Engpässe in Luft- und Raumfahrt durch Corona

dpa/lsw Stuttgart. In den Sommerferien steigen viele wieder in den Flieger. Doch monatelang ging wegen der Pandemie fast gar nichts. Die Folgen spürt auch die Luft- und Raumfahrt.

Engpässe in Luft- und Raumfahrt durch Corona

Rolf-Jürgen Ahlers, Vorstandsvorsitzender des Forums Luft- und Raumfahrt Baden-Württemberg. Foto: Marijan Murat/dpa/Archivbild

Die Luft- und Raumfahrtindustrie im Südwesten bekommt die Folgen der Pandemie zu spüren. Verschobene oder stornierte Bestellungen auf der einen, Rohstoffengpässe auf der anderen Seite erschwerten Produktion und Forschung, sagte der Vorstandsvorsitzende des Forums Luft- und Raumfahrt Baden-Württemberg, Rolf-Jürgen Ahlers, der Deutschen Presse-Agentur. „Es fängt an zu drücken. Wir können nur die Hoffnung haben, dass jetzt wieder alles hochfährt.“

Knapp ein Fünftel der sogenannten luftfahrtzertifizierten Unternehmen in Deutschland stammt aus Baden-Württemberg. Rund 15.000 Menschen arbeiten im Südwesten in der Luft- und Raumfahrtbranche und setzten in Vor-Corona-Zeiten jährlich fast fünf Milliarden Euro um - Tendenz steigend. Die Produktpalette reicht von Schrauben bis zu Satelliten.

Infolge eingebrochener Flugzahlen hätten gerade große Fluggesellschaften Bestellungen gedrosselt, sagte Ahlers. „Da sind ja große Mengen Geld im Spiel.“ Manche Zulieferer hätten sehr schnell ihre Produktion eingestellt. Zugleich handelten einige Unternehmen aus Ahlers' Sicht zu ängstlich, haben keine Lagerbestände und können nun nicht schnell die Produktion hochfahren. „Da war teilweise wenig Flexibilität vorhanden“, sagte Ahlers aus eigener Erfahrung. Seine Unternehmen ASG Luftfahrttechnik und Sensorik sowie Proxivision sitzen in Weinheim (Rhein-Neckar-Kreis) und Bensheim (Hessen).

Probleme gebe es auch, weil beispielsweise nicht genügend Elektronik oder Metalle schnell nachgeliefert werden könnten. Bei optischen Sensoren etwa gebe es eine Verzögerung von einem Viertel- bis halben Jahr, sagte Ahlers. Auf berührungsempfindliche Displays müsse man mehrere Monate statt ein paar Tage warten. Bei Aluminium kaufe die Automobilbranche „alles vom Markt, was sie kriegen kann“. Zugleich würden etwa Satelliten inzwischen in größeren Mengen produziert.

Auch an alternativen Produktionstechniken arbeiten die Firmen, wie Ahlers am Beispiel seines eigenen Unternehmens deutlich machte: Statt auf eine Lieferung Halterplatten zu warten, hätten sie diese mit einem 3D-Drucker selbst produziert. Das erfordere aber neue Zertifizierungen.

Viele Insolvenzen in der Branche befürchtet der Vorstandsvorsitzende des Forums nicht mehr. Der Staat habe sich in der Pandemie flexibel gezeigt und schnell Hilfen angekündigt. „Vieles, was versprochen wurde, wurde aber zu zögerlich verteilt“, kritisierte Ahlers. Oder es gebe Formalismus, welche Bank nun für welche Zahlung zuständig sei.

Schwierigkeiten habe die Pandemie auch bei der Entwicklung neuer Produkte bereitet. Während in der Forschung recht flexibel umgestellt werden könne und erst methodische Ansätze weiterentwickelt würden, seien für manche Bauten gemeinsame Arbeiten an Ort und Stelle nötig, erklärte Ahlers. „Wir durften nach Amerika ja zum Beispiel gar nicht einreisen.“ So hätten manche Dinge nicht fertiggebaut werden können.

Die gesunkenen Flugzahlen wiederum spielten auch beim Transport eine Rolle. Während früher mal ein Paket oder ein kleiner Container von einer Passagiermaschine mitgenommen worden sei, fehle im Moment offenbar häufiger der Platz wegen kleiner, aber voll ausgelasteter Flieger, sagte Ahlers. „Das sind kleine Facetten, die sich groß auswirken.“

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