Erlacher Höhe investiert 2,3 Millionen Euro

Therapeutische Wohngemeinschaft Backnang wird modernisiert und erweitert – Neubau mit sieben Zimmern und acht Apartments

Die Erlacher Höhe möchte ihre therapeutische Wohngemeinschaft (TWG) Backnang in der Eichendorffstraße 4 modernisieren und großzügig erweitern. Sanierung und Neubau verschlingen 2,3 Millionen Euro. Im dreigeschossigen Neubau sollen unter anderem sieben Bewohnerzimmer samt Beratungs- und Verwaltungsräumen unterkommen. Im ersten und zweiten Obergeschoss entstehen zudem Apartments.

Erlacher Höhe investiert 2,3 Millionen Euro

Noch liegt die Baugenehmigung für den Neubau nicht vor, da ein Nachbar Einwände geltend macht. Visualisierung: Planungsbüro Wieland

Von Matthias Nothstein

BACKNANG. Gleich zwei Argumente gibt es für die Erlacher Höhe, jetzt den Neubau neben dem Stadtfriedhof an der Ecke Weissacher Straße/Eichendorffstraße anzugehen. Zum einen braucht die diakonische Einrichtung selbst neue Räume, weil der Mietvertrag für die TWG-Filiale des Backnanger Standorts in der Stuttgarter Straße 72 demnächst ausläuft. Und zum anderen kann die Einrichtung so selbst bezahlbaren Wohnraum schaffen und dem Markt zur Verfügung stellen, am liebsten für das der Erlacher Höhe bestens bekannte Klientel.

Im Haus Stuttgarter Straße 72 sind derzeit mehrere Beratungsräume und Büros untergebracht. Zudem gibt es TWG-Zimmer für vier Personen. Für all diese Räume muss Ersatz her. Wenn aber die TWG im bisherigen Haus Eichendorffstraße saniert wird, finden auch dort weniger Menschen ein Zuhause, da die bisherigen Zimmer viel zu klein sind und nach den Vorgaben der Landesheimordnung umgebaut und vergrößert werden müssen. Unterm Strich gibt es so einen Bedarf für sieben neue Zimmer. Diese sollen im Erdgeschoss des neuen An- beziehungsweise Neubaus entstehen.

Weil auch im Rems-Murr-Kreis verfügbare und bezahlbare Mietwohnungen extrem knapp sind, steht die Erlacher Höhe seit vielen Jahren vor einem weiteren Problem. Immer wieder könnten Bewohner der TWG nach einiger Zeit der Betreuung eigentlich ausziehen und Platz machen für neue Bedürftige, aber sie finden keine Wohnung. Dadurch verzögert sich ihr Auszug. Vor Jahren schon hat die Erlacher Höhe deshalb geplant, selbst Wohnungen anzukaufen und dann zu vermieten.

Dies scheiterte bislang trotz vieler Versuche. Wolfgang Sartorius, geschäftsführender Vorstand der Erlacher Höhe, sagt dazu: „Wir haben lange, lange gesucht, aber keine geeigneten Angebote gefunden. Das heißt nicht, dass uns nichts angeboten wurde. Aber die Objekte waren entweder zu teuer oder in einem abbruchreifen Zustand. Oder es steckte eine (Neben-)Kostenfalle in ihnen, dass also die Heizkosten eine riesige Lücke in das Budget der künftigen Mieter fressen würden, weil das Dach nicht isoliert und die Wände zu dünn und die Fenster zu schlecht waren.“ Über die Spendenaktion „BKZ-Leser helfen“ erhielt Sartorius bereits 2017 eben zu diesem Plan, eigene Wohnungen zu kaufen, einen Zuschuss in Höhe von 10000 Euro. Nun plant er, das bislang noch nicht investierte Geld für dieses Projekt einzusetzen. Es sei denn, ihm wird doch noch eine kleine Wohnung im angemessenen Preis-Leistungs-Verhältnis angeboten.

Die Wohnungen im ersten Obergeschoss würden die erforderlichen Bedingungen erfüllen. Sie sind zwischen 27 und 55 Quadratmeter groß und für ein oder zwei Personen geeignet. Die Wohnungen sollen mit Menschen belegt werden, die ambulante Hilfe im betreuten Wohnen erhalten. Zur Sicherstellung der Beratung ist für das Wohnprojekt ein Beratungsbüro und ein Gemeinschaftsraum vorgesehen.

Die vier Apartments im zweiten Obergeschoss sollen für andere Zielgruppen genutzt werden. Dies können Menschen mit Behinderung, Alleinerziehende mit Kind oder ältere, alleinstehende Menschen sein. Sartorius: „Wir denken an solche Menschen, die Schwierigkeiten haben, am regulären Markt eine bezahlbare Wohnung zu finden und darüber hinaus auch noch Hilfebedarf haben.“

Alle Apartments werden über Laubengänge erschlossen und haben separate Eingangsbereiche. Sie sind in sich geschlossen und bieten alle erforderlichen Möglichkeiten für selbstbestimmtes Wohnen an. Ein Garten auf der straßenabgewandten Seite bietet zudem beste Aufenthaltsmöglichkeiten.

Ginge es nach dem Erlacher-Höhe-Chef, so würden die Bagger längst rollen. Doch bis heute wartet er auf die Baugenehmigung der Stadt Backnang. Hintergrund ist, dass ein Nachbar Einspruch eingelegt hat. Wolfgang Sartorius: „Wir bedauern das sehr, aber es ist uns nicht fremd. Es passiert immer wieder, dass soziale Einrichtungen, die ein Gemeinwesen bauen oder modernisieren möchten, über das Thema Baurecht torpediert werden. Unsere Erfahrung ist aber auch, dass nach einiger Zeit gutnachbarschaftliche Beziehungen entstehen, auch wenn der Anfang schwierig war.“

Helmut Wagner, der Leiter des Backnanger Baurechtsamts, bestätigt die umfangreichen Einwendungen des Nachbarn. Er hat diese mit der Bitte um eine Stellungnahme an den Bauherrn und den Architekten weitergeleitet. Laut Wagner moniert der Nachbar, dass das Klientel, das künftig im Neubau untergebracht werden soll, „unzumutbar“ sei. Wagner kündigt an, sobald die Stellungnahmen vorliegen, werden die Argumente gegeneinander abgewogen. Dann werde alles geprüft und eine Entscheidung gefällt.

Erlacher Höhe investiert 2,3 Millionen Euro

„Es passiert immer wieder, dass soziale Projekte über das Thema Baurecht torpediert werden.“

Wolfgang Sartorius,

Vorstand der Erlacher Höhe

Info
Therapeutische Wohngemeinschaften

Die sozialtherapeutischen Hilfen sind ein bewährtes Therapiekonzept der Erlacher Höhe für psychisch und suchtkranke Menschen. Konkret gibt es die stationäre Therapieeinrichtung „Helle Platte“ in Großerlach-Erlach (35 Plätze) und die teilstationären therapeutischen Wohngemeinschaften (TWG) Murrhardt (25 Plätze) und Backnang.

Die TWG Backnang ist 1978 in der Eichendorffstraße 4 in Betrieb gegangen und bietet 21 Plätze an. Die Wohnplätze sind derzeit verteilt auf drei Gebäude. Im Haus Eichendorffstraße 4 können 14 Bewohner untergebracht werden. Im angemieteten Haus Stuttgarter Straße 72 sind vier Bewohner untergebracht. Im Heininger Weg 18 befindet sich eine Mietwohnung mit drei Plätzen, speziell für Frauen.

Alle Gebäude der TWG sind zwischenzeitlich sehr in die Jahre gekommen und weisen erheblichen Sanierungsbedarf auf. Bei der Hellen Platte in Erlach und der TWG in Murrhardt sind die Modernisierungsmaßnahmen abschnittsweise in vollem Gange.

Der Modernisierungsplan für die TWG Backnang sieht die grundlegende Sanierung des Hauses Eichendorffstraße 4 und einen Neubau im eigenen Garten vor.

Die Gesamtkosten für Sanierung und Neubau belaufen sich auf 2,3 Millionen Euro, davon entfallen für das Mittelgeschoss des Neubaus etwa 425000 Euro. Der Kommunalverband Jugend und Soziales (KVJS) hat das Projekt grundsätzlich befürwortet. Mit einem Förderbescheid rechnet Sartorius im Herbst. Er ist die Voraussetzung für die Ausschreibung des Projekts. Zusammen mit der Landesförderung rechnet er mit einem Zuschuss in Höhe von 50 Prozent, allerdings nur für die förderfähigen Kosten. Um wie viel es sich dabei handelt, kann Sartorius zum derzeitigen Zeitpunkt nicht sagen.