Eine Stadt aus Hunderttausenden Steinen

Im Gemeindehaus Oberbrüden haben 65 Kinder und Jugendliche am Wochenende aus einer halben Million Legosteinen nach eigenen Entwürfen eine Stadt gebaut.

Eine Stadt aus Hunderttausenden Steinen

Im Fußballstadion von Ilias, Linus und Christian sollen die Zuschauer spannende Spiele sehen können. Fotos: A. Becher

Von Uta Rohrmann

AUENWALD. Die Welt ist voller Legosteine. Würde man alle gerecht aufteilen, würde jeder Mensch etwa 90 von ihnen besitzen. Das war in einem kleinen Quiz im Rahmen der Legostadt zu erfahren, die am Wochenende von der evangelischen Kirchengemeinde Oberbrüden/Unterbrüden veranstaltet wurde. Eine halbe Million Teile des beliebten Spielzeugklassikers lagerten im Gemeindehaus Oberbrüden und regten die Kreativität von 65 Kindern an, die mit Begeisterung und Liebe zum Detail eine sehenswerte Legostadt entstehen ließen. 15 motivierte Konfirmanden unterstützten sie dabei.

Das Projekt ist höchst begehrt: Fast zwei Jahre im Voraus meldete sich die Kirchengemeinde bei Ruth Scheffbuch an, die als Landesreferentin für die Arbeit mit Kindern bei den Apis – Evangelischer Gemeinschaftsverband Württemberg dafür verantwortlich ist. Im Januar 2019 ahnte noch niemand etwas von Corona. Es war ein Glücksfall, dass das Projekt zum geplanten Zeitpunkt stattfinden konnte – nach der pandemiebedingten Zwangspause war es Scheffbuchs zweiter Einsatz dieser Art.

Pfarrer Bernhard Körner hatte zunächst mit 25 Plätzen geplant – doch dann sprudelten die Anmeldungen nur so. Um möglichst vielen Jungen und Mädchen die Teilnahme zu ermöglichen, wurden zwei Gruppen gebildet: eine, die Freitagnachmittag und Samstagvormittag baut und eine andere, die die Legostadt am Samstagnachmittag und Sonntagvormittag um weitere Gebäude bereichert. Und aus dem geplanten Familiengottesdienst am Sonntagvormittag werden zwei kurze Abschlussveranstaltungen am Nachmittag im Pfarrgarten.

Am Eingang zum Gemeindehaus sitzt Konfirmand Noah. Er heißt die Kinder willkommen, verteilt Namensschilder, verweist auf die jeweilige Kleingruppe. Pro Tisch sitzen fünf Kinder, die von einem Konfirmanden begleitet werden. Die Referentin gibt per Powerpoint Anregungen, zeigt Sehenswürdigkeiten aus der Umgebung. So erscheint die Oberbrüdener Peterskirche, daneben eine Kirche aus Lego oder die Burg Ebersberg mit einem Beispiel, wie eine Legoburg aussehen kann. Dann wird losgelegt. Es entsteht eine Stadt, die Orte wie Auenwald oder Backnang verblassen lassen. Hier ist richtig was los.

Finanzen und Sicherheit sind in der Legostadt stark vertreten.

Eric-Jerome und Luis lassen sich viele schwarze Legosteine ausgeben. „Das ist die Burg des Schreckens“, erklären sie stolz. „Hier ist noch nie jemand lebend herausgekommen.“ Die Burg, die die Jungen am liebsten mit nach Hause nehmen würden, steht auf einem ausbrechenden Vulkan und ist aus Vulkanstein gebaut. Im Inneren strömt Lava. Ein Drache befindet sich in der Burg, ebenso ein Skelett auf einem Skelettpferd. Im Kerker sitzt ein Piratensträfling. Auch ein klassischer Pferdestall sowie eine Wasserquelle finden Platz. Zwei Brücken, drei Wachttürme, Tor mit einklappbarer Zugbrücke – die Festung ist gut gesichert.

Ein größeres Gemeinschaftsprojekt haben sich auch Ilias, Linus und Christian vorgenommen. Sie bauen ein Fußballstadion und brauchen zunächst ganz viele rote Legosteine. Und gut, dass der Vorrat an Legomännchen schier unerschöpflich ist! Mit Anzeigetafel und allem Drum und Dran sieht das Werk am Ende sehr eindrucksvoll und lebensnah aus.

Wohnen in der Legostadt ist attraktiv. Meist lebt man geräumig, gerne mit Garten und Tieren. Bei Ella haben die Erwachsenen jeweils ein Pferd, das Kind ein Schweinchen. Bei Mats werden Hühner und Schweine auf dem Dach gezüchtet. In Colins Haus sitzt man mit Freunden am Tisch, von denen einer Rennfahrer ist und ein tolles Auto vor der Tür stehen hat. Hanna, Mia und Lenia bauen gemeinsam eine große Villa, bewacht durch die Security im Vorgarten, wo auch ein weißes Pferd steht. Eine Parkanlage mit Bäumen, zahlreichen Blumen sowie einem Schwimmbad mit Sprungbrett macht das Leben schön. Die Konfirmandinnen Sarah und Linn sind begeistert – sowohl von den kleinen Mädchen als auch von dem Bauprojekt, das sie unterstützen. Und Maren ergänzt: „Ich wollte unbedingt noch in der Legostadt mithelfen und habe meine Eltern überredet, dass das jetzt wichtiger ist als die Hausaufgaben!“

Finanzen und Sicherheit sind in der Legostadt überdurchschnittlich vertreten. Es gibt mehrere Banken, Polizeistationen und Gefängnisse – manchmal auch in Kombination, wie bei Jannic. Dort wird in die Bank eingebrochen – der Polizist auf dem Wachtturm schaut dummerweise gerade in die falsche Richtung. Bleibt zu hoffen, dass die Polizeistation nebenan genügend Einsatzkräfte mobilisieren kann, um die Verbrecher einzufangen und ins Gefängnis zu sperren.

Jetzt ist Bauarbeiterpause. Die Kinder machen sich auf den Weg zur Peterskirche, während das Gemeindehaus gründlich durchgelüftet wird. Nach einer kleinen Vesperzeit im Freien spielt die Konfiband unter Leitung von Jugendreferent Lukas Harder, zu der David, Rafael, Lieselotte und Franka gehören. Unter dem Mundschutz darf mitgesungen werden. Es folgt eine spannende Bibelgeschichte, die Ruth Scheffbuch erzählt, illustriert mit Legomännchen per Powerpoint. Passend zur Legostadt geht es um bedeutende antike Städte, durch die der Apostel Paulus reist und in denen er allerhand Abenteuer erlebt – sogar im Gefängnis. In Philippi wird er zusammen mit seinem Mitarbeiter Silas eingesperrt, weil er eine Wahrsagerin im Namen von Jesus von der Macht des Bösen befreit hat und dem Herrn, der diese als Sklavin hält, jetzt eine wichtige Einkommensquelle fehlt. Loblieder aus der schlimmsten Zelle, ein Erdbeben und ein verhinderter Suizid sind weitere Zutaten der Geschichte – nachzulesen in Apostelgeschichte 16.

Das Betreten der Baustelle für Eltern und andere Unbefugte ist übrigens streng verboten. Erst am Sonntagnachmittag, nach den jeweiligen Abschlussveranstaltungen um 12 beziehungsweise 14.30 Uhr mit Konfiband, Liedern und Bibelgeschichte wird die Legostadt zur allgemeinen Besichtigung freigegeben.

Wie Ruth Scheffbuch ist auch Pfarrer Körner angetan von den Konfirmanden, denen er „tolle Qualitäten und soziale Fähigkeiten“ bescheinigt. Dankbar ist er aber auch, dass darüber hinaus viele Gemeindeglieder hinter dem Projekt stehen und sich mit ihren Fähigkeiten einbringen. Zum Beispiel Alex Bauer, der sich schnell um ein Ersatzteil kümmert, als die Kupplung für den Anhänger, in dem sich die Kisten mit den Legosteinen befinden, kaputtgeht und für dessen Bruder Christian, der es montiert. Oder die Mitarbeiterinnen, die am Sonntagnachmittag für Kaffee und Punsch sorgen. Für Eltern, die bereit sind, beim Abbau der Stadt zu helfen, der leider sein muss und für den es viele Hände braucht. Für Gemeindeglieder, die aus Altersgründen vielleicht nicht mehr kommen können, aber für die junge Generation beten.

„Nach der Legostadt ist vor der Jungschar“, steht auf dem Flyer, den die Kinder mitbekommen. Drei Jungschargruppen und die Kinderkirche laden ein, wieder ins Gemeindehaus zu kommen.

Eine Stadt aus Hunderttausenden Steinen

Die Villa, die Lenia gemeinsam mit ihren Freundinnen gebaut hat, hat nicht nur einen schönen Garten, sondern auch ein Schwimmbad.