Energiegemeinschaft will kräftig zulegen

Gemeinde Weissach ermöglicht über Solardachoffensive weitere Vorhaben – Erste Projekte auch außerhalb des Weissacher Tals

Energiegemeinschaft will kräftig zulegen

Auf dem Dach des neuen Wasserwerks im Hohholz hat die Energiegemeinschaft in diesem Frühjahr eine Fotovoltaikanlage errichtet (von links): Kaufmännischer Vorstand Reinhard Knüdeler und der Aufsichtsratsvorsitzende, Bürgermeister Ian Schölzel. Archivfoto: Gemeinde

Von Armin Fechter

WEISSACH IM TAL. Die Energiegemeinschaft Weissacher Tal hat große Pläne. In den nächsten Jahren will sie ihre Tätigkeit stark ausweiten. Ökologisches Ziel ist es, die CO2-Einsparung mit Fotovoltaikanlagen von derzeit 250 Tonnen im Jahr auf 500 zu verdoppeln. Mehrere Projekte sollen dazu realisiert werden. Das erforderliche Kapital wird von den Mitgliedern aufgebracht – über höhere Geschäftsanteile und über die neue Möglichkeit der Mitgliederdarlehen.

„Wir werben aktiv Gelder ein, und die Nachfrage ist relativ groß“, unterstreicht Bürgermeister Ian Schölzel, der gleichzeitig als Aufsichtsratsvorsitzender der seit elf Jahren bestehenden Genossenschaft fungiert. Noch vor ein paar Jahren galten andere Regeln: Da hatte die Energiegemeinschaft eine Mitgliedersperre verhängen müssen und eine Warteliste geführt, weil sich keine Möglichkeit bot, die Gelder anzulegen, und auch die Windkraft nicht die Hoffnungen erfüllte.

Mitglieder können Kapitalausstattung stärken

Man wolle das Wachstum in ökologischem und ökonomischem Sinne beleben, erklärt auch der kaufmännische Vorstand Reinhard Knüdeler. Konkret bedeutet dies, dass die Mitglieder jetzt Anteile – Geschäftsguthaben – in Höhe von bis zu 3000 Euro zeichnen können. Bisher galt eine Beschränkung auf 250 Euro. Zudem können die Mitglieder der Genossenschaft Darlehen von bis zu 25000 Euro gewähren, eine Möglichkeit, die das Genossenschaftsgesetz bietet, die aber bislang nicht genutzt wurde. Diese Darlehen werden dann, so Knüdeler weiter, mit 1,5 Prozent verzinst.

Ein erster Aufruf hat bereits großen Erfolg erzielt: Seit der Generalversammlung wurden laut Knüdeler 150000 Euro zusätzliches Geschäftsguthaben und 450000 Euro als Darlehen akquiriert – und die Aktion soll wiederholt werden. Mit diesen Finanzmitteln will die Energiegemeinschaft jetzt durchstarten. Das Projekt Nahwärmeversorgung Fuchsklinge in Unterweissach sei bereits voll finanziert. Dem soll nun ein neues Projekt bei der Seniorenwohnanlage in den Brüdenwiesen folgen. Dort ist – Schölzel: „ein glücklich-unglücklicher Umstand“ – in einem der drei Gebäude die Heizung kaputt gegangen. Für die Erneuerung schreibt das Gesetz einen 15-prozentigen Anteil aus regenerativen Energien vor. Und hier kommt die Genossenschaft ins Spiel: Sie kann die Forderung mit einer Fotovoltaikanlage erfüllen. Für die Eigentümer sei dies schon allein deswegen interessant, weil sie selbst komplett aus dem Schneider sind, erläutert Knüdeler. Das Zauberwort heißt Contracting: „Wir investieren und betreiben“, bringt Matthias Spinnler, Vorstand Geschäftsentwicklung, die Sache auf den Punkt. Die 26 Eigentümer können die gesetzliche Forderung erfüllen, ohne selbst aktiv werden und Geld in die Hand nehmen zu müssen. Spinnler: „Für beide Seiten toll.“ Das Vorhaben ist bereits angelaufen, die alten Heizkessel sind schon weg.

Ein weiteres Projekt hat die Energiegemeinschaft in Angriff genommen: Ein Objekt der Kreisbau in Waiblingen-Neustadt mit 43 Wohnungen soll mit einer Fotovoltaikanlage bestückt werden. Anfrage gibt es auch aus anderen Orten, unter anderem aus Welzheim. Zudem stellt die Gemeinde Weissach im Tal weitere Dachflächen für den Aufbau von Fotovoltaikanlagen zur Verfügung, außer auf dem neuen Wasserwerk im Hohholz unter anderem auch über den Foyers der Gemeindehalle und der Seeguthalle, auf dem Kinderhaus-Neubau bei der Schule an der Weissach und auf dem renovierten Bauhofgebäude in Bruch. Bürgermeister Schölzel hat dazu eine „Solardachoffensive“ ausgerufen, in die möglicherweise auch noch die Dachflächen der Leichenhalle in Unterweissach und des Klärwerksgebäudes einbezogen werden.

In diesem Zusammenhang gab es im Gemeinderat auch die Nachfrage, ob von der Energiegemeinschaft für die Dachnutzung eine Pacht erhoben werden könne. Ein entsprechendes Angebot sei jedenfalls schon beworben worden. Doch Knüdeler winkt ab. Er erinnert daran, dass die Gemeinde die Dachflächen von Anfang an kostenlos zur Verfügung gestellt habe. Das sei wegen der damals gültigen Einspeisungsvergütung sehr lukrativ gewesen. Heute sei dies aber nicht mehr der Fall: Die Vergütung und damit die Ertragsmargen seien so gering, dass die Besitzer auf eine Pacht verzichten, erläutert Spinnler. Anfang 2017 habe die Energiegemeinschaft versucht, Industriedächer zu bekommen, das Pachtmodell funktioniere aber jetzt nicht mehr, ergänzt Knüdeler. Schölzel bekräftigt: „Wir haben alle das Ziel, die Erzeugung von Solarstrom zu erhöhen – als Beitrag zur Energiewende.“ Unterm Strich soll mit den jetzt anvisierten Projekten bis Ende 2020 eine zusätzliche Leistung von bis zu 500 Kilowatt-Peak zustande kommen, davon allein 99 in den Brüdenwiesen. Dort bestünde sogar noch mehr Potenzial, nämlich auf allen drei Gebäuden jeweils über 100 Kilowatt-Peak. Doch zum Einstieg müsse man sich wegen der gesetzlichen Rahmenbedingungen mit weniger begnügen.

Nahwärme und E-Mobilität als weitere Geschäftsfelder

Parallel setzt die Energiegemeinschaft auch auf die Nahwärmeversorgung mit Blockheizkraftwerken. Das erste Vorhaben dieser Art wurde mit der Aspa auf dem Rombold-Areal realisiert, ein weiteres im angrenzenden Gebiet Fuchsklinge, und für das dritte in den Hauäckern in Auenwald steht der erste Baggerbiss im Herbst bevor. Die CO2-Einsparung durch den Einsatz der BHKWs beläuft sich dann auf etwa 300 Tonnen im Jahr.

Die Genossenschaft will sich aber noch breiter aufstellen und auch in puncto E-Mobilität tätig werden. Mit der Syna seien Gespräche wegen der Ladesäulen am Laufen, berichtet Schölzel, eine davon soll in die Fuchsklinge kommen, und die Energiegemeinschaft will Betreiber werden. Perspektivisch sei dies eine sehr interessante Sparte, sagt Knüdeler. Denn an den Ladesäulen könne man den erzeugten Strom vor Ort vermarkten.

Auch die Windkraft ist für die Energiegemeinschaft noch nicht abgeschrieben. Es gebe, so Spinnler, neue gesetzliche Initiativen bezüglich der Funkfeuer für den Flugverkehr. Bislang verhindern die geltenden Bestimmungen vielerorts den Bau von Windrädern.

Darüber hinaus ist es ein erklärtes Ziel, die Energiegemeinschaft zu professionalisieren und einen hauptamtlichen Geschäftsführer hereinzuholen.