Nach Eklat um Richterwahl

Es sind entscheidende Tage für Kanzler Friedrich Merz

Wird Schwarz-Rot die neue Ampel? Nach dem Eklat um die Richterwahl muss der Kanzler Friedrich Merz eine Lösung finden, kommentiert Tobias Peter.

Es sind entscheidende Tage für Kanzler Friedrich Merz

 

Von Tobias Peter

In seinem unbedingten Enthusiasmus für die Idee, Kanzler zu werden, hat Friedrich Merz Spötter vor der Wahl gelegentlich an eine Zeichentrickfigur erinnert: Grisu, den kleinen Drachen. „Ich will Feuerwehrmann werden“, rief der immer wieder aus. Nur dass er selbst immer wieder Feuer verursachte, statt es zu löschen.

Seit gerade einmal rund 70 Tagen ist Merz im Amt. Da steht einem Kanzler bei Anfangsschwierigkeiten noch immer Nachsicht zu. Richtig ist auch: Der 69-Jährige hat außenpolitisch einen guten Start hingelegt. Der schwierige Antrittsbesuch bei US-Präsident Donald Trump ist geglückt. Doch auch schöne Bilder aus Washington nützen nichts, wenn dem Kanzler zu Hause die eigene Fraktion nicht folgt.

Merz versucht gerade, die Geschichte um die vorerst gescheiterte Wahl von Verfassungsrichtern möglichst undramatisch zu erzählen. Da habe es in der Union eben Bedenken gegen eine Kandidatin der SPD gegeben. Es gebe aber auch viel Zeit, eine Lösung zu finden. Doch so harmlos, wie der Kanzler suggerieren möchte, ist die Sache nicht. Es brennt tatsächlich.

Die grundlegende Währung ist Vertrauen

Wenn Merz nicht aufpasst, wenn es keine Lösung gibt, mit der alle leben können, wird sich die Republik lange an diese Tage erinnern. Jetzt geht es um das grundlegende Vertrauen in der Koalition. Wenn das dauerhaft verloren geht, wird bei Schwarz-Rot nichts so funktionieren, wie Merz sich das vorstellt. Der Konflikt um die Richterwahl trägt das Potenzial zu einer Zerrüttung in sich, die selbst in der Ampel erst später einsetzte.

Olaf Scholz, von Merz einmal als „Klempner der Macht“ verspottet, hatte es anfangs sogar recht gut hinbekommen, dass in dem lagerübergreifenden Dreierbündnis Aufbruchstimmung herrschte. Dann verlor die FDP mehrere Landtagswahlen und agierte nervöser. Beim Streit über das Heizungsgesetz ließ Scholz die gegenseitigen Foulspiele so lange laufen, dass sich die Zusammenarbeit nie mehr reparieren ließ. Das war die Bruchstelle, auch wenn die Selbstzerstörung der Ampel erst später folgte.

Doch wie konnte nun eine wichtige, aber doch eher kleine Frage wie eine Richterwahl zu einem solchen Problem für Schwarz-Rot werden? Das ist das Ergebnis von politischem Missmanagement. Die SPD hätte auch mit einer anderen Kandidatin oder einem anderen Kandidaten leben können – wenn die Union es rechtzeitig gesagt hätte. Den Aufstand in Teilen der Unionsfraktion hätte es womöglich nicht gegeben, wenn bei den Abgeordneten frühzeitig um Zustimmung für die Kandidatin geworben worden wäre. Der beginnende Brand in der Fraktion war absehbar. Fraktionschef Jens Spahn und der Kanzler haben nicht richtig hingeschaut. Das ist ihr gemeinsames Versagen.

Kommt die Bürgergeld-Reform?

Dass Merz nun selbst die Gewissensfreiheit der Abgeordneten betont, ist für ihn als Kanzler ein gefährliches Spiel. Wenn die Unionsführung nicht in der Lage ist, Verabredungen einzuhalten, werden SPD-Abgeordnete fragen, warum sie es eigentlich tun sollen.

Werden sie in größerer Zahl bei der Reform des Bürgergelds oder beim Arbeitszeitgesetz ihre Gewissensfreiheit entdecken? Dann kann Merz seine innenpolitische Reformagenda, von der er bisher wenig bis nichts umgesetzt hat, vergessen.

Dazu gibt es drängenden Reformbedarf bei den Sozialversicherungen, auf den es im Koalitionsvertrag keine Antworten gibt. Für Lösungen braucht es hier umso mehr Vertrauen. Das ist jetzt so fern wie der Traum eines kleinen Drachen, in seinem Leben einmal Feuerwehrmann zu werden. Wer das Land führen will, dem muss das auch mit der eigenen Partei gelingen.