EU will mehr saubere Linienbusse

Parlament sieht in den nächsten Jahren gestaffelte Beschaffungsquoten vor – Städte und Gemeinden sind alarmiert

Von Markus Grabitz

Klimaschutz - Die EU will ab 2021 die Betreiber im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) erstmals zwingen, emissionsfreie Linienbusse zu kaufen. Kritiker fürchten Kostensteigerungen.

brüssel Der Kompromiss, auf den sich die Verhandlungsführer von Europaparlament sowie aller 28 Mitgliedstaaten geeinigt haben, sieht folgende Punkte vor: Zwischen 2021 und 2025 sollen 45 Prozent der Neuanschaffungen „saubere Busse“ sein. Zwischen 2025 und 2030 sollen 65 Prozent der Neuanschaffungen „saubere Busse“ sein. Jeweils die Hälfte dieser Beschaffungs­quoten muss mit komplett emissionsfreien Fahrzeugen gedeckt werden. Dazu gehören ausdrücklich nicht Hybridfahrzeuge.

Es gilt als sicher, dass das Europaparlament das Paket am Donnerstag mit großer Mehrheit beschließen und damit endgültig grünes Licht für die Beschaffungsquoten geben wird. Ab 2021 sollen alle Ausschreibungen davon betroffen sein, bei denen mehr als zwei Busse gekauft werden. 2018 wurden EU-weit 13 000 Linienbusse neu in Betrieb genommen. Zur Liste der alternativen Antriebstechnologien, die von der EU akzeptiert werden, gehören neben vollelektronischen Bussen auch der Antrieb mit Wasserstoff, Biokraftstoffen, synthetischen und paraffinischen Kraftstoffen sowie bestimmte Sorten Gas, nicht aber Erdgas.

Die Städte und Gemeinden, vor allem in ländlichen Räumen, sind hochgradig alarmiert. Der Landkreistag, der Städtetag sowie der Verband Kommunaler Unternehmen (VKU) fordern die Europaabgeordneten auf, mit Nein zu stimmen.

In dem Brief, der unserer Zeitung vorliegt, heißt es: Der Gesetzgeber habe es versäumt, der finanziellen Mehrbelastung durch die Quoten im ÖPNV Rechnung zu tragen: „Langfristig kann es zu einer Verteuerung oder gar zu einer Einschränkung des ÖPNV kommen.“

Martin Burkart vom Verband Baden-Württembergischer Omnibusunternehmer (WBO) warnt: „Beim E-Bus befindet sich die Branche in einem verlängerten Experimentierstadium.“ Die reinen E-Fahrzeuge hätten viel zu geringe Reichweiten. „Dadurch müssen wir mindestens 50 Prozent mehr Fahrzeuge vorhalten, um die Bedarfe abzudecken.“ Hinzu komme, dass die Anschaffungskosten der E-Busse mindestens doppelt so hoch seien wie beim konventionellen Fahrzeug.

Bei Importmodellen werde der Bus vielfach mit einem Dieselaggregat auf dem Dach geheizt, um für die Fahrgäste im Winter erträgliche Innentemperaturen zu gewährleisten. Die Ladezeiten seien erheblich länger als die üblichen Tankstopps, außerdem müsse man bei den in Kleinserien gefertigten E-Fahrzeugen mit längeren Werkstattaufenthalten rechnen. All diese Zeiten müssten durch zusätzlich vorzuhaltende Fahrzeuge ausgeglichen werden, so Burkart.

Die Kommunen befürchten zudem, dass die Hersteller nicht genügend „saubere Busse“ produzieren können. Kommunen und Verkehrsbetriebe stießen, so heißt es in ihrem Schreiben weiter, „auf angebotsseitige Marktgrenzen“.

Für Daimler – Marktführer mit einem Anteil von 50 Prozent bei Linienbussen in Deutschland und 25 Prozent in Europa – widerspricht hier der Sprecher der Lkw- und Bussparte, Florian Martens, vehement: „Wir sind für den Rest des Jahres definitiv nicht ausverkauft, sondern freuen uns über jede weitere Bestellung.“

In etlichen Kommunen in Ballungsgebieten läuft die Umstellung auf E-Busse bereits an. So hat die Berliner BVG vor Kurzem beschlossen, 225 E-Busse anzuschaffen. Die Mehrkosten für die Anschaffung der Fahrzeuge, der Ladeinfrastruktur und für die Schulung der Mitarbeiter in Höhe von 48 Millionen Euro werden komplett durch Fördermittel aus den Töpfen des Bundesverkehrs- sowie des Umweltministeriums aufgefangen.

Daimler produziert in seinem Werk in Mannheim seit Anfang des Jahres den vollelektrischen E-Citaro und hat gerade eine Bestellung aus Wiesbaden über 21 E-Busse bekommen. Der Daimler-E-Bus hat eine Reichweite von etwa 150 Kilometern. Dieser Wert gelte unter ungünstigen Wetterbedingungen, also im Winter, wenn zusätzlich der Innenraum geheizt wird, und im Sommer, wenn die Klimaanlage läuft.

Mit einer Reichweite von 150 Kilometern, die bei hügeligem Gelände wie etwa in Stuttgart auch darunter liegen kann, deckt der E-Citaro allerdings nur etwa ein Drittel der Strecken ab, die ein Linienbus im Schnitt am Tag fährt. 2021 will Daimler mit dem E-Linienbus der nächsten Batteriegeneration auf den Markt kommen. Damit sollen dann Reichweiten von bis zu 250 Kilometern machbar sein.

2022 will Daimler einen E-Bus anbieten, der zusätzlich mit einer Brennstoffzelle als Range-Extender ausgerüstet ist. Dieses Modell soll dann Reichweiten erzielen, die mit Bussen mit Dieselantrieb vergleichbar sind.