Ermittler fassen falsche Polizisten

Trickbetrüger-Bande soll ältere Leute um eine halbe Million Euro gebracht haben

Von Carola Fuchs

KriminalitätNach monatelanger Recherche hat die Heilbronner Polizei 20 mutmaßliche Mitglieder einer Bande von überregional agierenden Trickbetrügern ausgehoben.

Heilbronn Die Anrufe kamen vor allem nachts: „Hier spricht die Polizei, wir haben Hinweise darauf, dass bei Ihnen eingebrochen werden soll. Haben Sie Bargeld oder Schmuck zu Hause?“ Wer darauf mit Ja antwortete, den hatten die mutmaßlichen Mitglieder einer Bande von Betrügern am Haken. Und sie ließen ihr Opfer so lange nicht wieder los, bis es machte, was sie wollten: ihnen in einer Nacht-und-Nebel-Aktion sein Vermögen auszuhändigen.

20 Mitglieder dieser Bande hat nun die Heilbronner Kriminalpolizei nach monatelanger Recherche am Wickel. Sie sollen seit Oktober zwölf älteren Menschen insgesamt 500 000 Euro abgeknöpft haben. Die Gruppe soll in Heidelberg, Heilbronn, Karlsruhe, Ludwigsburg, Mannheim, Pforzheim, Speyer, Sinsheim und den Kreisen Hohenlohe und Bergstraße (Hessen) ihr Unwesen getrieben haben. 150 000 Euro der Beute konnte die Polizei sicherstellen.

Drei mutmaßliche Täter, ein 20-Jähriger aus dem hessischen Viernheim, den die Polizei für einen der Strippenzieher der Gruppe hält, ein 23-Jähriger und eine ­19-Jährige sitzen in Untersuchungshaft. Zwei weitere wurden gegen Auflagen entlassen, einer ist noch auf der Flucht. Die 14 anderen halten sich teils in der Türkei auf. Die dortigen Behörden werden nun mit dem Fall betraut. Die Heilbronner Kripo hatte im Oktober eine siebenköpfige Ermittlungsgruppe eingesetzt. Denn Telefonbetrügereien boomen. Kriminelle geben sich dabei immer häufiger als Polizisten aus.

In Baden-Württemberg sind 2017 noch 1955 solcher Fälle angezeigt worden. 112-mal überzeugten die Täter ihre Opfer und nahmen ihnen mehr als fünf Millionen Euro ab. Doch in den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres wurden mehr als 5000 Versuche aktenkundig. Allein im Bereich der Heilbronner Polizei, dem flächenmäßig größten im Land, wurden in dieser Zeit 600 Abzockversuche registriert. „Wir haben das Thema zum operativen und präventiven Schwerpunkt gemacht“, sagt der Polizeipräsident Hans Becker. Diese Taten seien nicht nur sehr sozialschädlich, weil vor allem Ältere um ihr Erspartes gebracht würden. Auch das Vertrauen der Bevölkerung in die Polizei leide. „Wir müssen uns mittlerweile drei-, viermal ausweisen, bis uns die Leute ins Haus lassen“, so Becker.

Die Bande sei sehr professionell vorgegangen. Telefonbücher wurden auf Namen durchsucht, die vermutlich zu älteren Leuten gehörten, berichtet Thomas Schöllhammer, der Leiter der Kriminaldirektion. Auf dem Display der Opfer erschien zwar die Notrufnummer 110. Tatsächlich riefen die mutmaßlichen Täter von Callcentern in der Türkei aus an. Und sie bearbeiteten ihre verunsicherten Opfer teils über mehrere Stunden hinweg, bis sie ihnen weisgemacht hatten, dass ihr Geld nicht auf der Bank und auch nicht unter der Matratze sicher sei, sondern nur bei den Anrufern.

Die Ermittler recherchierten zuletzt ohne Pause. In der Nacht zum Mittwoch mehrten sich Hinweise, wonach die Bande einer 72-Jährigen aus Viernheim 200 000 Euro an Schmuck, Goldbarren und Geld abgenommen hatte. Die Ermittler folgten dem 20-Jährigen zu einem 23-jährigen Schmuckhändler in Mannheim und fanden die Beute auf dem Tisch.

Sie kamen genau richtig: Das Gerät zum Einschmelzen des Goldes stand schon bereit. Eine Rückverfolgung zum Besitzer wäre dann unmöglich gewesen.https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.betrug-in-stuttgart-neue-welle-falsche-polizisten-rufen-an.cc783275-0936-4024-94af-4c25271f7e64.html