„Es ist viel mehr Arbeit, als ich dachte“

Die 16-jährige Pariserin Anouchka Feldzer macht ein Praktikum auf dem Bauernhof der Familie Gruber in Sulzbach an der Murr

Für das Großstadtkind Anouchka Feldzer ist das Leben auf dem Bauernhof eine völlig neue Erfahrung. Die 16-jährige Französin hat die Möglichkeit, innerhalb des Programms von „Landleben-live“ den Alltag eines landwirtschaftlichen Betriebs kennenzulernen. Dies tut sie bei Familie Gruber auf dem Bushof.

„Es ist viel mehr Arbeit, als ich dachte“

Zurzeit kümmert sich Anouchka vor allem um das Wohl der Kühe – dazu gehört auch, getrocknete Johannisbeeren in den Boxen der Kühe auszustreuen. Fotos: privat

Von Philip Kearney

SULZBACH AN DER MURR. Schwäbischer Wald statt Paris. Natur und Tiere anstelle von Großstadt und Menschenmengen. Leben auf dem Bauernhof statt in einem Wohnviertel: Die 16-jährige Französin Anouchka Feldzer ist für einen Monat in eine für sie völlig neue Welt eingetaucht. Denn auch in Frankreich war die Pariserin noch nie auf einem Bauernhof.

Während ihres Aufenthalts in Deutschland ist sie auf dem Bauernhof der Familie Gruber untergebracht – im Rahmen des Programmes von „Landleben-live", an dem Anouchka teilnimmt. Sie wohnt nicht nur bei der Familie, sondern packt auch tatkräftig mit an.

Im Grünlandbetrieb der Familie Gruber gibt es stets einiges zu tun. Zurzeit kümmert sich Anouchka vor allem um das Melken der insgesamt 70 Kühe. Dies gestalte sich nicht unkompliziert, wie die Französin selbst feststellen musste. In einem zu großen Teilen geschlossenen Raum, in dem die Temperatur in der Regel um etwa zehn Grad über der Außentemperatur liegt, kommt Anouchka schnell ins Schwitzen. Dazu kommen blutsaugende Fliegen, die sogenannten Wadenstecher, die nicht nur den Melkern, sondern auch deren Kühen den Nerv rauben.

Doch der Alltag von Anouchka ist vielseitiger, als lediglich Kühe zu melken. So war die 16-Jährige etwa beim Dreschen und Heu machen für den Winter dabei. Auch beim Ernten von Honig war sie dabei. Die Geburt eines Kalbes hat sie zudem miterlebt. Außerdem pflegt sie das selbstangebaute Gemüse und hilft bei der Reparatur und dem Abbau des alten Daches mit.

Die Französin lernt während ihres Praktikums Deutsch. Dabei macht ihr vor allem die Grammatik zu schaffen. Neben dem französischen Abitur möchte sie später auch in Deutschland Abitur machen. Grund dafür sind laut Anouchka ihre deutschen Wurzeln.

Auf das Programm von „Landleben-live" ist die Mutter der 16-Jährigen aufmerksam geworden. Anouchka hat sich entschieden, nach Deutschland zu kommen, weil sie eine andere Kultur entdecken und ihre Deutschkenntnisse verbessern möchte. Im Moment, sagt sie, „lerne ich das echte Bauernleben kennen“. Sie fügt hinzu: „In weniger als einer Woche hatte ich mindestens zehn Klischees widerlegt.“ Um dieses Praktikum zu machen, brauche man nicht sehr sportlich zu sein oder flüssig Deutsch zu sprechen, man benötige nur Motivation und Interesse, so die Französin über die erforderlichen Eigenschaften eines Praktikanten.

Bauernhofbesitzerin Ute Gruber nennt Anouchka einen „echten Glücksfall“. Seit 13 Jahren nimmt die Sulzbacherin bereits Jugendliche auf ihrem Bauernhof auf. „Ich stelle mich auf die Leute ein“, sagt Gruber darüber, wie sie es schafft, dass die meisten Jugendlichen über den kompletten vereinbarten Zeitraum auf ihrem Hof bleiben. Dies sei alles andere als selbstverständlich. Gruber legt großen Wert darauf, den Jugendlichen einen authentischen Eindruck von der Landwirtschaft zu vermitteln. Dabei gehöre ein langer Arbeitstag, der früh am Morgen beginnt und inklusive einiger Pausen erst abends endet, dazu.

Anouchka war diesbezüglich zunächst sehr überrascht. „Es ist viel mehr Arbeit, als ich gedacht habe“, so die Französin. Auch Gruber blieb Anouchkas anfänglicher Schock in diesem Zusammenhang nicht unbemerkt. Die Gastmutter begründet den langen Arbeitstag mit den Worten: „Wir leben von, mit und für unsere Tiere.“ Das Leben auf dem Bauernhof bestehe jedoch nicht nur aus Arbeit. Nach Feierabend stehe etwa ein eigenes Schwimmbad zur Verfügung. Die Familie grille oft gemeinsam. Anouchka reite abends gerne mit einem der Pferde dem Sonnenuntergang entgegen. Am Wochenende unternimmt die Familie mit der Jugendlichen Ausflüge.

Auch dank dieser Möglichkeiten fühlt sich Anouchka bei der Familie Gruber mittlerweile pudelwohl und kann daher das Programm nur weiterempfehlen. Später in der Landwirtschaft zu arbeiten kann Anouchka sich allerdings absolut nicht vorstellen.

Trotzdem gewinnt sie dem Beruf des Landwirts einiges Gutes ab: „Ja, es stimmt. Manchmal ist es schwer, man hat keine Lust mehr und ist voll mit Kuhscheiße. Man ist müde und vermisst die Eltern. Aber am Ende bist du so stolz auf dich und hast so viel zu erzählen.“ Dieses Praktikum sei wie ein Traum: „Ich wollte immer wissen, was wirklich am Fuße unserer Gesellschaft passiert“, so lautet Anouchkas Fazit nach etwa zwei Wochen auf einem Bauernhof.

„Es ist viel mehr Arbeit, als ich dachte“

Sicher behütet hat Anouchka auch keine Angst vor den Bienen.