„Es sollte uns nicht mehr geben“

Mitarbeiter und Ehrenamtliche blicken auf 40 Jahre Weltladen Backnang zurück – Viel konnte in dieser Zeit erreicht werden

Der Weltladen Backnang unterstützt mit dem Verkauf seiner Waren verschiedene Projekte und Produzenten in anderen Ländern. Im März feiert er seinen 40. Geburtstag. Die Mitarbeiterinnen erinnern sich an Stolpersteine in der Ladengeschichte und planen für die Zukunft.

„Es sollte uns nicht mehr geben“

Regale einräumen, neue Produkte bestellen oder Waren verkaufen – Anni Matena hilft seit 30 Jahren im Backnanger Weltladen mit. Foto: J. Fiedler

Von Kristin Doberer

BACKNANG. „Eigentlich sollte es uns gar nicht mehr geben“, sagt Anni Matena. Eine Aussage, die man zum 40-jährigen Bestehen eines Geschäfts nicht unbedingt erwartet. Doch es handelt sich nicht um irgendeinen Laden, sondern um den Weltladen Backnang. Gewinnmaximierung ist nicht das Hauptziel, stattdessen will man fairen Handel unterstützen und Aufmerksamkeit auf unmenschliche Arbeitsbedingungen lenken. „Man sollte meinen, dass wir dafür nach 40 Jahren nicht mehr gebraucht werden, aber das ist leider noch immer nicht der Fall,“ sagt Marta Hartusch, die Geschäftsführerin des Weltladens in Backnang. Am 1. März 1980 wurde dieser gegründet, um aktiv die Produzenten im Ausland zu unterstützen.

Mittlerweile läuft der Weltladen sehr gut, obwohl die Probleme des Einzelhandels auch hier deutlich spürbar sind. „Wir müssen uns überlegen, wie wir neben dem Online-Handel bestehen können“, sagt Hartusch. Auch das Angebot von fair gehandelten Lebensmitteln in Supermärkten und sogar Discountern nehme zu. „Wir sehen das natürlich als positive Entwicklung, müssen aber trotzdem kostendeckend bleiben.“ Für die Mitarbeiter steht fest: Sie können ihre Nische finden. Durch gute Beratung und Wohlfühlatmosphäre. „Die Kunden sollen ein Wohnzimmergefühl haben. Das gibt es in keinem Online-Shop. Der Laden ist auch ein Treffpunkt, für den man Zeit mitbringt“, sagt Christine Matena. Auch deshalb plant das Team, eine kleine Kaffeeecke einzurichten, in der die Kunden beim Einkauf auch Kaffee trinken und sich unterhalten können.

Am Anfang schmeckte der Kaffee scheußlich

In den vergangenen 40 Jahren musste der Weltladen auch einige Hindernisse überwinden. „Am Anfang war tatsächlich die Qualität der Produkte nicht gut“, sagt Christine Matena. „Der Kaffee hat scheußlich geschmeckt. Obwohl das heute nicht mehr so ist, ist es bei vielen Leuten hängen geblieben.“ Auch hätten viele beim Thema faire Mode noch immer das Bild der alternativen Ökoklamotten im Kopf. Dabei würden die Mitarbeiter bei der Bestellung darauf achten, dass die Kleidung nicht nur fair hergestellt wird, sondern auch an den deutschen Markt angepasst, modisch und auf den Kundenstamm abgestimmt ist. „Wenn wir Kleidung bestellen, haben wir oft schon genau im Kopf, welcher Kundin das jeweilige Stück gefallen könnte.“

Besonders wichtig war in den vergangenen 40 Jahren die Zusammenarbeit mit den ehrenamtlichen Helfern. In Backnang sind es zwölf, in den Partnerläden in Murrhardt und Waiblingen sind es jeweils 25 Freiwillige, die die neun hauptamtlichen Mitarbeiter unterstützen. Sie helfen beim Verkauf, beim Einräumen der Läden, der Beratung und bei besonderen Aktionen. „Das Zusammenspiel von Hauptamtlichen und Ehrenamtlichen macht den Weltladen aus“, sagt Hartusch. So sei man professionell aufgestellt, vermittle aber trotzdem ein familiäres Gefühl. Vor allem, da den Mitarbeitern viel am Job liege. „Hier habe ich das Gefühl, dass die Arbeit mir einen Sinn gibt“, meint Alexandra Golderer.

Christine Matena hilft bereits mit, seit sie 16 Jahre alt war. „Meine Mutter hat mich in den Weltladen geschleppt, das hat mich seitdem nicht mehr losgelassen“, sagt die heute 44-Jährige. Lange Zeit war sie als Ehrenamtliche tätig, jetzt auf 450-Euro-Basis. Auch ihr bedeutet die Arbeit im Weltladen viel: „Es ist einfach ein schönes Gefühl, wenn man Menschen effektiv helfen kann. Denn sogar die kleinen Projekte bewirken was“, sagt sie. Ihr sei es wichtig, dass durch den Verkauf im Weltladen tatsächlich das Leben von Menschen in anderen Ländern verbessert werden kann. Früh habe man festgestellt, dass Spenden nur für ganz gezielte Aktionen nützlich seien. Um Menschen vor Ort eine Perspektive zu schaffen, müsse man deren Arbeit langfristig unterstützen.

Auch heute arbeiten immer wieder Studenten und Praktikanten im Weltladen mit und bringen neue Ideen ein: von einer Instagram- und Facebook-Seite bis zu frischen Kleiderkollektionen. Aber auch junge Kunden kommen seit einiger Zeit gehäuft in den Laden. „Natürlich sind unsere Waren etwas teurer, aber irgendjemand muss den Preis von Produkten bezahlen“, sagt Hartusch. Wenn nicht die Endkunden, dann müssten entweder die Umwelt oder die Produzenten in ärmeren Ländern dafür Rechnung tragen. „Das verstehen immer mehr Menschen. Greta Thunberg hat da schon viel angestoßen.“

Zum 40-jährigen Bestehen gibt es im März kostenlosen Kaffee im Weltladen. Dazu finden an allen Samstagen von 9 bis 13 Uhr besondere Aktionen für die Kunden statt.

Info

Am 1. März 1980 wurde der Backnanger Weltladen vom Verein „Dritte Welt Handel Backnang“ gegründet. Das Angebot war klein, die Öffnungszeiten eingeschränkt.

1997 zog der Laden an den Schillerplatz und stellte Gabi Ludwig als Geschäftsführerin ein. Sie sollte für mehr Professionalität und Geschäftsfähigkeit sorgen.

Im September 1997 eröffnete der Murrhardter Weltladen mit Unterstützung aus Backnang. Dort wird der Verkauf bis heute nur von Ehrenamtlichen übernommen. Die Organisation und Warenbestellung läuft über den Weltladen Backnang.

2007 zog der Laden in die Schillerstraße 11. Neben der guten Lage in der Fußgängerzone sprach auch das Obergeschoss für den Umzug, dadurch konnte das Angebot für faire Mode ausgeweitet werden.

Seit 2012 gehört auch der Waiblinger Weltladen zur GmbH und wird von Backnang aus mitorganisiert. 2016 übernahm Marta Hartusch die Geschäftsführung der drei Läden.