Schmackhafte Erdbeeren sowie Kirschen, Spargel und Co. bietet die Familie Schaaf auch an ihrem Stand in der Sulzbacher Straße in Backnang an. Foto: Alexander Becher
Von Bernhard Romanowski
Rems-Murr. Auf einen der schönsten Genüsse der Sommerzeit muss man auch in diesem Jahr nicht verzichten. Die Erdbeerernte hierzulande ist zwar nicht rekordverdächtig, doch das warme Wetter und der relativ geringe Regen spielen den Landwirten in diesem Segment in die Karten. Wehklagen hört man derzeit aber von den Landwirten, die auf die Belieferung der großen Supermarktketten spezialisiert sind. Die Situation am Markt ist schwierig. In den Supermärkten und Discountern müssen die Früchte möglichst eine bestimmte Größe haben, wobei der Geschmack eher nachrangig ist. Das Angebot aus Spanien oder Marokko ist groß und vor allem billiger als die Erzeugnisse der deutschen Bauern. Doch dieser Schuh drückt zum Beispiel Johannes und Matthias Schaaf nicht. Die Brüder haben wie viele andere Landwirte in der Region schon vor einigen Jahren auf die Selbstvermarktung gesetzt. Die Kunden, die bei ihnen einkaufen, wollen vor allem eins: beste Qualität in Form von echtem Erdbeergeschmack.
Im Hofladen in Allmersbach am Weinberg oder an Verkaufsständen entlang der großen Straßen, so auch an der Sulzbacher Straße in Backnang, verkaufen sie vorwiegend ihre eigenen Früchte, die sie mit den Kräften der Familie und vier Mitarbeitern heranziehen und ernten. Johannes Schaaf spricht von einer normalen Erdbeerernte, die sie dieses Jahr eingefahren haben. „Es gab zwar einen leichten Hagel, als sie noch grün waren. Aber das hat sich verwachsen und keine nennenswerten Schäden hinterlassen“, so der Obstbauer.
Die Schaafs arbeiten schon seit Jahren auch mit einigen landwirtschaftlichen Produzenten zusammen, denen sie vertrauen und die für die vielfältige Palette im Hofladen und an den Ständen sorgen. Das wissen auch die Kunden zu schätzen, von denen viele schon seit Jahren bei ihnen einkaufen. Dass aufgrund der krisengebeutelten Zeit und der Ungewissheit in Verbindung mit dem Ukrainekrieg weniger gekauft würde, wie mancherorts berichtet wird, können die Schaafs nicht unbedingt unterstreichen. Mag sein, dass manche Leute ein Körbchen Erdbeeren weniger kaufen als sie es sonst tun würden. Die Zurückhaltung der Kundschaft sei aber insgesamt eher geringfügig, so die Erfahrung der Brüder.
Matthias Schaaf hat zum Beginn der Saison nun auch einen Obstverkaufsstand mit Bezahlautomat in Kleinaspach eingerichtet. Der wird offenbar sehr gut angenommen. Das ist aber nicht als zukunftsträchtiges Modell des Obstverkaufs gedacht. „Er macht das für die Leute, weil er selber dort wohnt“, erklärt sein Bruder Johannes. Von einer personelle Kosteneinsparung könne keine Rede sein, weil auch ein solcher Stand nicht ohne die notwendige Manpower machbar ist. Und was die Kosten für Pflanzenschutz und Energie angeht, so schlage die aktuelle Weltlage mit ihren Lieferschwierigkeiten dann doch auch bei den regionalen Erzeugern durch. Der Dünger etwa sei in den vergangenen Monaten um mehr als das Vierfache im Preis gestiegen.
„Wir haben viel reingesteckt, was sich jetzt auch auszahlt“, bringt Christian Melzheimer vom Obsthof Eisenmann in Rielingshausen die Saison für sein Unternehmen auf den Punkt. Das Unternehmen hat einen Hofladen und 19 Verkaufsstände und hat über Jahre in Sorten, in geschützten Anbau und in Personal investiert. Bei Eisenmann arbeitet man mit verschiedenen Sorten, die sich nach Witterungsverhalten und Reifezeitpunkt unterscheiden.
„Es gibt immer wieder einige Regentage, das ist Gift für die Erdbeeren“, sagt Melzheimer. „Das Verhexte ist: Wenn die Erdbeeren durch Regen oder gar Hagel beschädigt werden, sieht man das auch mit kundigem Auge nicht sofort. Wenn sie dann in der Schale liegen, werden die Schadstellen innerhalb weniger Stunden matschig und dann sieht es so aus, als würden wir faule Ware verkaufen wollen.“ Durch die heimischen Sorten setzen sich die Selbstvermarkter von der Massenware ab. Sie sind intensiver in Geruch und Geschmack. „Und nicht aufgepumpt durch Dauerstrahlung“, wie Melzheimer die auf Masse angelegte Produktionsweise in den südlichen Ländern beschreibt. „Wir lassen die Kunden am Stand gerne probieren, bevor sie kaufen. Dann kriegen wir sofort eine Rückmeldung Das ist dann fair für beide Seiten.“
Das bedeutet freilich auch einen höheren Preis, denn die Produktionskosten der Selbsterzeuger seien alles andere als gering. Wenn nun die jüngste Steigerung des Mindestlohns durchschlage, würden die Kunden das bald merken.
Bevor die Leute zum Erdbeerpflücken gehen, kaufen sie eher die billige Ware
Aber der Genussfaktor und der ökologische Aspekt habe für die Kunden der Selbsterzeuger eben eine höheren Stellenwert. Melzheimer sieht die Massenware aber nicht durchweg negativ. „Solche Erdbeeren schneiden sich wie Äpfel und sind gut für einen Erdbeerenkuchen, der länger halten soll.“ Fragt man indessen Helmut Bleher, wie die Marktsituation der Landwirte sich darstellt, so zeichnet er ein eher weniger rosiges Bild. „Auch in unserer Region ist die Nachfrage nach höherwertigen Lebensmitteln wie zum Beispiel Erdbeeren, Spargel, aber auch Rindfleisch und insgesamt das Biosegment eingebrochen. Unsere Erzeuger haben mehr Schwierigkeiten, Erdbeeren und Spargel zu vermarkten“, sagt er als Geschäftsführer des Bauernverbands Schwäbisch Hall–Hohenlohe–Rems. Aufgrund der Inflationsängste seien europaweit Luxusgütern – wie eben Erdbeeren und Spargel im Lebensmittelbereich – deutlich weniger nachgefragt. Angebotsüberhänge überwiegend aus Spanien, aber auch aus Polen träfen auf das Angebot der regionalen Erzeuger und würden hier bei uns zum Teil um ein Drittel des Preises heimischer Ware angeboten. Bleher: „Im Supermarkt entscheidet sich der Kunde für das billigere Produkt, vor allem wenn derartig eklatante Preisdifferenzen bestehen.“ Der Preis des Produkts im Erdbeer- wie auch im Spargelbereich werde überwiegend durch die Pflück- und Pflegekosten bestimmt. Wenn ein Landwirt befürchten müsse, dass er geerntete Ware nicht verkaufen kann, bleibe ihm zur Vermeidung dramatischer Verluste nur der Verzicht, Erntearbeiten ausführen zu lassen, so Bleher weiter. „Er kann sich damit die Löhne einsparen, hat aber trotzdem erheblichen Verlust. Was sollen Landwirte in einer solchen Situation machen?“
Um die Ernte im nächsten Jahr wieder zu sichern, müssen die Landwirte ackerbauliche Maßnahmen im reifen Bestand treffen, wie der Verbandsgeschäftsführer das nennt. „Dabei werden zwar die Früchte vernichtet – die Erdbeeren durch Mulchen, der Spargel durch Auswachsen , was ihn ungenießbar werden lässt. Aber letztlich bleibt ja keine andere Möglichkeit.“ Den Unmut der Bevölkerung über „Vernichtungsaktionen“ kann Bleher zwar nachvollziehen. Er sei aber durch fehlende Information verursacht. Ungepflückte Erdbeeren auf dem Feld und nicht gestochener Spargel könnten eben nicht einfach an Tafelläden gespendet werden, so der Funktionär.
Kommunikation und Kundenpflege ist die Chance der regionalen Erzeuger
Manche Landwirte führen in kleinem Umfang Selbstwerbeaktionen bei Erdbeeren wieder ein, weiß Bleher. Hier sei in den letzten Jahrzehnten aber eine rückläufige Tendenz beobachtbar, weil die professionell gepflückten Erdbeeren für die allermeisten Verbraucher so erschwinglich gewesen seien, dass sie die Mühe, selber zu ernten, nicht mehr auf sich nehmen wollten. „Dies ist ja heute auch noch so: Bevor jemand freiwillig zum Erdbeerpflücken geht, kauft er die spanische Alternative zum Billigstpreis und trägt letztlich zur Vernichtung der Erdbeeren auf unseren Feldern bei“, meint Bleher.
Auch im Rems-Murr-Kreis bestehe gegenüber den viel größeren Betriebskonstellationen in Norddeutschland teilweise der Vorteil, dass lang gepflegte Kundschaft bei den direkt vermarktenden Betrieben auch Preiserhöhungen akzeptiere. Bleher: „Letztlich ist dies die einzige Chance für unsere Betriebe: Kommunikation mit dem Kunden und Bindung durch nachvollziehbare und höchste Qualität.“