu.

Eigentlich wäre der 70-Jährige dieser Tage auch schon im Weinberg von Fritz Ebinger in Röhrach, einem Aspacher Teilort, im Einsatz gewesen. Ebinger ist Leiter der Murrtaler Alphornbläser, bei denen auch Bruno Sauter mit von der Partie ist. Die Alphornbläser treffen sich jeden Montag und sobald es das Wetter zulässt, wechseln sie von der Garage ins Freie. Zumindest war das vor den Einschränkungen in Coronazeiten so. Bruno Sauter, der in Ulm aufgewachsen ist, hat das Alphorn vor noch gar nicht allzu langer Zeit für sich entdeckt – er spielt jetzt seit drei Jahren dieses majestätische Instrument. Doch konnte er auf einer frühen Liebe aufbauen. Als Schüler spielte er Waldhorn. „Aber als ich dann mit dem Studium angefangen habe und im Studentenwohnheim war, konnte ich nicht mehr üben.“ Auch in seiner Zeit als Kinderarzt in Murrhardt war nicht genug Freiraum, um das Spielen weiterzuverfolgen. Allerdings stieg der Wahlmurrhardter anlässlich eines Geburtstagsgeschenks – Gesangsunterricht an der Musikschule Schwäbischer Wald/Limpurger Land – wieder in überschaubarem Rahmen in die Musik ein, später wurde Bruno Sauter Mitglied im Kammerchor.

Als er sich nach seiner Pensionierung mit einem Freund aus der damaligen Examensgruppe traf, hatte der, ohne es zu wissen, die künftige Leidenschaft im Gepäck. „Im Kofferraum lag ein Etui, in dem sich ein Alphorn befand.“ Das Instrument, das sich aus drei Teilen zusammensetzen lässt, interessierte Bruno Sauter ungemein. Also fuhr der Freund mit ihm nach außerhalb, wo er sich an dem Alphorn einfach mal versuchen konnte. „Es hat gleich geklappt, ich hab einige Töne zustande bekommen.“ Die Sache ließ ihn nicht mehr los und der Arzt im Ruhestand beschloss, sich ein solches Instrument zu besorgen. „Ich bin in den Schwarzwald gefahren, ohne dass es meine Frau wusste.“ Erst nach einiger Zeit und Übungssessions im Keller traute er sich allmählich aus dem Verlies, erzählt er und lacht.

Zwar hat Musik in seinem Leben immer eine Rolle gespielt, noch zu Zeiten seiner Praxis dabei aber oftmals in der Rolle des Zuhörers. Nicht selten hat er sich da mit einer neuen CD-Aufnahme belohnt.

Was die Literatur für Alphorn anbelangt, so gebe es genug Auswahl, sagt Sauter. Der größte Verlag in Deutschland in dieser Hinsicht befände sich sogar in Murrhardt – ihn betreut Blasmusikfachmann Gregor Steer, der zudem die viel beachtete Blaskapelle Charisma sowie das Radio Schwabenwelle gegründet hat. Sauter jedenfalls kann auf genügend Stücke verschiedener Komponisten aus Deutschland und der Schweiz zurückgreifen. Beim Alphorn sind elf Naturtöne spielbar, aber auch dort gebe es Vorlieben. „Manche sind Spezialisten für tiefe Töne, das hängt mit der Anatomie, den Lippen und dem Mundstück zusammen.“ Bruno Sauter hat sich im Bereich der Höhen eingefuchst.

Solange er noch nicht wieder mit seinen Murrtaler Alphornbläsern zusammenkommen kann, wird er – je nach Lust und Laune – den einen oder anderen spontanen Ausflug für ein kleines Ständchen über Murrhardt nutzen. Derweil beobachtet der 70-Jährige auch die Situation rund um Corona sowie die gesellschaftlichen Reaktionen und Folgen mit einem gewissen kritischen Abstand. Als Mediziner, der seine Doktorarbeit in der Virologie gemacht hat, gibt er zwar zu, nicht in den neuesten Entwicklungen des Fachs drin zu sein, trotzdem seien gemessen an den Eingriffen und getroffenen Maßnahmen bisher noch sehr viele Fragen unbeantwortet. Die Reaktionen auf die Krankheit spiegelten letztlich vor allem die Angst der westlichen Gesellschaft vor dem Tod wider. „Natürlich möchte ich auch möglichst lange leben“, sagt Bruno Sauter. Worunter er zurzeit vielleicht am meisten leidet, ist, dass er seine Enkel nicht sehen kann. Von der Angst vor dem Virus möchte er sich aber nicht leiten lassen.