Eine neue Bleibe fürs Radiomuseum in Backnang wird gesucht

In fast 100 Jahren hat die Radiofamilie Burgel zahlreiche Exponate aus der frühen und auch späteren Zeit des Rundfunks zusammengetragen. Nun werden dringend Räumlichkeiten gesucht, um eine Dauerausstellung zu ermöglichen.

Eine neue Bleibe fürs Radiomuseum in Backnang wird gesucht

Ulrich Burgel, der Enkel des Firmengründers, berichtet begeistert über die Anfänge der familieneigenen Radiosammlung in Backnang.

Von Simone Schneider-Seebeck

Backnang. Fast 100 Jahre ist es her – 1924 war es auch in Backnang so weit. Das Rundfunkzeitalter hatte begonnen. Richard Burgel eröffnete sein Radiogeschäft in Backnang. Nun bestand auch für die Bürger der Gerberstadt die Möglichkeit, Sendungen über den Äther zu empfangen. Etwas Sensationelles und bisher nie Dagewesenes.

Günstig war das allerdings nicht. Ein sogenannter Detektor, bestehend aus Erdung, Antenne und Kopfhörer, über den der Rundfunkempfang möglich war, kostete seinerzeit um die 32 Reichsmark. Und das in einer Zeit, in der ein Arbeiter pro Woche etwa acht Reichsmark Lohn nach Hause brachte. Ein sogenannter D-Zug, ein Röhrenempfänger von Siemens-Telefunken, brachte es zu dieser Zeit auf den schier unerschwinglichen Preis von 356 Reichsmark.

Außerdem verfügte kaum ein Haushalt über einen Stromanschluss. Die Geräte liefen mit Akkus. „Meine Großmutter ist jede Woche mit dem Leiterwägele zu den Kunden gefahren und hat die Akkus ausgetauscht“, erzählt Ulrich Burgel, einer der Enkel des Firmengründers Richard Burgel senior. Und auch die Sendereinstellung war nicht so ohne. Um überhaupt etwas hören zu können, war feinste Justierung von Hand notwendig. Und dann kam nur derjenige in den Genuss der Übertragung, der die Kopfhörer benutzen durfte.

Im Lauf der Jahrzehnte kommt eine Sammlung von 200 Objekten zusammen

„Wenn ein Gerät verkauft wurde, nahm mein Großvater das alte Gerät zurück und lagerte es ein“, so berichtet der Enkel des Firmengründers Ulrich Burgel über die Anfänge der familieneigenen Radiosammlung. Im Lauf der Jahrzehnte kam so eine beachtliche Sammlung von etwa 200 Objekten zusammen. „Es war nicht immer einfach, sie zu lagern, vor allem während des Krieges“, so Burgel, denn immer wieder war man mitsamt der Sammlung umgezogen. Doch das waren die historischen Geräte der radiobegeisterten Familie wert. „Da steckt viel Herzblut drin“, erklärt Ulrich Burgel.

Erst 1974 fand die Sammlung mit damals 200 Exponaten eine feste Heimat im Rundfunk-Museum Burgel Backnang. In diesem Jahr wurde das Servicegebäude der Firma Radio Burgel in der Sulzbacher Straße in Backnang fertiggestellt und man hatte vorsorglich einige Räume für das Museum mitgeplant. „Es bot einen tollen Überblick über die Anfänge der Rundfunkgeschichte“, schwärmt Burgel. Bot? Nachdem die Firma 2019 ihre Tore für immer geschlossen hatte, wurden schließlich auch die Räumlichkeiten verkauft. Und Ende Dezember musste das Museum geräumt werden. Die ganze Großfamilie habe mit angepackt, so Annelore Burgel, nicht nur sie, ihr Mann und die Kinder, sondern auch die Familien der Cousine und der Cousins wie auch Freunde, um die mittlerweile gut 700 Rundfunkschätze sorgfältig zu verpacken. Momentan werden sie an verschiedenen Stellen gelagert, doch dies ist nur noch bis zum März möglich, dann laufen die Verträge aus. Daher ist man nun dringend auf der Suche nach einer neuen Bleibe für die guten Stücke.

Gespräche mit der Stadtverwaltung

Am liebsten wäre es der Familie Burgel, blieben sie in Backnang. Bisher haben Gespräche mit der Stadtverwaltung jedoch noch keine befriedigende Lösung erbracht.

Ulrich Burgel verweist auf die Internationale Bauausstellung in drei Jahren: „Es wäre toll, wenn man bis dahin eine dauerhafte Lösung gefunden hätte.“ Zwar gebe es innerhalb des Technikforums durchaus Interessierte, die die Geräte gern betreuen würden. Allein, es mangelt am Platz. Dass nicht die komplette Sammlung auf Dauer ausgestellt werden könne, ist den Burgels klar. Selbst im Museum seien nur um die 300 Stücke zu sehen gewesen. So sei man grundsätzlich auch bereit, einige der Exponate an private Sammler oder Interessenten abzugeben oder auch an auswärtige Museen, so Annelore Burgel. Doch: „Die Begriffe Burgel, Rundfunk, Radio und Backnang gehören einfach zusammen“, findet sie. Selbst heute noch wenden sich Ratsuchende in Sachen Radio und Elektronik an sie und es gebe weiterhin Anfragen, ob Interesse an ausgedienten Rundfunkempfängern bestehe.

Der „D-Zug“ von 1924 ist in Wirklichkeit ein recht wuchtiger Röhrenempfänger

Ulrich Burgels Lieblingsstück ist ein Detektor, den sein Großvater 1924 gebaut hat und mit dem das Geschäft überhaupt erst anfing. „Er hatte irgendwann gesagt, das kann ich selbst bauen.“ Schmunzelnd erinnert er sich an Erzählungen über das Radiohören aus der Anfangszeit. „Da saßen die Leute bei meinem Großvater im Wohnzimmer und einer trug die Kopfhörer. Und ganz fassungslos fragte der dann in die Runde: Hörst du das auch?“ Ohne Kopfhörer – eher nicht. „Man ist ja nicht damit aufgewachsen“, erklärt Burgel die Faszination.

Auf dem zweiten Platz seiner Lieblingsstücke steht der „D-Zug“ von 1924, ein recht wuchtiges Exemplar von Röhrenempfänger, mit zahlreichen Steckvorrichtungen und Röhren versehen. An diesen konnte man sogar einen Trichterlautsprecher anschließen, sodass nicht nur eine Person in den Genuss des Hörens kam.

„Man muss eine Lösung für die Sammlung finden“, sagt Annelore Burgel. Sie und ihr Mann hoffen sehr darauf, dass sich ein passender Platz in Backnang findet, um die Sammlung wieder der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, egal ob von der Stadt, einer Firma oder auch von privater Seite. „Die Exponate anonym an ein Museum zu geben – dafür sind sie zu schade.“

Rundfunkpremiere im Jahr 1920 mit noch begrenzter Reichweite

Premiere Die allererste Rundfunksendung wurde im Dezember 1920 ausgestrahlt – ein Liveweihnachtskonzert in Königs Wusterhausen. Doch noch war die Reichweite begrenzt. Erst drei Jahre später wurde der offizielle Rundfunk eingerichtet und das erste offizielle deutsche Rundfunkprogramm ging im Oktober 1923 auf Sendung. Deshalb wird in diesem Jahr das 100-Jahr-Rundfunkjubiläum gefeiert.

Detektor Ein einfaches Rundfunkempfangsgerät, das aus wenigen Bauteilen besteht und ohne eigene Stromversorgung auskommt. Energie erhält das Gerät über elektromagnetische Wellen, die über das lange Antennenkabel empfangen werden.

Manfred von Ardenne 1987 erhielt das Rundfunk-Museum Burgel einen neuen Namen – es wurde zum Manfred-von-Ardenne-Museum. Firmengründer Richard Burgel senior war ein großer Bewunderer des Radiopioniers aus Dresden. Aus einer Glückwunschkarte zu dessen 65. Geburtstag entwickelte sich zwischen den Familien Burgel und von Ardenne eine langjährige Freundschaft. Immer wieder war der Forscher in Backnang zu Gast. Von der Idee, ihm das Museum zu widmen, zeigte er sich begeistert und kam 1987 als Gast zur Museumseinweihung.