Erbitterter Streit: Politik für „Anti-Windkraft-Taliban“?

dpa Berlin. Die Windenergiebranche ist zunehmend besorgt. Wie soll es weitergehen, erholt sich der Markt wieder? In der Politik tobt ein erbitterter Streit - auch mit scharfen Worte.

Erbitterter Streit: Politik für „Anti-Windkraft-Taliban“?

Eigenheimbesitzer Stefan Hellert auf seinem Grundstück. In rund 1500 Metern Entfernung dreht sich der Rotor einer Windenergieanlage. Foto: Patrick Pleul/zb/dpa

In der einst boomenden Windenergiebranche mit Zehntausenden Beschäftigten wächst wegen unklarer Perspektiven die Verunsicherung. Ein Treffen von Branchenvertretern mit Wirtschaftsmister Peter Altmaier (CDU) am Montagabend brachte keine konkreten Ergebnisse zum weiteren Ausbau.

In der Politik gewinnt der Streit um einen geplanten Mindestabstand von 1000 Metern von Windrädern zu Wohnsiedlungen an Schärfe. Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer sagte am Dienstag: „Altmaier muss sich jetzt entscheiden, ob er Politik für die Anti-Windkraft-Taliban in seiner eigenen Partei macht oder ob er für die Arbeitsplätze in der Windbranche kämpft.“

Der Ausbau der Windkraft an Land ist in diesem Jahr fast zum Erliegen gekommen. Hauptgründe sind lange Genehmigungsverfahren, zu wenig ausgewiesene Flächen und viele Klagen. Vor Ort ist der Bau von Windrädern oft heftig umstritten.

Die Branche befürchtet nun, die Ausbaukrise könnte sich weiter verschärfen. Grund ist die Mindest-Abstandsregelung von 1000 Metern. Laut Entwurf aus dem Wirtschaftsressort sollen fünf nebeneinander stehende Häuser als Wohnsiedlung gelten. Länder sollen von den Vorgaben abweichen können.

Altmaier verteidigte die Pläne der Bundesregierung. Die Union und die SPD hätten gemeinsam beschlossen, Hindernisse für Genehmigungen von Windparks abzubauen. Gleichzeitig müssten aber „auch die berechtigten Sorgen vieler Menschen“ ernst genommen werden, sagte der Minister im Deutschlandfunk. Viele Anwohner empfänden die Errichtung von Windrädern „als Beeinträchtigung ihrer Lebensqualität“.

Unterstützung bekam er vom Wirtschaftsflügel der Union: Der Vorsitzende der Mittelstandsunion, Carsten Linnemann (CDU), sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: „Nicht Mindestabstände gefährden die Ziele der Energiewende, sondern die fehlende Akzeptanz der betroffenen Bevölkerung.“

Dagegen kritisierte Greenpeace-Klimaexperte Andree Böhling, Altmaier werde „mehr und mehr zum Handlanger irrationaler Gegner von Energiewende und Klimaschutz“. Krischer forderte einen Rettungsplan für die über 100.000 Arbeitsplätze in der Windbranche. Erst vor kurzem hatte der Windkraftanlagenhersteller Enercon einen Stellenabbau angekündigt.

Krischer sagte, die Regelungen für die Abstände zu Wohnbebauungen müssten zurückgezogen werden. Die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, Britta Haßelmann, warf Altmaier auf Twitter vor, die Pläne bedeuteten den Ausstieg aus der Windenergie mit dramatischen Folgen für Jobs.

Altmaier widersprach dem. Er schrieb auf Twitter: „Indem wir die Sorgen von Millionen Bürgern ernst nehmen, schaffen wir Voraussetzungen dafür, dass wieder mehr Windparks genehmigt und gebaut werden können.“

Die Vertreter der Windbranche forderten nach dem Treffen mit Altmaier ein „Signal des Aufbruchs“ von der Bundesregierung. Es brauche einen klaren Plan zum Abbau von Genehmigungshemmnissen, erklärten der Bundesverband Windenergie, die IG Metall und der Maschinenbauverband VDMA auf dpa-Anfrage. Bund und Länder sollten kurzfristig Bund-Länder-Vereinbarungen in den drängenden Fragen von Genehmigungsbeschleunigung und Artenschutz auf den Weg bringen.

Bürgerinitiativen kritisierten den geplanten Mindestabstand von 1000 Metern als zu gering. In einem offenen Brief an Altmaier schrieb die Initiative „Rettet Brandenburg“, die Lärm- und Infraschallemissionen der Windkraftanlagen mit neuen Höhen von 250 bis 300 Meter machten viele Menschen und Tiere krank, wenn die Abstände nicht mindestens das 10-fache der Höhe betragen würden.

Die schärfste Abstandsregelung in Deutschland gilt in Bayern mit der sogenannten 10-H-Regelung - demnach muss der Abstand eines Windrades von Wohnsiedlungen mindestens zehn Mal so weit sein wie die Anlage hoch ist. Bei einer Höhe der Anlage von 200 Metern zum Beispiel wären das 2 Kilometer.

Das Wirtschaftsministerium erklärte, es wolle eine starke und leistungsfähige Windindustrie in Deutschland. Arbeitsplätze müssten erhalten werden. Daher sei entscheidend, dass der vom Ministerium Anfang Oktober vorgelegte Arbeitsplan Wind umgesetzt werde. „Hierbei sind alle Akteure gefordert: die Länder bei der Beschleunigung der Genehmigungsverfahren wie auch das Bundesumweltministerium beim Naturschutzrecht. Jetzt ist entscheidend, dass alle an einem Strang ziehen und die Maßnahmen in die Tat umsetzen.“

Der Plan sieht unter anderem vor, Genehmigungsverfahren zu beschleunigen. Außerdem etwa sollen Kommunen stärker am Betrieb von Windrädern beteiligt werden, um die Akzeptanz zu stärken.