Ende der größten Bayern-Ära: Uli Hoeneß tritt ab

dpa München. Zäsur beim FC Bayern: Uli Hoeneß tritt als Präsident des deutschen Fußball-Rekordmeisters ab und verabschiedet sich aus der ersten Reihe. Sein Nachfolger verspricht, der „Präsident von allen“ zu werden. Rekordzahlen sorgen für den passenden Rahmen.

Ende der größten Bayern-Ära: Uli Hoeneß tritt ab

„Als er aus der Haft entlassen wurde, habe ich gehofft, dass er wieder glücklich wird - und das ist er heute. Dass er nach 40 Jahren Wirken im Verein nicht so einfach komplett loslassen kann, wissen wir alle. Unglaublich, welches Lebenswerk er hinterlässt. Dass jemand einen Verein so erfolgreich so lange prägt, wird es nicht mehr geben.“ Dieter Hoeneß, Bruder und ehemaliger Nationalspieler. Foto: Matthias Balk/dpa

Der emotionale Tag des großen Abschieds ist für Uli Hoeneß gekommen. Der 67-Jährige tritt bei der Jahreshauptversammlung als Präsident des FC Bayern München ab. 

Mehr als vier Jahrzehnte nach seinem ersten Arbeitstag als Manager des deutschen Fußball-Rekordmeisters ist Schluss in vorderster Front. „Ich habe diese Entscheidung getroffen und sie keine Sekunde bereut. Es wird jetzt eine Zeit kommen, die ich nicht gewohnt bin“, sagte Hoeneß. „Es wird sicher interessant – ich selbst bin am meisten darauf gespannt.“

Bei der wegen des großen Andrangs in die Münchner Olympiahalle verlegten Versammlung werden 8000 bis 9000 Mitglieder erwartet. Der frühere Adidas-Chef Herbert Hainer soll dann zum Nachfolger gewählt werden.

ABSCHIED: Zwar bleibt Hoeneß bis 2023 weiter im Aufsichtsrat seines Herzensclubs, doch er ist nicht mehr an der Spitze des Vereins. Hoeneß hat angekündigt, auch „mal wieder Gast bei einer politischen Talkrunde“ sein zu wollen. Mit dem Ende seiner Bayern-Ära lässt er sich auch auf ein Abenteuer ein. Was er am meisten vermissen wird? Er weiß es selbst nicht. „Momentan verdränge ich solche Fragen. Ich bin aber insgesamt kein wehmütiger Mensch. Mit dem FC Bayern werde ich weiter ein intensives Verhältnis pflegen, auch Spieler mal zum Essen einladen und hinter verschlossenen Türen meine Meinung äußern, wenn es gewünscht ist“, sagte er.

LEBENSWERK: Rivalen und Gegner, Weggefährten und Freunde würdigten die Leistungen von Hoeneß in den vergangenen Tagen. „Deine Geschichte als Manager, Präsident und Aufsichtsratschef ist im gesamten Weltfußball einzigartig“, sagte Präsidenten-Vorgänger Franz Beckenbauer. Mit zwölf Millionen Mark Umsatz und sieben Millionen Mark Schulden legte Hoeneß als 27-Jähriger beim FC Bayern los. 40 Jahre später übergibt er den Bundesliga-Serienmeister als einen der Topclubs weltweit, einen Verein mit beeindruckenden Finanzzahlen. „Ich glaube, dass man jetzt noch gar nicht richtig abschätzen kann, was dem deutschen Fußball ohne ihn alles fehlen wird“, sagte der frühere Bayern-Trainer Ottmar Hitzfeld.

NACHFOLGER: Der langjährige Hoeneß-Freund Hainer stellt sich am Freitag zur Wahl. „Ich halte Herbert Hainer für einen Mann, der für diese Position absolut perfekt geschaffen ist“, warb Hoeneß für seinen Nachfolger. Hainer bringt 15 Jahre Erfahrung als Chef von Adidas mit. Der Börsenwert des Sportartikelkonzerns wurde in der Zeit von Hainer verfünffacht, der Umsatz mehr als verdoppelt. „Wir wollen ein bayerischer Verein bleiben, der sich dabei aber der Welt öffnet“, sagte Hainer. „Ich möchte auf jeden Fall der Präsident von
allen werden und ansprechbar für alle sein.“

ZUKUNFTSRIEGE: Hoeneß wird von Hainer als Präsident und bald auch als Aufsichtsratsvorsitzender abgelöst, auch im Vorstand des FC Bayern wird der Generationswechsel vorbereitet. Der Vertrag von Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge läuft noch bis Ende 2021, ab dem Januar steigt Oliver Kahn als neues Vorstandsmitglied ein. Der langjährige Bayern-Kapitän soll dann Rummenigge als Vorstandsboss folgen. Ein Platz im Vorstand ist auch für Sportdirektor Hasan Salihamidzic reserviert, ab dem 1. Juli 2020.

REKORDZAHLEN: Zum Hoeneß-Abschied verkündet der FC Bayern wieder Rekordzahlen. Der Umsatz stieg von 657,4 Millionen Euro in der Saison 2017/18 auf 750,4 Millionen Euro in der abgelaufenen Spielzeit. Zudem wuchs der Gewinn nach Steuern von 29,5 Millionen Euro im Geschäftsjahr 2017/18 auf nun 52,5 Millionen Euro.

Ende der größten Bayern-Ära: Uli Hoeneß tritt ab

„Wir hatten unsere Auseinandersetzungen, aber ich möchte Ihnen zu Ihrem Abschied auch sagen, dass Sie eine der wichtigsten Figuren in der Geschichte des FC Bayern sind, und für Ihre Lebensleistung schätze ich Sie sehr. Sie haben Ihren FC Bayern zu diesem großen und strukturierten Verein gemacht, der er heute ist. Chapeau!!!“ Louis van Gaal, ehemaliger Bayern-Trainer. Foto: Andy Rain/EPA/dpa

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„Für die Medien waren unsere Auseinandersetzungen ein gefundenes Fressen: Auge um Auge, Zahn um Zahn. Ich wurde oft gefragt, ob das Show war, fürs Geschäft – oder ob wir uns tatsächlich nicht gemocht haben. Ich antwortete immer: Wir haben uns nicht gemocht. Vor einigen Jahren aber hast Du den ersten Schritt gemacht. Ich habe längst einen Uli Hoeneß kennengelernt, dem ich nie permanent widersprechen würde. Du bist ein unglaublich sozialer Mensch, der karitativ ungeheuer viel macht, ohne darüber zu reden. Du kämpfst wie ein Löwe, wenn die Deinen angegriffen werden, das spricht für Dich.“ Willi Lemke, ehemaliger Manager Werder Bremen und Hoeneß-Rivale. Foto: Christian Charisius/dpa

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„Eine Zeitstrecke von 40 Jahren als Manager bzw. Präsident des FC Bayern München so zu prägen, wie Sie es getan haben, ist absolut außergewöhnlich!“ Hans-Joachim Watzke, Geschäftsführer Borussia Dortmund. Foto: Henning Kaiser/dpa

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„Du bist nicht als Sieger oder als Attackierer auf die Welt gekommen, doch Dein Gerechtigkeitsgefühl, Deine Fürsorge und Dein Wille haben Dich zum Lokomotivführer des Fußballs auf und außerhalb des Spielfeldes geformt. In Bezug auf Uli Hoeneß gab es immer nur eine Möglichkeit: Entweder man mag Dich oder man mag Dich nicht! Meine Wertschätzung sowie die von vielen anderen Menschen ist Dir gewiss. Du warst nie artig, aber stets einzigartig. Erhalte Dir diese Gabe und bewahre Dir dabei das notwendige Quäntchen Humor.“ Christoph Daum, ehemaliger Bundesliga-Trainer und Hoeneß-Rivale. Foto: Rolf Vennenbernd/dpa

Ende der größten Bayern-Ära: Uli Hoeneß tritt ab

„Was er geschaffen hat, ist ein Märchen. Man kann das gar nicht hoch genug einschätzen. Uli war als Manager oder Präsident immer omnipräsent. Er hat in Deutschland im Fußball-Bereich die Richtung angegeben. Er war immer ein Vorreiter für ganz viele Vereinslenker. Ich glaube, dass man jetzt noch gar nicht richtig abschätzen kann, was dem deutschen Fußball ohne ihn alles fehlen wird. Wenn er Ratschläge braucht, wie man als Rentner sein Leben gestaltet, könnte ich ihm gerne welche geben.“ Ottmar Hitzfeld, ehemaliger Bayern-Trainer. Foto: Tobias Hase/dpa

Ende der größten Bayern-Ära: Uli Hoeneß tritt ab

„Uli Hoeneß war immer ein Bauchmensch, der jetzt das Gefühl hat, dass der richtige Zeitpunkt gekommen ist, um loszulassen. Der Verein wird sich wieder neu und anders finden müssen. Die Themen werden dabei sicher auch andere werden. Man wird anders an sie herangehen als noch mit Uli Hoeneß, der den FC Bayern wie ein Familienunternehmen geführt hat. Es wird eine große Ära zu Ende gehen, aber auch eine neue starten. Auch für mich gab es den Verein nicht ohne Uli Hoeneß. Aber alles ist zeitlich endlich. Es wird wieder etwas Neues entstehen.“ Philipp Lahm, ehemaliger Bayern-Kapitän, in der „Abendzeitung“. Foto: Matthias Balk/dpa

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„Er war in verschiedener Hinsicht ein Pionier, der den FC Bayern weiterentwickelte und als weltweit angesehenen Verein etablierte. Es wird nicht einfach sein, in die Fußstapfen eines solch einflussreichen Präsidenten zu treten.“ Gianni Infantino, FIFA-Präsident. Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Ende der größten Bayern-Ära: Uli Hoeneß tritt ab

„Er hat natürlich den deutschen Fußball schon so geprägt wie kaum ein anderer. Seine Bedeutung ist riesengroß gewesen. Was er bei Bayern München bewegt hat und an Erfolgen eingeheimst hat, ist schon einmalig. Irgendwann kommt ja für jeden mal die Zeit, dass er Platz macht für neue Leute, die dann auch wieder ein bisschen andere Wege gehen und andere Ideen haben.“ Joachim Löw, Bundestrainer. Foto: Marius Becker/dpa

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„Der FC Bayern wäre nicht das, was er heute ist, wenn Du nicht gewesen wärst. Deine Geschichte als Manager, Präsident und Aufsichtsratschef ist im gesamten Weltfußball einzigartig. Deine größte Stärke ist gleichzeitig auch Deine Achillesferse: Piekst man Dich ein bisschen an, reagierst Du gerne sehr impulsiv. Vielleicht wäre es manchmal ganz gut, wenn Du erst Luft geholt hättest. Der FC Bayern ist ohne Dich nicht vorstellbar. Du wirst auch nicht von heute auf morgen weg sein, das geht nicht.“ Franz Beckenbauer, ehemaliger Teamkollege und Bayern-Präsident. Foto: Ina Fassbender/dpa