„Eine Entscheidung für die Familie“

Nach fast acht Jahren als Bürgermeisterin in Erdmannhausen stellt Birgit Hannemann sich nicht mehr zur Wahl

Erdmannhausens Bürgermeisterin Birgit Hannemann will sich ihren Kindern zuliebe nicht erneut um das Schultesamt bewerben. Das Leben auf dem Präsentierteller tue den Kindern nicht gut.

„Eine Entscheidung für die Familie“

Ihre Jungs sollen nicht für weitere acht Jahre die „Bürgermeister-Kinder“ sein: Birgit Hannemann, Noah und die Zwillinge Jonas und Elias im August 2018. Archivfoto: S. Brock

Von Sandra Brock

ERDMANNHAUSEN. Die Erdmannhausener Bürgermeisterin Birgit Hannemann hat in der jüngsten Ausschusssitzung eine Bombe platzen lassen, mit der wohl die wenigsten gerechnet hätten: Die 40-Jährige tritt bei der nächsten Bürgermeisterwahl nicht mehr an, nach einer Amtszeit will sie nicht mehr Rathauschefin sein. „Ich habe lange mit mir gerungen“, sagt sie und betont: „Es ist keine Entscheidung gegen das Amt, sondern eine für die Familie.“ Das Leben auf dem Präsentierteller tue den Kindern nicht gut. Der fünfjährige Noah und die eineinhalbjährigen Zwillinge Elias und Jonas würden als „die Bürgermeister-Kinder“ mehr und mehr auf den Job ihrer Mutter reduziert, hat Birgit Hannemann beobachtet. „Sie haben unterm Strich keine unbeschwerte Kindheit.“ Sie selbst könne damit umgehen, dass sie – sobald sie das Haus verlasse – im Amt sei, ihren Jungs wolle sie das nicht zumuten.

Weiterhin in verantwortungsvoller Position arbeiten

Eigentlich habe es für sie „außer Frage“ gestanden, bei der Bürgermeisterwahl 2020 wieder ihren Hut in den Ring zu werfen. „Das ist mein Traumjob“, sagt Birgit Hannemann. „Aber stelle ich den über alles oder ist nicht die Familie und die Zeit mit den Kindern mehr wert?“ Überhaupt die Zeit. „Die zeitliche Beanspruchung ist enorm, aber das ist in anderen Jobs auch so“, so die Bürgermeisterin. Dass es keine geregelten Wochenenden gebe, treffe sie härter. Bei Kindergartenfesten sei sie eben nur selten da gewesen. „Das sind alles Dinge, die einem in dem Ausmaß erst klar werden.“

Die 40-Jährige hat ihre Entscheidung getroffen, betont aber auch, dass sie noch bis Ende Mai 2020 im Amt ist. Danach werde sie sich beruflich neu orientieren. „Ich möchte weiterhin in einer verantwortungsvollen Position arbeiten“, sagt Hannemann. „Aber nicht in der Öffentlichkeit und nicht in der Politik, sodass die Kinder außen vor sind.“ Wohnen bleiben wolle die Familie jedenfalls in Erdmannhausen.

„Der Egoismus nimmt zu, man sieht nicht die Sache selbst“

Dass sie nach acht Jahren „hinwerfe“ und nicht, wie im Wahlkampf angedeutet, länger Bürgermeisterin von Erdmannhausen bleibe, kommentiert sie mit einer Gegenfrage: „Wie viele Politiker bleiben schon acht Jahre im Amt?“ Das gelte im Übrigen auch für viele andere Jobs. Acht Jahre seien eine lange Zeit, eine Zeit, in der sich auch die Gesellschaft verändert habe und anders miteinander umgegangen werde. Stichwort Betroffenheitsdemokratie. „Der Egoismus nimmt zu, man sieht nicht die Sache selbst“, hat Hannemann beobachtet. „Mehr und mehr wird an der Person der Bürgermeisterin festgemacht – und dann auf die Kinder projiziert.“ Im Wahlkampf vor knapp acht Jahren hatte die damals 32-Jährige Bedenken, der Familienwunsch könne dem Amt als Bürgermeisterin entgegenstehen, beiseitegewischt: „Es gibt genügend Bürgermeisterinnen, die vor oder während ihrer Amtszeit ein Kind bekommen haben und beides sehr gut managen können“, sagte sie damals. Zwar stelle man sich darauf ein, sagt sie heute. „Aber man kann vieles erst dann nachvollziehen und fühlen, wenn man in der Situation ist.“ Vielleicht hätte sie, wenn sie zum Zeitpunkt der Kandidatur in Erdmannhausen schon Kinder gehabt hätte, sich gar nicht erst beworben, fügt Hannemann an. Ihre Entscheidung, sich nicht mehr zur Wahl zu stellen, habe sie bereits den Fraktionsvorsitzenden und ihren Stellvertretern sowie den Rathausmitarbeitern mitgeteilt.