Beim zweiten Kind entscheidet sich eine Stuttgarterin bewusst ohne medizinischen Grund für einen Kaiserschnitt – und erlebt in der Frauenklinik eine glückliche Geburt.
Verschiedene Wege führen zum Mutterglück (Symbolfoto)
Von Carolin Klinger
Die Geburt ihres zweiten Kindes hat Mia Brand (Name geändert) in schöner Erinnerung. „Ich war zwar vorher angespannt, aber ab dem Moment, als mein Sohn da war, war alles gut“, sagt sie. Ganz anders sei das Gefühl bei der Geburt ihres ersten Kindes gewesen, die sie als „Horror“ empfunden hatte. Der Unterschied? Ihr zweites Kind bekam die Stuttgarterin mit einem geplanten Kaiserschnitt – auf persönlichen Wunsch. Für sie war das der Weg, der sich richtig anfühlte: „Es ging mir darum, selbstbestimmt in die Geburt zu gehen.“
Dabei wäre es für die 39-Jährige während ihrer ersten Schwangerschaft noch nicht in Frage gekommen, sich freiwillig für eine Sectio – so der medizinische Begriff für Kaiserschnitt – zu entscheiden. Eine vaginale Geburt, die häufig als natürliche oder normale Geburt bezeichnet wird, schien ihr am sinnvollsten für Mutter und Kind zu sein. Sie wusste, dass ein Kaiserschnitt wie jede andere Operation gewisse Risiken birgt, dass der Heilungsprozess im Vergleich zur vaginalen Geburt meist länger dauert und dass das Kind größere Anpassungsschwierigkeiten haben könnte. „Im Nachhinein habe ich mich aber gefragt: War das wirklich meine Meinung, oder habe ich sie von der Gesellschaft übernommen?“
Vorteile der vaginalen Geburt werden gepriesen
Ob im Freundeskreis, in den sozialen Netzwerken oder auch in Geburtsvorbereitungskursen – überall werden die Vorteile der vaginalen Geburt gepriesen. Gleichzeitig kam es Mia Brand so vor, als werde der Kaiserschnitt verteufelt und sei nur als eine Option im absoluten Notfall zulässig. „Im Geburtsvorbereitungskurs wurde das Thema Kaiserschnitt von der Hebamme zum Beispiel nur kurz gestreift, versehen mit dem Zusatz ‚Ich hoffe für euch, dass es nicht dazu kommt’“, erinnert sie sich.
„Wenn eine Frau aus weltanschaulichen Gründen zu etwas gedrängt wird, das sie nicht will, ist das falsch“, sagt Ulrich Karck, Ärztlicher Direktor der Frauenklinik am Klinikum Stuttgart. Da bei ihm eine frauenorientierte Geburtshilfe praktiziert werde, gehe es in erster Linie darum, den werdenden Müttern zuzuhören. Wünscht sich eine Frau einen Kaiserschnitt, ohne dass eine medizinische Indikation vorliegt, werde mit ihr zunächst ein offenes Gespräch über die Vor- und Nachteile geführt. „Wenn man sich zum Beispiel eine Handballmannschaft an Kindern wünscht, wäre ein Wunschkaiserschnitt beim ersten Kind die falsche Wahl“, erklärt Karck. Hält die Frau jedoch nach dem Gespräch an ihrem Wunsch fest, „setzen wir das ohne Wenn und Aber um“.
Wunschkaiserschnitte sind erst seit Anfang der 2000er Jahre möglich
Während es vor 30 Jahren noch gar nicht möglich war, eine Sectio auf Wunsch zu bekommen, können Frauen in Deutschland seit Anfang der 2000er Jahre auch aus psychischen, sozialen oder persönlichen Gründen ihr Kind per Kaiserschnitt bekommen. Die Krankenkassen übernehmen die Kosten. Manfred Hofmann, Ärztlicher Direktor in der Gynäkologie des Stuttgarter Marienhospitals, findet es richtig, dass den Frauen dieses Recht zugestanden wird. Denn geplante Kaiserschnitte haben auch Vorteile gegenüber der vaginalen Geburt. So gibt es beispielsweise ein geringeres Risiko für Notfallsituationen während der Geburt und das Risiko für Beckenbodenschäden bei den Frauen ist ebenfalls geringer. „Außerdem dauert so eine Operation normalerweise zwischen 20 und 25 Minuten. Das ist natürlich auch viel überschaubarer als bei einer Spontangeburt“, sagt Hofmann. Die Kaiserschnitt-Rate hat sich laut Erhebungen der AOK insgesamt in Stuttgart in den vergangenen zehn Jahren von 37 Prozent auf 42 Prozent erhöht. Davon ist die Quote der geplanten Kaiserschnitte nur minimal von 92 auf 93 Prozent gestiegen. Etwa die Hälfte der geplanten Kaiserschnitte sind elektive Kaiserschnitte, also Wunschkaiserschnitte ohne medizinische Notwendigkeit, schätzt Hofmann.
Keine Freude nach der Geburt
Für Mia Brand war vor allem die Erinnerung an die Geburt ihres ersten Kindes ausschlaggebend für ihre Entscheidung: Erst die stundenlangen, intensiven Wehen, ohne dass sich der Muttermund öffnete. Als dann die Herztöne des Babys schlechter wurden, kam die Entscheidung zum Kaiserschnitt. „Ich wollte irgendwann nur noch, dass das ein Ende nimmt“, so die Stuttgarterin.
Nach der Geburt konnte sie zunächst keine Freude empfinden. Sie haderte anfangs mit dem ungeplanten Kaiserschnitt und hatte das Gefühl, versagt zu haben. Auch Manfred Hofmann erlebt bei seiner Arbeit im Marienhospital immer wieder, dass Frauen, deren Spontangeburt unterbrochen werden musste, im Nachhinein enttäuscht sind: „Deshalb bietet unser Geburtshilfeteam den Frauen ein Gespräch an, um bei Fragen und Zweifeln aufzuklären.“ Auch seinem Kollegen Ulrich Karck vom Klinikum ist es wichtig, den Patientinnen zu zeigen: „Jede Frau hat bei einer Geburt eine besondere Leistung erbracht.“
Bei Mia Brand kam dieses Vorgehen positiv an, als sie mit ihrer Entscheidung für einen Wunschkaiserschnitt in die Frauenklinik gekommen ist: „Das Schöne war, dass man mich nicht verurteilt hat.“ Generell würde sie sich wünschen, dass werdende Mütter völlig wertfrei über beide Möglichkeiten der Geburt aufgeklärt würden. Dann hätte sie vielleicht schon während ihrer ersten Schwangerschaft erkannt, dass der Kaiserschnitt für sie die bessere Wahl ist.