EU-Parlament für „Recovery-Bonds“

dpa Brüssel. Wie finanziert man die gigantischen Investitionen zur Erholung der Wirtschaft nach der Corona-Krise? Die Debatte über gemeinsame europäische Schulden geht in eine neue Runde. Nächste Woche sollen die EU-Staats- und Regierungschefs ein Signal geben.

EU-Parlament für „Recovery-Bonds“

Corona-Bonds, Euro-Bonds oder Recovery-Bonds? Wie sich diese genau unterscheiden, ist in der aktuellen Debatte sehr unscharf. Foto: Michael Kappeler/dpa

Das Europaparlament verlangt im Kampf gegen die Corona-Krise sogenannte Recovery-Bonds - also europäische Anleihen, die durch den EU-Haushalt abgesichert sind. Damit sollen künftige Investitionen finanziert werden, aber nicht die bestehenden Schulden vergemeinschaftet werden.

Für diese Forderung stimmte am Freitag eine Mehrheit der Abgeordneten. Es ist eine weitere Variante im Dauerstreit über Corona-Bonds und die Finanzierung des Wiederaufbaus nach der Krise.

Der Vorschlag ähnelt Ideen der EU-Kommission, mit Hilfe von Garantien aus dem EU-Haushalt selbst über Anleihen Geld am Kapitalmarkt aufzunehmen und damit Investitionen der EU-Staaten zu unterstützen. An Details des Modells wird noch gearbeitet. Es dürfte beim Videogipfel der EU-Staats- und Regierungschefs nächsten Donnerstag Thema werden. Präsidentin Ursula von der Leyen hat bereits gesagt, dass für die Erholung nach der Krise ein Marshall-Plan in Billionenhöhe nötig werde, also von mehr als tausend Milliarden Euro.

Die gemeinsame europäische Schuldenaufnahme unter dem Stichwort Corona-Bonds oder Euro-Bonds ist weiter äußerst umstritten. Hoch verschuldete und in der Pandemie besonders betroffene Staaten wie Italien und Spanien wollen sie unbedingt. Die Niederlande, Deutschland und andere Staaten lehnen vor allem eine gemeinsame Haftung ab.

Das Modell der Kommission versucht, den Wiederaufbau über den EU-Haushalt zu organisieren und so eine Brücke zu schlagen. Nach dem was bisher bekannt ist, wäre die Haftung der einzelnen EU-Staaten und auch der Verwendungszweck beschränkt - anders als bei bisher debattierten Varianten von Euro-Bonds.

Die EU-Finanzminister hatten sich bereits vorige Woche auf einen sogenannten Recovery Fund geeinigt, aber alle wichtigen Details offen gelassen. Der französische Finanzminister Bruno Le Maire warb in der „Welt“ (Freitag) noch einmal für sein Modell: „Der Fonds für den Wiederaufbau sollte uns erlauben, gemeinsam Schulden aufzunehmen. Für die Zukunft, lediglich zeitlich befristet und nur für einen einzigen Zweck, nämlich Investitionen.“

Auch Le Maire unterstrich: „Der entscheidende Unterschied zu Euro-Bonds wäre, dass wir einen zeitlich befristeten, zielgerichteten Fonds schaffen und nicht darum bitten, auf Dauer vergangene und zukünftige Schulden zu vergemeinschaften.“

Wie sich Corona-Bonds, Euro-Bonds oder Recovery-Bonds genau unterscheiden, ist in der Debatte generell sehr unscharf. So sagte der kroatische Finanzminister Zdravko Maric der „Welt“: „Was den Wiederaufbau-Fonds und dessen Finanzierung angeht, unterstützen wir sehr die Idee von Corona- oder Euro-Bonds.“ Der griechische Finanzminister Christos Staikouras betonte, der Fonds „sollte jede mögliche Art von Finanzierung nutzen, ganz besonders innovative Finanzinstrumente, wie gemeinsam begebene Schuldtitel“.

Auch im Europaparlament wird der gemeinsame Beschluss - er wurde mit 395 von 694 abgegebenen Stimmen gebilligt - unterschiedlich interpretiert. So schrieb die Fraktion der Sozialdemokraten im Europaparlament auf Twitter: „Heute hat das Europäische Parlament sich für Euro-Bonds ausgesprochen, ein historischer Schritt hin zur Vergemeinschaftung von Schulden.“

Dagegen erklärten die deutschen Unionsabgeordneten Daniel Caspary (CDU) und Angelika Niebler (CSU), die „Forderung nach Euro-Bonds“ habe man erfolgreich abgewehrt.