Erstes Verbot von Reichsbürger-Gruppe: Razzien im Südwesten

dpa/lsw Karlsruhe. Ihre Ideologie ist ein Mix aus Esoterischem, Rassismus und einem Hang zum „Germanischen“ - harmlose Spinner sind es nicht. Eine Gruppe von Reichsbürgern wurde nun verboten. Auch im Südwesten hat sie Anhänger.

Bei den Razzien gegen eine Gruppierung der Reichsbürger gab es auch Durchsuchungen in Baden. Nach Angaben des Stuttgarter Innenministeriums wurden am Donnerstag seit den frühen Morgenstunden vier Gebäude in den Kreisen Karlsruhe, Freudenstadt und Breisgau-Hochschwarzwald sowie im Rhein-Neckar-Kreis durchsucht. Dabei wurde Vereinsvermögen beschlagnahmt. Unter anderem wurden gefälschte Dokumente, Handys, Laptops und Vereinsmaterial sichergestellt, wie das baden-württembergische Innenministerium mitteilte. Festnahmen gab es zunächst nicht. Unter der Leitung des Polizeipräsidiums Karlsruhe waren etwa 60 Beamte im Einsatz.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte zuvor den Verein „Geeinte deutsche Völker und Stämme“ verboten. Durchsuchungen gab seit den frühen Morgenstunden in Wohnungen führender Mitglieder des Vereins und seiner Teilorganisation „Osnabrücker Landmark“ in zehn Bundesländern: neben Baden-Württemberg in Berlin, Brandenburg, Bayern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Sachsen und Thüringen.

Das Stuttgarter Innenministerium ordnet dem Verein in Baden-Württemberg eine „geringe zweistellige Mitgliederzahl“ zu. Schwerpunkt der Aktivitäten sei der Regierungsbezirk Karlsruhe gewesen.

„Gemeinsam gehen wir konsequent gegen verfassungsfeindliche Organisationen vor, die die Existenz und Legitimität der Bundesrepublik Deutschland bestreiten und ihre Institutionen und Amtsträger bedrohen“, begründete Innenminister Thomas Strobl (CDU) den Einsatz. Die Pforzheimer SPD-Bundestagsabgeordnete Katja Mast sagte: „Gut, dass diese Gruppe gestoppt wurde.“ Rechtsextremismus sei die größte Bedrohung für die Demokratie - das müsse nach den furchtbaren Attentaten von Halle und Hanau allen klar sein.

Im Südwesten gibt es nach Angaben des Ministeriums rund 3200 Reichsbürger und sogenannte Selbstverwalter. 130 Menschen werden dem gewaltorientierten Spektrum zugerechnet, 95 seien zugleich Rechtsextremisten. Insgesamt handle es sich um eine „sehr heterogene Gruppe“. Ihre Ideologie ist ein Mix aus Esoterischem, Rassismus und einer Begeisterung für das „Germanische“. Sie zweifeln die Legitimität der Bundesrepublik Deutschland an und erkennen Gesetze und Behörden nicht an. Teils wehren sie sich gewaltsam gegen staatliche Maßnahmen. Bundesweit gibt es nach Angaben des Verfassungsschutzes rund 19 000 Mitglieder dieser Szene, deren Mitglieder als waffenaffin gelten.

Der Verein „Geeinte deutsche Völker und Stämme“ sei seit 2016 im Internet präsent, seit 2017 seien die Mitglieder auch öffentlich aufgetreten, teilte das Stuttgarter Ministerium mit. Demnach teilt der Verein die Anschauung der Reichsbürger und Selbstverwalter, die die Bundesrepublik als Firmenkonstrukt ansehen, aus dem man austreten könne. Staatliche Institutionen erkennt die Vereinigung nicht an.

Die Mitglieder des Vereins „bringen durch Rassismus, Antisemitismus und Geschichtsrevisionismus ihre Intoleranz gegenüber der Demokratie deutlich zum Ausdruck“, hieß es aus dem Bundesinnenministerium. In den vergangenen Jahren sei die Gruppierung unter anderem durch „verbalaggressive Schreiben“ aufgefallen. Darin sei den Adressaten „Inhaftierung“ und „Sippenhaft“ angedroht worden. Das „Höchste Gericht“ der Gruppe drohte Regierungsmitgliedern mit Klagen wegen der „Zersetzung hoheitlicher Staatlichkeit“.