EU-Kommission will mehr Windstrom

dpa Brüssel. Das Meer ist Urlaubsziel, Arbeitsplatz für Fischer, Lebensraum für Tiere. Aber es könnte auch riesige Mengen Strom liefern. Wie bringt man alles unter einen Hut? Die EU-Kommission macht einen Vorschlag.

EU-Kommission will mehr Windstrom

Offshore-Windparks sollen nach dem Willen der EU weiter ausgebaut werden. Foto: Sina Schuldt/dpa

Für klimafreundlichen Strom sollen Tausende neue Windräder vor Europas Küsten gebaut werden. Die Kapazität soll nach einer neuen Strategie der EU-Kommission von heute 12 Gigawatt schon 2030 auf 60 Gigawatt wachsen und bis 2050 sogar auf 300 Gigawatt.

Binnen 30 Jahren sollen 800 Milliarden Euro investiert werden. Neben der Windkraft sollen auch andere erneuerbare Energien auf See ausgebaut werden, so etwa Tidenhubkraftwerke oder schwimmende Solarparks. Das soll noch einmal 40 Gigawatt bringen.

„Wir stecken uns hohe Ziele, sowohl wegen der Dringlichkeit als auch wegen des hohen Potenzials“, sagte Kommissionsvize Frans Timmermans am Donnerstag bei der Vorstellung des Konzepts. Der Plan soll dazu beitragen, Europa bis 2050 klimaneutral zu machen. Nötig seien sorgfältige Planung, viel Geld und Absprachen mit den Betroffenen wie Tourismus, Fischerei und Naturschützern, sagte Timmermans. Er zeigte sich sicher: „Das kann mit der Natur vereinbart werden.“ Etwa drei Prozent der EU-Meeresflächen reichten aus.

Windkraft auf See gilt als eine der aussichtsreichsten erneuerbaren Energien, weil der Wind dort stetig stark bläst. Doch ging der Ausbau in den vergangenen Jahrzehnten langsamer voran als ursprünglich gedacht, unter anderem wegen des schwierigen Baus der Anlagen und der Leitungsanbindung. Deutschland hatte nach Branchenangaben zuletzt eine Kapazität von knapp 7,4 Gigawatt.

Auch der deutsche Energiebranchenverband BDEW sieht großes weiteres Potenzial und begrüßte die klare Zielsetzung aus Brüssel. Dies sei ein wichtiges Signal an die Windkraftbranche, erklärte BDEW-Chefin Kerstin Andreae in Berlin. Das Zwischenziel von 60 Gigawatt bis 2030 sei nur das Mindestmaß, zumal allein Deutschland eine Größenordnung von 20 Gigawatt anstrebe.

Den Grünen sind die Pläne zu zaghaft. Für Klimaneutralität seien letztlich 450 Gigawatt Kapazität nötig, monierte die Europaabgeordnete Jutta Paulus. „Überdies kommen Meeresschutz und Erhalt der Artenvielfalt in der Strategie viel zu kurz“, fügte sie hinzu. Der Naturschutzbund Nabu verweist auf Risiken für Meeressäuger, Fische sowie Zug- und Rastvögel und mahnt ebenfalls, die Energiewende naturverträglich zu gestalten.

Die Offshore-Strategie nimmt alle Meeresflächen der EU in den Blick, also Nord- und Ostsee, den Atlantik, das Mittelmeer und das Schwarze Meer. „Mit unseren riesigen Meeresbecken und unserer industriellen Führungsrolle hat die Europäische Union alles, was nötig ist, um die Herausforderung anzugehen“, sagte Timmermans.

Die Strategie setzt auf große gemeinsame Projekte verschiedener Mitgliedsstaaten. Konkret sieht der Plan vor, durch einen klaren Rechtsrahmen Investitionsanreize zu setzen. Die EU-Regeln für den Strommarkt sollen entsprechend angepasst werden, ebenso die Beihilferegeln für Energie und Umweltschutz und die Richtlinie für erneuerbare Energien. Gleichzeitig sollen alle verfügbaren EU-Fördertöpfe aktiviert werden, darunter sogenannte Kohäsionsmittel, der geplante Fonds für den gerechten Wandel sowie der geplante Corona-Hilfsfonds.

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier begrüßte den Plan. „Wir brauchen hier insbesondere Regelungen, die sicherstellen, dass der Windstrom aus diesen grenzüberschreitenden Projekten effektiv in den Markt integriert und abtransportiert werden kann“, erklärte der CDU-Politiker. „Hier liegt noch einiges an Arbeit vor uns.“ Die Strategie der Kommission sei ein guter Startschuss.

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