„Es ist wichtig, den Anfängen zu wehren“

Das Interview: Tim Neumann engagiert sich gegen Rechtsextremismus und ist Mitorganisator einer Kundgebung in Backnang

Unter dem Motto „Backnang besser ohne Nazis!“findet nächsten Samstag um 11 Uhr eine Kundgebung vom „Bündnis Zusammen gegen Rechts Rems-Murr“ statt. Tim Neumann, Pressesprecher des Bündnisses, erzählt der BKZ, was die Teilnehmer erwartet und wieso es nötig ist, sich auch hier gegen Rechtsextremismus stark zu machen.

„Es ist wichtig, den Anfängen zu wehren“

Pressesprecher Tim Neumann. Foto: S. Latzel

Von Silke Latzel

Erst im September hat das „Bündnis Zusammen gegen Rechts Rems-Murr“ eine Kundgebung in Winnenden organisiert. Nächsten Samstag soll es eine ähnliche Veranstaltung in Backnang geben. Wieso halten Sie es für notwendig, zwei Veranstaltungen zum selben Thema innerhalb so kurzer Zeit in einem engen geografischen Umfeld zu organisieren?

Wir wollen noch einmal den Charakter der Winnender Kundgebung betonen, die ja direkt nach den Vorkommnissen in Chemnitz und einem Vorfall mit Neonazis in Winnenden stattgefunden hat. Damals kamen 400 Menschen zu unserer Kundgebung. In Backnang ist das Thema ein bisschen anders, wir möchten vor allem über lokale rechte Aktivitäten aufklären, etwa über eine Gruppe die mehrheitlich unter dem Namen „Autonome Nationalisten Rems-Murr“ ihr Unwesen treibt, und die uns nach wie vor beschäftigt. Es ist diese Gruppe, die gerade versucht, die Straßen in Backnang mit ihrer Propaganda zu fluten, von ihnen sind die Schmierereien an Brückengeländern, Häusern oder auch am Berufsschulzentrum. Wir sind der Meinung, dass es wichtig ist, die Bürger darauf aufmerksam zu machen. Rechte Strukturen fallen nicht vom Himmel und lösen sich dann auch nicht einfach auf, wenn man einen netten Facebook-post in die Welt setzt. Im Kampf gegen Rechts ist einfach langwierige und kontinuierliche Arbeit notwendig.

Wieso braucht der Rems-Murr-Kreis überhaupt ein Bündnis gegen Rechts? Ist Rechtsextremismus hier nach wie vor ein Problem?

Ich glaube nicht, dass der Rems-Murr-Kreis je aufgehört hat, ein rechtes Problem zu haben, die Form hat sich nur einfach geändert. Ums Jahr 2000 hat man beispielsweise am Waiblinger Bahnhof regelmäßig 15 bis 20, ich nennen sie jetzt „0815-Nazis“, mit Glatze, Bomberjacke und Springerstiefeln gesehen, die Bier getrunken und Passanten angepöbelt haben. Jetzt ist das Ganze um einiges verstreckter. Wir haben aber immer noch eine aktive NPD mit guter Infrastruktur. Wir haben wie gesagt die sogenannten „Nationalen Autonomisten Rems-Murr“. Außerdem gab es eine Zeit lang einen Stammtisch der „Identitären Bewegung im Rems-Murr-Kreis“, der ist mittlerweile allerdings inaktiv, man weiß das nicht so genau, weil die sich stark abschotten. Was mich persönlich auch schon schlucken lässt, ist, dass die Terrorgruppe „Combat 18“, die der sogenannte bewaffnete Arm des verbotenen rechtsextremen Netzwerks „Blood and Honour“ ist, Verbindungen hierher hat. Was an dieser Gruppe sehr beunruhigend ist: Wie der NSU fühlen sie sich dem „führerlosen Widerstand“ verpflichtet, das heißt, die selbst ernannten Kämpfer führen eine Art Einsamer-Wolf-Dasein, bis sie den richtigen Zeitpunkt für einen Anschlag gekommen sehen. Und natürlich haben wir auch eine sehr starke AfD. Die würde ich jetzt nicht direkt mit Faschisten gleichsetzen, aber da sind die Grenzen sicherlich auch fließend, es geht zu Teilen in die gleiche Richtung, man sieht ja, wozu das in Chemnitz geführt hat. Die Rechtsex-tremen im Rems-Murr-Kreis treten nicht offen auf, deshalb ist es umso wichtiger, diese Bewegung genau zu beobachten und sich gemeinsam zu wehren.

Mit wie vielen Menschen rechnen Sie bei der Kundgebung in Backnang?

So viele wie in Winnenden werden es nicht sein. Wir rechnen mit etwa 50 Teilnehmern, das ist schon realistisch. Wenn es hundert werden, wäre das sehr, sehr erfreulich. Aber wir wollen auch ein bisschen das Marktpublikum ansprechen und stellen uns auf Leute ein, die einfach zufällig vorbeikommen und sich dann informieren möchten.

Was wird die Besucher dort erwarten?

Wir wollen die Menschen nicht überfordern und einfach im Rahmen der Möglichkeiten Aufklärung betreiben. Wenn man samstags auf den Markt geht, dann hat man den Kopf vielleicht wo anders, aber für die Leute, die Interesse daran haben, wollen wir auch Raum zum Austausch bieten, sie können sich darüber informieren wie und wo sie selbst aktiv gegen Rechts werden können. Außerdem wird es ein paar niederschwellige kreative Angebote geben, bei denen auch Familien auf ihre Kosten kommen. Es soll beispielsweise an diesem Tag ein Transparent entstehen, auf dem man mit vielen bunten Farben Handabdrücke hinterlassen kann. Und wir werden Infostellwände dabei haben, auf denen wir lokale rechte Aktivitäten wie etwa die Schmierereien zeigen und einordnen, aus welchem Spektrum so etwas kommt, was die theoretischen Hintergründe sind und worauf sie sich beziehen. Natürlich gibt es da dann auch Bilder, denn wenn man zum Beispiel das Wort „Wolfsangel“ sagt, können sich die wenigsten Menschen vorstellen, wie dieses Runenzeichen, das die Rechten benutzen, eigentlich aussieht.

Wie hat man bei der Stadt Backnang auf die Anmeldung der Kundgebung reagiert?

Da gab es gar keine Probleme. Nur der Ort der Kundgebung hat sich ganz gering verschoben, vom Platz vor dem historischen Rathaus, wo wir ursprünglich hin wollten, auf die Marktstraße. Uns war es einfach wichtig, dass wir einen angemessenen Kundgebungsort haben und die Stadt hat uns eine große Versammlungsfläche zur Verfügung gestellt.

Erwarten Sie rechte Störer und Provokateure?

Was wir wollen ist auf jeden Fall eine sichere und störungsfreie Kundgebung, weil wir nicht nur linke Kreise mobilisieren möchten. Gegen Rechts zu sein ist auch eine Sache, die etwa die Menschen aus der Mitte der Gesellschaft anspricht. Natürlich kann es sein, dass wir gestört werden, in Backnang ist beispielsweise die AfD recht stark. In Winnenden hatten wir auch Probleme mit rechten Verschwörungstheoretikern, die um die Kundgebung gelaufen sind und uns fotografiert haben. Solche Leute werden wir dann auch vom Versammlungsleiter wegschicken lassen, wir wollen diese Menschen nicht bei uns haben. Das ist unsere Kundgebung und die lassen wir uns nicht durch irgendwelche Provokateure zerstören. Solche Störversuche machen ja auch das Außenbild der Veranstaltung kaputt, dann denken sich die Bürger, dass sie da jetzt lieber nicht hingehen, obwohl sie es vielleicht interessiert hätte. Die Polizei geht, so weit ich informiert bin, leider jetzt schon von rechten Störungen aus. Das hat man uns zumindest schon im Vorfeld mitgeteilt.

Sind nach der Kundgebung noch weitere Aktionen geplant?

Erst einmal nicht. Wir lassen auf uns zukommen wie die Backnanger Kundgebung läuft, und wie der Zuspruch ist. Und es hängt ja dann auch ein bisschen davon ab, ob es Reaktionen aus der rechten Szene irgendwie gibt, bei großen Störungen müssen wir nacharbeiten und überlegen, wie wir reagieren. Das ist halt die Krux bei der Arbeit gegen Rechts: Natürlich sollte man sich nicht herumkommandieren lassen, und quasi von den Rechten „vorgeschrieben“ kriegen, wohin man fährt und wo man Protest äußert, weil sie wieder irgendetwas gemacht haben. Aber manchmal geht es nicht anders.

„Es ist wichtig, den Anfängen zu wehren“

Rund 400 Menschen haben Mitte September bei einer Kundgebung des „Bündnis Zusammen gegen Rechts Rems-Murr“ in Winnenden teilgenommen. So viele Teilnehmer erwarten die Veranstalter am nächsten Samstag in Backnang nicht. Sie rechnen mit etwa 50 Menschen.Foto: G. Schneider