EU-Kommission: Grenzen vorsichtig für Sommerurlaub öffnen

Von Von Michel Winde, dpa

dpa Brüssel. Freies Reisen, Urlaub am Mittelmeer - davon können Europäer derzeit nur träumen. Damit auf dem Weg aus den Corona-Einschränkungen kein Chaos entsteht, dringt die EU-Kommission auf gemeinsame Standards. So soll auch der Strandurlaub möglich werden.

EU-Kommission: Grenzen vorsichtig für Sommerurlaub öffnen

Frauen mit Mundschutz trinken Kaffee vor einer Bar in Bozen. Foto: Matteo Groppo/LaPresse via ZUMA Press/dpa

Ein vorsichtiges Öffnen der Binnengrenzen in Europa soll den Sommerurlaub nach Empfehlungen der EU-Kommission trotz Corona-Krise ermöglichen. Man schlage einen flexiblen Plan vor mit dem Ziel, die Kontrollen nach und nach aufzuheben, heißt es in einem Papier, das die Behörde am Mittwoch vorstellen will.

Ein Entwurf liegt der Deutschen Presse-Agentur vor. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel machte am Dienstag Hoffnung auf eine schrittweise Öffnung der Grenzen zu Deutschlands Nachbarländern.

Die Kommission betont in dem Papier den Stellenwert des freien Reisens - für die schwer von der Pandemie getroffene Reisebranche, aber auch für Bürgerinnen und Bürger. Wenn man es koordiniert und sicher angehe, könnten die kommenden Monate den Europäern dringend benötigte Erholung verschaffen. Dann könnten die Menschen Freunde und Familie über Ländergrenzen hinweg wiedersehen.

In Deutschland war Innenminister Horst Seehofer (CSU) wegen der andauernden Grenzkontrollen zu mehreren Nachbarländern zuletzt unter Druck geraten. Derzeit kontrolliert Deutschland noch bis Freitag die Grenzen zu mehreren Nachbarstaaten. Einreisen darf nur, wer einen wichtigen Grund vorweisen kann. Merkel stellte am Dienstag in einer Sitzung der Unionsfraktion im Bundestag in Aussicht, dass sich das ändern könnte. Veränderungen bei den Grenzkontrollen müssten immer in Kooperation mit den Nachbarn gemacht werden, sagte sie nach dpa-Informationen aus Teilnehmerkreisen. Ihr sei wichtig, dass die Kontrollen nicht „bis ultimo“ fortgesetzt würden.

Wenn es das Infektionsgeschehen hergebe, habe man eine klare Perspektive zur Wiederherstellung des Schengen-Systems offener Binnengrenzen in der EU, sagte Merkel demnach. Es werde an vielen Stellen aber ein zweistufiger Prozess sein.

Die EU-Kommission warnt vor zu forschem Vorgehen. Dies könne zu einem plötzlichen Wiederanstieg an Infektionen führen. Sobald die Viruszirkulation reduziert worden sei, sollten pauschale Einschränkungen jedoch durch gezielte Maßnahmen ersetzt werden. Die Kontrollen sollten zunächst dort gelockert werden, wo die epidemiologische Situation in beiden Ländern vergleichbar sei. Es müsse genügend Test- und Krankenhauskapazitäten geben. Zudem sollten die Hygiene-Vorgaben in beiden Ländern gleich sein. Infektionsketten müssten verfolgt werden können; Abstandsgebote eingehalten werden. Freiwillige Apps könnten dabei helfen.

Die Angehörigen einzelner Staaten dürften bei den Lockerungen nicht bevorzugt oder diskriminiert werden, betont die EU-Kommission. Sollte ein Land Lockerungen für eine Region einführen, müssten diese für alle dort lebenden Menschen gelten - unabhängig von der Nationalität.

Zu Beginn der Corona-Krise hatten etliche EU-Staaten einseitig und ohne Rücksprache mit den Nachbarstaaten Grenzkontrollen eingeführt. Der CDU-Europaabgeordnete Andreas Schwab forderte deshalb am Dienstag klare Empfehlungen der EU-Kommission, „damit die Mitgliedstaaten nicht wieder so chaotisch vorgehen“ Eine enge Koordinierung nach klaren Standards sei das Gebot für die kommenden Wochen. Zudem müsse klar sein: „Wenn es die gesundheitlichen Bedingungen erlauben, muss der Urlaub für alle möglich sein - ungeachtet bilateraler Abkommen.“

Offene Grenzen sind auch eine Bedingung dafür, dass EU-Bürger ihren Sommerurlaub trotz Viruskrise im Ausland verbringen können. Die Branche steht seit rund zwei Monaten praktisch still, die wirtschaftlichen Folgen sind verheerend.

Um Urlaube nach und nach wieder zu ermöglichen, müssen nach Ansicht der EU-Kommission etliche Voraussetzungen erfüllt sein. Am wichtigsten: Die Ausbreitung des Virus müsse im Zielland deutlich zurückgegangen sein und für längere Zeit auf niedrigem Niveau bleiben - auch wenn vermehrt Touristen dorthin kommen. Zudem müsse es vor allem in den Urlaubsregionen ausreichend Kapazitäten im Gesundheitssystem geben, damit Krankenhäuser nicht von einem möglichen Anstieg an Infektionen überwältigt würden.

Auch müsse es ausreichend Tests auf Covid-19 geben. Vor ihrem Urlaub sollten Verbraucher auf einer Online-Karte prüfen können, wie die Virus-Situation in ihrem Zielort ist. Eine solche Karte, in denen einzelne Regionen angezeigt werden können, wolle die EU-Kommission zusammen mit den zuständigen Stellen aufsetzen.

Auch das Gastgewerbe müsse sich anpassen. Das Personal von Hotels müsse geschult werden, Gäste sollten regelmäßig über Neuigkeiten der Behörden informiert werden. Für den Fall eines Corona-Ausbruchs müsse eine Kontaktverfolgung gewährleistet sein. Für Restaurants oder Cafés solle eine Maximalzahl an Gästen festgelegt werden. Zudem könnten Slots für die Mahlzeiten, den Pool oder das Fitnessstudio erwogen werden. Grundlegende Corona-Regeln müssten eingehalten werden: etwa ein Mindestabstand, regelmäßiges Händewaschen und regelmäßiges Reinigen von Flächen, die häufig berührt werden.

In der Debatte um Gutscheine für abgesagte Reisen will die EU-Kommission den Verbrauchern weiterhin die Wahl lassen. Nach EU-Recht müssen Anbieter die Kosten für Flugtickets und Pauschalreisen erstatten. Deutschland will Verbraucher jedoch dazu verpflichten, bei Reiseabsagen in der Corona-Krise vorerst einen Gutschein statt einer Erstattung zu akzeptieren. Die EU-Kommission hatte hier zuletzt schon wenig Entgegenkommen gezeigt. Deshalb gibt es in der Koalition zunehmend Stimmen, nach Alternativen zu suchen - etwa einen Fonds für die Reisebranche. Andere Staaten haben bereits nationale Regelungen erlassen, die dem EU-Recht widersprechen.

Die EU-Kommission empfiehlt den EU-Staaten nun, die Gutscheine möglichst attraktiv zu machen. Sie sollten gegen eine Insolvenz des Anbieters abgesichert werden und bis zu ihrem Ablauf gegen Geld eingetauscht werden können. Außerdem sollten die Gutscheine möglichst flexibel eingesetzt werden können, etwa für andere Produkte des Unternehmens. Der SPD-Europaabgeordnete Ismael Ertug begrüßte die klare Haltung: Es sei erfreulich, dass die EU-Kommission dem Drängen einiger Länder nicht nachgebe und die Verbraucherrechte schütze.