Eschen krachen quer über die Talstraße

Die Bäume am Backnanger Mühlkanal waren vom Eschentriebsterben betroffen. Bei der jüngsten Kontrolle waren sie als standsicher eingestuft worden, da die Kronen noch voller Laub waren. Im Untergrund jedoch hatte ein Pilz die Standfestigkeit massiv beschädigt.

Eschen krachen quer über die Talstraße

Ein Baum krachte links vom Verkehrszeichen auf die Straße, ein zweiter rechts davon. Das Schild blieb unbeschädigt. Glück hatten auch alle Passanten und Verkehrsteilnehmer, dass sie nicht von den Bäumen getroffen wurden. Fotos: A. Becher

Von Matthias Nothstein

BACKNANG. Das ist gerade noch einmal gut gegangen. Am Samstagnachmittag krachten drei mehr als 20 Meter lange Eschen quer über die Backnanger Talstraße. Zum Glück war zu diesem Zeitpunkt in diesem Bereich kein Fahrzeug unterwegs. Auch der Rad- und Fußweg in der Bácsalmás-Anlage war glücklicherweise verwaist, als das Baumtrio auf den Boden schmetterte.

Ganz aus heiterem Himmel ist der Vorfall jedoch nicht passiert. Der Grund für das Umstürzen ist vielmehr das Eschentriebsterben, das die Bäume geschwächt hat und das seit einigen Jahren Waldbesitzer und Kommune auf Trab hält. Ursprünglich gingen die Experten davon aus, dass die Krankheit vor allem die Triebe befällt und verdorren lässt. Der Baum stirbt dann, kann aber noch viele Jahre lang stehen bleiben.

Inzwischen ist aber bekannt, dass es noch ein zweites Problemfeld gibt, nämlich die Wurzel des Baumes. Neben dem exotischen Pilz, der die Triebe schädigt, setzt zusätzlich der einheimische Pilz Hallimasch dem Baum zu. Der essbare Pilz ist eigentlich unter Fichten zu finden, hat aber als Sekundärschädling nun im Bereich Eschen einen neuen Lebensraum gefunden.

Eben dies scheint die Ursache gewesen zu sein, warum der Baum am Mühlkanal am Samstag umgestürzt ist. Genau genommen handelte es sich um drei Bäume, die aus einem Wurzelballen gewachsen sind. Während die Stadtverwaltung von einem dreistämmigen Baum spricht, scheint viel wahrscheinlicher, dass es drei Bäume waren, die sehr eng beieinander standen. Im Endeffekt ist es aber egal. Der gesamte gemeinsame Wurzelstock ist aus dem Boden gerissen worden und in den Kanal gekippt. Dort offenbart er, dass der oder die Bäume fast keine Wurzeln mehr hatten. Zumindest keine, die Stabilität hätten geben können.

Stellt sich die Frage, ob die Verantwortlichen dies hätten erkennen können oder sogar hätten erkennen müssen. Tiefbauamtsleiter Lars Kaltenleitner erklärte gestern hierzu, dass die Baumgruppe schon einmal kontrolliert wurde, dass man damals aber zu der Auffassung gekommen war, die Standsicherheit sei noch gewährleistet. Zudem verwies er auf eine Besonderheit. Der Baum steht unmittelbar am Mühlkanal und fällt somit unter die Gewässerunterhaltung. Das heißt, er wird nicht so häufig untersucht wie die Bäume, die auf öffentlichen Flächen wie etwa Spielplätzen oder auf dem Gelände von Schulen und Kindergärten oder entlang von Straßen stehen. Dort werden die Bäume mindestens einmal jährlich in Augenschein genommen, unter Umständen auch öfter.

Ein weiterer Dürrständer wird in den nächsten Tagen gefällt.

Dies trifft nicht zu auf Bäume an Gewässern, wenngleich Kaltenleitner betont, dass auch diese Gewächse unter Beobachtung stehen, „nur nicht so intensiv“. Er verweist auch darauf, dass in den vergangenen Jahren an der betroffenen Stelle immer wieder schadhafte Gehölze herausgenommen wurden. Gleichzeitig versuche man in diesem Grünzug jedoch auch, möglichst viele Bäume stehen zu lassen. Bei der Untersuchung nach dem Vorfall haben die Leute vom Bauhof jedoch einen weiteren Baum festgestellt, der völlig morsch am Kanalrand steht und ebenfalls restlos abgestorben ist. Der Dürrständer wird in den nächsten Tagen gefällt, kündigt Kaltenleitner an.

Aufgrund des Pilzbefalls am Wurzelstock ist der Stand der betroffenen Bäume so beeinträchtigt, dass es nicht einmal eines Sturms bedarf, um sie umzustürzen. Ulrich Häußermann, der stellvertretende Leiter des Forstamts Backnang, hatte erst Ende Januar die Verwaltung und die Stadträte davor gewarnt. Er hatte damals geschildert, „dass einige Bäume aus dem Nichts einfach umfallen, auch ohne Wind“. Für Passanten besteht daher Lebensgefahr. Damals sprach Häußermann im Gemeinderat, weil es darum ging, auf einer großen Flächen zwischen dem Freibad und dem Biotop Pfaffenrinne beeinträchtigte Bäume zu fällen. Diese Arbeiten sind längst erledigt. Was nun ansteht sind Baumfällarbeiten entlang der Straße von Backnang nach Sachsenweiler. Auch in diesem Gebiet, vor allem am Hang zur Weißach, müssen zahlreiche Eschen gefällt werden, die nicht mehr sicher stehen.

Nicht nur Häußermann hat die Verwaltung gewarnt, auch Bernhard Engelmann weist seit Monaten auf die Gefahren hin, die von den abgestorbenen Bäumen ausgehen, die nahe bei oder sogar direkt an öffentlichen Straßen und Wegen stehen. Lange Zeit hatte der Backnanger Bürger nicht den Eindruck, dass seine Warnungen ernst genommen werden. Die Aktion hinterm Schwimmbad kann laut Engelmann nur ein erster Schritt gewesen sein. Er forderte auch, die Bäume im Gewann Spitzwiesen nahe des Viadukts gewissenhaft zu untersuchen. Dort war ein riesiger Baum direkt auf eine Sitzbank gestürzt und hatte diese zertrümmert. Nicht auszudenken, was passiert wäre, hätte damals jemand auf der Bank gesessen. Kaltenleitner hat auch dieses Gebiet im Auge. Er erklärte gestern: „Die Stadt hat in diesem Areal ihre Hausaufgaben gemacht und die Bäume gefällt.“ Die Problembäume, die jetzt noch für Gefahr sorgen, stehen laut dem Amtsleiter auf privatem Grund. „Wir gehen auf die Eigentümer zu“, so seine Ankündigung.

Eschen krachen quer über die Talstraße

Das Baumtrio blockierte den Fuß- und Radweg, der durch die Bácsalmás-Anlage führt. Nur fünf Meter weiter gibt es eine viel genutzte Parkbank, die ebenso wie die Hinweistafel unbeschädigt blieb. Der Baum stürzte exakt durch die Lücke und verschonte auch das Verkehrsschild an der Talstraße.

Eschentriebsterben

Das Eschentriebsterben wird in Europa seit 2008 beobachtet. Der Pilz, der den Bäumen zusetzt, heißt „Falsches Weißes Stängelbecherchen“. Er wurde aus Asien eingeschleppt.

Das Falsche Weiße Stängelbecherchen bildet im Sommer auf den am Boden liegenden vorjährigen Blattspindeln unscheinbare Fruchtkörper aus. Diese Fruchtkörper entlassen Sporen, die mit dem Wind verfrachtet werden und die Blätter infizieren.

Der Pilz wächst dann ausgehend von den Blättern in das unverholzte Mark von Zweigen und Trieben. Erst wenn das Mark erfolgreich besiedelt wurde, wächst der Pilz in die bereits verholzten Bereiche weiter. Die Infektion erfolgt ausschließlich über die Sporen. Befallenes Holz ist dagegen nicht infektiös.

Eine direkte Bekämpfung ist nicht möglich. Das bedeutet: Über kurz oder lang wird die Esche in Europa aussterben.