Heftiger Gegenwind für Strobls Lockdown-Vorschlag

dpa/lsw Stuttgart. Kann das Coronavirus nur durch die erneute Schließung von Läden, Schulen und Restaurants bezwungen werden? Am Mittwoch beraten Bund und Länder wieder, weitere Einschränkungen sind so gut wie sicher. Ein radikaler Vorschlag kommt aus dem Süden. Das Echo ist gespalten.

Heftiger Gegenwind für Strobls Lockdown-Vorschlag

Baden-Württembergs Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU). Foto: Sebastian Gollnow/dpa/Archivbild

Vor der neuen Bund-Länder-Runde zum weiteren Vorgehen in der Corona-Pandemie sorgt der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl (CDU) mit dem radikalen Vorschlag für einen strengen, aber kurzzeitigen Lockdown für Aufsehen. Der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende fordert bei einer weiteren Verschärfung der Lage einen gut einwöchigen Lockdown in Deutschland. Während Teile der Wissenschaft seine Idee untermauern, stößt Strobl bei seinem baden-württembergischen Koalitionspartner, der Opposition und sogar in den eigenen Reihen auf Skepsis und Ablehnung. Mehrere Verbände halten einen Lockdown dagegen durchaus für möglich.

„Es gehört zur Vorsorge in der Pandemie, bereits jetzt Szenarien zu entwerfen und sich vorzubereiten“, sagte Strobl am Dienstag. Sollte sich die Zahl der Corona-Infizierten weiter so entwickeln wie in den vergangenen Tagen, komme das Land um weitere Einschränkungen nicht herum. „Eine Maßnahme aus dem Instrumentenkasten kann ein zeitlich eng begrenzter Lockdown sein“, sagte Strobl. „Das bedeutet: zeitlich sehr eng begrenzt, für eine gute Woche alles zumachen und schließen und damit die Kontakte maximal reduzieren.“

Zuvor hatte er einen sogenannten Lockdown (englisch wörtlich für: Ausgangssperre) bereits im Gespräch mit dem Nachrichtenportal „ThePioneer“ (Dienstag) in die Diskussion gebracht. Auf die Frage, ob die Schließung auch Schulen, Kitas und Geschäfte betreffen würde, sagte Strobl: „Alles heißt alles.“ Das bedeute auch Einschränkungen im Grenzverkehr. Damit könne man das Infektionsgeschehen zum Stillstand bringen. Ein Weihnachtsgeschäft und eine gemeinsame Weihnachtszeit mit der Familie wären dann wieder möglich, sagte er.

Auf breiten Zuspruch für seinen Vorschlag kann Strobl zunächst nicht hoffen. Aus Regierungskreisen in Stuttgart hieß es, es werde wegen des Lernerfolgs aus den Monaten März und April weiter alles daran gesetzt, Schulen, Kitas und die Wirtschaft unter Pandemiebedingungen in Betrieb halten zu können. Zudem würden nach der neuen Bund-Länder-Runde am Mittwoch „erhebliche Maßnahmen zu Kontakten der Menschen in Alltag und Geschäft“ erwartet, hieß es weiter. Dem Vorschlag Strobls stehe man skeptisch gegenüber.

Gegenwind bekommt Strobl auch aus den eigenen Reihen. „Unser Land in einen kompletten Lockdown zu versetzen und alles dichtzumachen und herunterzufahren, hätte nicht nur wirtschaftlich, sozial und bildungspolitisch verheerende Folgen“, sagte die CDU-Spitzenkandidatin für die Landtagswahl im kommenden März, Susanne Eisenmann. „Es wäre derzeit auch nicht verhältnismäßig.“

Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz sprach von einem „medialen Schnellschuss“ des Ministers. Kopfschütteln auch bei der SPD: „Offensichtlich hat der Innenminister überhaupt nichts aus den folgenschweren Grenzschließungen im Frühjahr gelernt“, kritisierte deren Fraktionschef Andreas Stoch. „Das Virus kennt keine Grenze und überträgt sich auch nicht von Nation zu Nation.“ Für den rechtspolitischen Sprecher der FDP-Fraktion, Nico Weinmann, wäre eine Schließung von Schulen, Kitas, Gastronomie, Einzelhandel und den Grenzen wahrscheinlich verfassungswidrig. „Er wird vor den Gerichten kaum Bestand haben“, sagte Weinmann.

Bei den Gesprächen am Mittwoch will das Kanzleramt nach „Bild“-Informationen für mögliche weitere Einschränkungen des öffentlichen Lebens werben. Im Gegensatz zum Lockdown im Frühjahr sollten Schulen und Kitas jedoch weiter geöffnet bleiben, außer in Regionen mit katastrophal hohen Infektionszahlen, berichtete die Zeitung am Montagabend. Auch der Einzelhandel solle mit neuen Einschränkungen offen bleiben. Laut „Bild“ will das Kanzleramt vor allem bei Gastronomie und Veranstaltungen hart vorgehen. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) will sich am Mittwochabend nach den Gesprächen äußern.

Der Städtetag schließt einen strikten Lockdown im Land nicht vollkommen aus, sollte die Zahl der Infektionen trotz schärferer Einschränkungen weiter steigen. Statt einer stufenweise Wiederholung des Lockdowns vom Frühjahr sei in diesem Fall „ein gut vorbereiteter, zeitlich strikt begrenzter und damit kalkulierbarer umfassender Shutdown von einigen Tagen, der auch den privaten Bereich erfasst, wirksamer“, sagte der Präsident des baden-württembergischen Städtetags und Mannheimer Oberbürgermeister, Peter Kurz. Ein „Lockdown light“ hätte hingegen mehr Schaden als Nutzen.

Die baden-württembergischen Arbeitgeberverbände nannten die Idee radikal, aber diskussionswürdig. Zwar bevorzugten sie ein regional fokussiertes Vorgehen gegen die Pandemie. Doch sei die Idee Strobls sehr umfassend und kurzzeitig. „Vielleicht könnte sie maximal wirken, ohne übergroßen Schaden in der Wirtschaft anzurichten. Das gilt es, noch genauer zu prüfen“, sagte der Hauptgeschäftsführer der Arbeitgeber Baden-Württemberg, Peer-Michael Dick.