Der aufsehenerregende Kriminalfall gibt weiterhin Rätsel auf. Wo sich das Opfer derzeit aufhält, ist unklar.
Von Nina Scheffel und Sascha Maier
Stuttgart - Aktuelle Erkenntnisse deuten darauf hin, dass eine Entführung eines 25-Jährigen in Stuttgart-Bad Cannstatt dort eher durch Zufall stattfand. „Wir gehen aktuell davon aus, aber die Ermittlungen dazu dauern an“, sagte eine Sprecherin des Polizeipräsidiums Stuttgart auf Nachfrage unserer Zeitung. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart kam zu einer ähnlichen Einschätzung. Also scheint das Motiv der Entführung nach Polen nicht weiter mit der Landeshauptstadt in Verbindung zu stehen.
Doch eben dieses Motiv gibt weiterhin Rätsel auf. Die Polizei hält sich zum aktuellen Stand bedeckt, verweist auf laufende Ermittlungen. „Eine internationale Ermittlergruppe beschäftigt sich intensiv mit dem Tathergang und dem Motiv“, so die Sprecherin. Einer Pressemeldung der polnischen Polizei ist außerdem zu entnehmen, dass sich die drei Tatverdächtigen – 24, 28 und 39 Jahre alt – derzeit in Polen in Untersuchungshaft befinden.
Am Vortag hatten die Ermittler einen Fahndungserfolg verkündet, der aufhorchen ließ. In einem rund 75-stündigen Polizeieinsatz unter der Leitung des Polizeipräsidiums Stuttgart hatten Polizeibeamte einer polnischen Spezialeinheit am Mittwochabend vor einer Woche drei Männer festgenommen. Sie stehen im Verdacht, bei der Entführung eines 25 Jahre alten Mannes in Bad Cannstatt beteiligt gewesen zu sein.
Wie die Polizei mitteilte, wählte eine Zeugin am Sonntag, 6. Juli, gegen 12.45 Uhr den Notruf, nachdem sie beobachtet hatte, wie mehrere Männer an der Wildunger Straße einen Mann schlugen, ihn in ein Fahrzeug zerrten und davonfuhren. Kurze Zeit später meldete ein Freund des 25-Jährigen diesen bei einer Polizeidienststelle als vermisst.
Die Entführer wollten Lösegeld haben
Aufgrund von Hinweisen auf eine Entführung richtete das Polizeipräsidium Stuttgart daraufhin die Besondere Aufbauorganisation „Seelberg“ ein. Laut Angaben der Polizei forderten die mutmaßlichen Entführer ein Lösegeld von mehreren Hunderttausend Euro und drohten mit schwersten Verletzungen und der Tötung des 25-Jährigen. Die Polizei arbeitete behörden- und länderübergreifend zusammen, um den 25-Jährigen schnellstmöglich und wohlbehalten zu befreien.
Wie die Polizei nun mitteilte, führten die Spuren der Tatverdächtigen nach Polen. Im Rahmen der Ermittlungen gelangten die Beamten demnach auf die Spur der Tatverdächtigen, die letztlich in die Region Warschau und Katowice führte. Eine Spezialeinheit der polnischen Polizei nahm den 39-Jährigen und seinen mutmaßlichen 24-jährigen Komplizen am Mittwoch vergangener Woche in enger Abstimmung mit der Polizei Stuttgart in einem mehrstündigen Spezialeinsatz in Warschau fest und befreiten den 25-jährigen Entführten, der unverletzt blieb. Nur kurze Zeit später wurde auch der dritte 28 Jahre alte Tatverdächtige in Katowice von einer Spezialeinheit festgenommen.
Wie die Polizei mitteilte, hat die Kriminalpolizei zur Ermittlung des Motivs und den weiteren Hintergründen der Tat eine Ermittlungsgruppe mit internationalem Netzwerk eingerichtet. Verdeckte Maßnahmen der polnischen Polizei und Staatsanwaltschaft gegen das Täterumfeld dauerten in Polen bis heute an. „Die Ermittlungen zu den Hintergründen stehen noch am Anfang.
Unseren ersten Erkenntnissen nach kannten sich Täter und Opfer bereits zum Tatzeitpunkt“, so Daniela Treude von der Pressestelle des Polizeipräsidiums Stuttgart. Gegen die Tatverdächtigen, einen 39-Jährigen, einen 24-Jährigen und einen 28-Jährigen, wurden internationale Haftbefehle erwirkt.
Aber von wem das Geld überhaupt gefordert wurde und weitere Angaben zur Identität des Entführungsopfer – all das blieb zunächst unklar. Auch zum aktuellen Aufenthaltsort und Zustand des 25-Jährigen wollte die Staatsanwaltschaft keine Angaben machen mit dem Verweis auf laufende Ermittlungen.