Bundeskanzler Friedrich Merz zeigt sich im ZDF genervt über Fragen nach Steuererhöhungen und sieht eine Trendwende in der Wirtschaft.
Im ZDF-Sommerinterview zeigte sich Friedrich Merz optimistisch – reagierte aber gereizt auf Kritik.
Von Christoph Link
In der letzten Ausgabe der Sommerinterviews des ZDF war Kanzler Friedrich Merz (CDU) an der Reihe, und wie es so seine Art ist, verbreitete er Optimismus und rüffelte zumindest zweimal in der nur 20 Minuten dauernden Sendung seine Interviewpartnerin Diana Zimmermann für deren Gesprächsführung, sobald die kritisch ausfiel.
Auf den Tag genau vor zehn Jahren hatte die damalige Kanzlerin Angela Merkel (CDU) den Satz „Wir schaffen das“ zur Migration fallen lassen und darauf am Beginn des Interviews angesprochen, sagte Merz, dass er sich viele Jahre lang zurückgehalten habe mit politischen Äußerungen. Aber in den vergangenen vier Monaten habe seine Regierung viele in den vergangenen zehn Jahren entstandenen Probleme „zum Teil“ gelöst, etwa durch eine Wende in der Migrationspolitik. Gleichwohl seien „viele Dinge noch nicht geschafft“.
Angesprochen von Diana Zimmermann auf den von Merz avisierten „Herbst der Reformen“, wie der denn passieren solle, da es doch „an allen Ecken und Enden clasht in der Koalition“, etwa bei der SPD-Forderung nach Steuererhöhungen, reagierte Merz energisch: „Es clasht nicht in der Koalition. Dass einige Dinge zurecht gerüttelt werden müssen, das ist normal.“
Die Koalition suche nicht, was sie trenne, sondern das, was sich gemeinsam verantwortlich reagieren lasse. Was die Steuererhöhungen betreffe, so seien die im Koalitionsvertrag nicht vorgesehen und er und Markus Söder (CSU) hätten niemals einen Vertrag unterschrieben, der sie enthalten hätte. Eine Meinungsänderung habe er aber doch beispielsweise in der Frage der Neuverschuldung – die er zwei Tage vor der Bundestagswahl ausgeschlossen hatte – schon einmal vollzogen, entgegnete Zimmermann, warum nicht jetzt bei der Steuerfrage?
Merz erklärte seinen damaligen Schwenk mit der „dramatischen Lage“, denn hätte Deutschland damals dem Fünf-Prozent-Ziel für die Verteidigung nicht zugestimmt, „wäre die Nato wohl auseinandergefallen“. Weiteres Nachfragen nach Steuererhöhungen verbat sich Merz dann mit dem Hinweis, dass sie, Zimmermann, diese Frage jetzt zum dritten Mal stelle.
Weiter ging es mit der Sozialpolitik und dem oft zitierten Hinweis von Merz, Deutschland müsse effizienter arbeiten und der Anmerkung von Zimmermann, wie das denn zusammenpasse mit der Rentengarantie und der Mütterrente. Auf ihre Frage, ob er denn für die Rente mit 70 sei, ließ Merz sich in seiner Antwort nicht festnageln. Die Regierung habe den Weg geöffnet für die Aktivrente, ein Angebot für Ältere, auch im Rentendasein länger zu arbeiten mit einem Steuerfreibetrag von 2000 Euro und es sei doch unglaublich, dass es ein „Vorbeschäftigungsverbot“ gegeben habe, wonach Rentner nicht beim alten Arbeitgeber weiter beschäftigt werden durften – auch das werde fallen.
Später in Rente? „Diejenigen, die länger arbeiten können und es wollen, die sollen es tun. Ich setze auf Freiwilligkeit und nicht Regulierung.“ Dass er Deutschland sozialpolitisch im Hintertreffen sieht, daraus macht Merz aber auch keinen Hehl: Man habe europaweit die meisten Fehltage und den höchsten Krankenstand und arbeite im Jahr 200 Stunden weniger als die Schweizer. „Unsere Produktivität ist nicht gestiegen, wir haben die höchsten Arbeitskosten in Europa und müssen effizienter werden.“
Dabei sieht Merz die Wirtschaft – trotz verständlicher Beschwerde des Handwerks, das „lebenslänglich Deutschland gebucht habe“ und nicht auf Exporte ausweichen könne – auf einem guten Weg. Er sehe in der Industrie eine „Trendwende“, der gehe es zum Teil „ganz gut“ und schon 90 Unternehmen – auch aus dem Mittelstand -machten bei der Kampagne „Made for Germany“ mit und hätten Investitionszusagen in Höhe von 600 Milliarden Euro in Deutschland zugesagt: „Wir haben wieder Kapitalzuflüsse.“
Das sagt Merz zur verpatzten Wahl der Verfassungsrichterin
Relativ ungehalten reagierte Merz auf die Analyse von Zimmermann, wonach die Unionsfraktion der Regierung mehrfach die Gefolgschaft verweigert habe. Da gebe es „keinen einzigen Fall“, erwiderte Merz und angesprochen auf die verpatzte Wahl der Verfassungsrichterin Frauke Brosius-Gersdorf meinte er nur, dass es „erhebliche Vorbehalte“ in der Fraktion gegeben habe und deshalb eine neue Wahl geplant sei. Im übrigen sei das eine Sache des Bundestages und auf die Frage, ob er den neuen Kandidatenvorschlag der SPD kenne, wollte Merz weder mit Ja noch mit Nein antworten.
Sehr zurückhaltend waren auch seine Antworten auf Fragen nach Gesprächen mit der Linkspartei, die die Koalition sowohl bei der Richterwahl als auch bei der geplanten Reform der Schuldenbremse für eine Zwei-Drittel-Mehrheit braucht, wenn sie nicht auf AfD-Stimmen angewiesen sein will. Man müsse sich erstmal in der Koalition einigen, danach werde es Gespräche geben. „Dass wir Gespräche mit anderen Fraktionen führen, ist doch normal. Dass tun wir auch im Ältestenrat des Bundestages über Fragen der Tagesordnung mit der AfD und den Linken.“ Allgemein rüffelte Merz die Journalistin Zimmermann dafür, dass sie sich minutenlang mit nebensächlichen innenpolitischen Themen befasse, wobei die Weltpolitik doch wichtiger sei.
Am Ende ging es dann um die Außenpolitik und die Frage, wie man US-Präsident Donald Trump „bei Laune“ hält. Die Diplomatie sei ein langwieriger und mühsamer Prozess, bemerkte Merz, es gehe nicht darum, über Nacht den Hebel umzulegen, aber er habe den Eindruck, dass die neue Regierung mehr Diplomatie geleistet habe als die Vorgängerregierung in drei Jahren. „Wir sind im engen Dialog mit den USA und allen europäischen Regierungen.“ Was die Ukraine anbelange, so sei es Tatsache, dass derzeit niemand über mögliche deutsche Bodentruppen als Teil von Sicherheitsgarantien für das Land spreche.
Priorität sei, dass die Ukraine in der Lage sei, sich selbst zu verteidigen. Wenn es einen Waffenstillstand und ein mögliches Abkommen mit Russland gebe, dann müssten die Eigenständigkeit der Ukraine, ihre Bündnisfreiheit und Freiheit die Leitlinien sein. Was die Dauer des Ukraine-Krieges anbelangte, zeigt sich Merz zum ersten Mal in der Sendung pessimistisch. Ein Krieg ende entweder durch eine militärischen Niederlage einer Partei oder durch die wirtschaftliche oder militärische Erschöpfung einer Partei. Dies sehe er weder in Russland noch bei der Ukraine. „Dieser Krieg kann noch lange dauern.“ Man könne ihn rasch beenden durch eine Kapitulation der Ukraine, doch das sei keine Option.