„Er wollte mir mein Leben nehmen“

Versuchter Mord in Fellbacher Casino: 24-jährige Ex-Freundin des Angeklagten sagt aus und schildert Eifersuchtsszenario

„Er wollte mir mein Leben nehmen“

Symbolbild: Fotolia.de/Romolo Tavani

Von Andrea Wüstholz

FELLBACH/STUTTGART. „Er wollte mir mein Leben nehmen, nur weil ich wieder ich selbst sein wollte“: Eine 24-jährige frühere Angestellte eines Fellbacher Casinos beschrieb am gestrigen Freitag vor dem Landgericht Stuttgart detailliert den Angriff ihres Ex-Freundes am 3. März. Dieser hat laut Anklage versucht, sie mit einem Steakmesser zu töten. An die Tat erinnere er sich nicht, bitte aber um Vergebung, sagte der 40-jährige Albaner. Sieben Stichverletzungen an Bauch und Rücken trug die Frau davon, die schlimmste war rund sechs Zentimeter tief. Der Mann hatte, wie die 24-Jährige im Zeugenstand schilderte, am Abend des 3. März 2019 trotz Hausverbots das Casino in Fellbach betreten, in dem sie damals arbeitete. Schnurstracks sei er auf sie zugegangen, habe sie mit Pfefferspray besprüht und mit Schlägen traktiert. Sie sei in die Herrentoilette geflohen und habe mit aller Kraft versucht, sich von innen gegen die Tür zu stemmen. Dem Mann gelang es trotzdem, die Frau weiter zu attackieren.

Ex-Freund stellte Ultimatum: Die Arbeit oder ich

Sie rannte aus der Toilette in den Aufenthaltsraum und stemmte sich dort erneut gegen die Tür. Der Mann verschwand. Warum, blieb unklar. Die Frau bemerkte erst jetzt, dass sie heftig blutete. Zuvor hatte sie gar nicht wahrgenommen, dass ihr Ex-Freund mit einem Messer auf sie losgegangen war. Es habe sich für sie angefühlt, als schlage er auf sie ein. Später fand die Polizei die abgebrochene Klinge des Steakmessers in der Toilette. Die 24-Jährige ist sich, wie sie aussagte, absolut sicher, dass ihr ehemaliger Freund weiter auf sie eingestochen hätte, wäre das Messer nicht abgebrochen.

Rückschlüsse auf das Motiv des Angeklagten lässt die Vorgeschichte der beiden zu. Einige Wochen zuvor war es zur Trennung des Paars gekommen. Im September vergangenen Jahres hätten sie sich im Casino kennengelernt. Der 40-Jährige habe sich dort sehr oft mit Freunden aufgehalten und war „einer der nettesten Kunden“. Man kam ins Gespräch, näherte sich an – „und ich habe mich in ihn verliebt“, erzählte die junge Frau vor Gericht.

Doch bald schon kam es zu Auseinandersetzungen. Ihr Freund habe ihr verboten, Facebook zu nutzen, wollte ihre Kontakte zu Freunden unterbinden und sah es überhaupt nicht gerne, dass sie in einer WG lebte, der auch Männer angehörten. „An sich durfte ich überhaupt nichts mehr“, so schilderte die Frau die Situation: „Ich konnte nicht mehr ich sein.“ Ständig habe ihr Ex-Freund ihr unterstellt, sie würde sich mit anderen Männern abgeben, ihn betrügen. Sehr grob habe er sich immer wieder ihr gegenüber verhalten, habe sie beleidigt und beschimpft. Später drohte ihr der Mann: „Ich finde dich, ich schlage dich, ich bringe dich um.“

Zum Eklat kam es schließlich, als der 40-Jährige seine junge Freundin drängte, sie solle ihre Arbeit im Casino aufgeben. Die Arbeit oder ich – auf diese Weise habe er sie unter Druck gesetzt. „Ich brauche meine Arbeit. Von was soll ich leben?“, sagte die junge Frau, die es immer wieder schaffte, trotz der Tränen tapfer ihre lange Aussage fortzusetzen.

Im Januar entschied sie, sich nicht weiter einengen zu lassen, trennte sich und blockierte ihren Ex-Freund auf allen Kanälen. Es folgten trotzdem eine Vielzahl von Nachrichten und Anrufen, die der 40-Jährige über andere Handynummern und neue Profile in sozialen Netzwerken an sie richtete. In der Hoffnung, doch noch eine Trennung „wie unter normalen Menschen“ auf den Weg zu bringen, ließ sich die Frau noch auf ein paar Treffen mit dem Ex-Freund ein. Inzwischen hatte sie aber eine Beziehung zu einem neuen Partner begonnen. In der Folge richteten sich die Drohungen auch gegen ihn.

Nach wie vor plagen die Frau Alpträume und Ängste. Die Vorsitzende Richterin Ute Baisch riet der Frau dringend, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen: „Sie machen nicht den Eindruck, als ob Sie es ansatzweise verkraftet hätten“, sagte Baisch.

Manchmal gearbeitet, manchmal von Stütze gelebt

Zuvor hatte der Angeklagte mittels eines Dolmetschers um Vergebung gebeten. Über die Vorkommnisse am 3. März könne er nicht sprechen. Er habe davor reichlich Alkohol konsumiert und erinnere sich nicht. Seine Ex-Freundin habe ihn schwer beleidigt, ihre Kollegin habe ihn schlecht gemacht.

Der Mann ist als ältestes von fünf Kindern im Kosovo aufgewachsen. Seine Ausbildung habe er wegen des Krieges seinerzeit nicht beenden können. Mehrmals kam der Mann nach Deutschland, wurde abgeschoben und konnte später doch bleiben, weil er geheiratet hatte. Seine beiden Söhne habe er zuletzt vor fünf Jahren gesehen; seit Langem laufen deshalb Rechtsstreitigkeiten. Er sei depressiv geworden und habe sich dem Alkohol zugewandt, weil er seine Kinder nicht sehen durfte.

Gelebt hat der Mann seinen Aussagen zufolge von Gelegenheitsjobs und von Stütze. „Manchmal habe ich gearbeitet, manchmal habe ich nicht gearbeitet. Ich hatte auch keine Lust.“

Die Verhandlung um den Messerangriff im Casino wird an diesem Montag, 16. September, fortgesetzt.