Blick in eine ferne Zukunft

Extremhitze in Europa: Warum jedes Jahr für das Überleben zählt

Selbst bei sofortigem Stopp aller CO2-Emissionen werden Hitzewellen und -rekorde in Europa künftig häufiger. Je später Netto-Null-Emissionen erreicht werden, desto schlimmer wird es.

Extremhitze in Europa: Warum jedes Jahr für das Überleben  zählt

Die Bedeutung der drei weisen Affen soll auf ein Sprichwort des chinesischen Weisheitslehrers Konfuzius zurückgehen, das besagt: nichts Böses sehen, nichts Böses hören und nichts Böses sagen. Die Menschheit verhält sich im Umgang mit der Klimakrise ähnlich – mit fatalen Folgen.

Von Markus Brauer

Um den voranschreitenden Klimawandel einzudämmen, müssten die Treibhausgasemissionen so weit reduziert werden, bis sich CO2-bindende Prozesse und unser CO2-Ausstoß ausgleichen. Forscher sprechen auch von Netto-Null-Emissionen.

Dieses Klimaschutzziel soll dem letzten Weltklimabericht zufolge spätestens Mitte des Jahrhunderts erreicht sein, wenn die Menschheit schwerwiegende Klimafolgen noch abwenden will.

Welche Rolle spielt dabei der Zeitpunkt, zu dem die Netto-Null-Emissionen erreicht werden? Wie beeinflusst das Hitzeextreme in Europa? Das haben Forscher um Eduardo Alastrué de Asenjo von der Universität Hamburg untersucht. Ihre Studie ist im Fachjournal „Environmental Research Letters“ erschienen.

Jahrhundertelange Hitzerekorde in Europa

„Obwohl das Ziel der Netto-Null-Emissionen zu den zentralen Konzepten von Klimapolitik und Forschung gehört, sind die Reaktionen der Temperaturen darauf weitgehend unsicher“, erklären die Klimaforscher der Universität Hamburg und des Max-Planck-Instituts für Meteorologie. Dies betreffe regionale Klimafolgen, aber auch die relevanten Zeiträume.

Selbst wenn die Weltgemeinschaft morgen aufhören würde, Treibhausgase auszustoßen, würden aktuelle Hitzerekorde in Europa jahrhundertelang weiter auftreten. Und können sich weiter verschärfen, wenn Klimaschutz aufgeschoben wird. Eine Verzögerung von nur wenigen Jahren kann die Intensität und Häufigkeit extremer Hitze deutlich erhöhen.

Zeitpunkt für Null-Emissionen ist entscheidend

Der Zeitpunkt, an dem wir keine Treibhausgase mehr ausstoßen, ist entscheidend für die zukünftige Hitzeentwicklung. In Simulationen mit unterschiedlichen Szenarien – von einem Emissionsstopp im Jahr 2030 bis hin zu einem Stopp erst ab 2060 – zeigt sich: Je später das Ziel erreicht wird, desto heißer und häufiger werden Tage mit extremer Hitze künftig werden.

„Eine Verzögerung um fünf Jahre führt bereits zu deutlich messbaren Unterschieden, die selbst nach tausend Jahren noch bestehen“, erklärt Eduardo Alastrué de Asenjo.

Auch bei „Netto-Null“ verändert sich das Klima weiter

Ein Befund der Studie räumt mit einem häufigen Missverständnis in der Klimadebatte auf: Auch wenn ein „Netto-Null“-Zustand, wie ihn das Pariser Klimaabkommen bis 2025 vorsieht, sofort erreicht wäre, also keine Emissionen mehr ausgestoßen würden, bliebe das Klima nicht automatisch so wie heute.

Denn zum Beispiel durch die langsame Erwärmung der Ozeane wirkt die Klimaveränderung nach. „Was wir heute als Hitzerekorde erleben, wird in einem stabilisierten Klima der Zukunft zur durchschnittlichen maximalen Jahrestemperatur werden“, erklärt Alastrué de Asenjo.

Die Simulationen der Studie rechnen 1000 Jahre in die Zukunft. Die Ergebnisse zeigen, dass die extremen Temperaturen konstant hoch bleiben.

Jede Verzögerung beim Klimaschutz hat lang anhaltende Konsequenzen, selbst wenn die Emissionen vollständig gestoppt sind. Strategien zur Anpassung, etwa beim Hitzeschutz in Städten, in der Landwirtschaft oder für die Gesundheit, müssen deshalb für viele Generationen entwickelt werden.

1000 Jahre in die Zukunft geblickt

Alastrué de Asenjo und seine Kollegen nutzten besonders langfristige Klimasimulationen und untersuchten erstmals, wie sich die über ein Jahr höchste gemessene Temperatur eines Tages über Zeiträume von bis zu einem Jahrtausend entwickelt und wie sich ein späterer Emissionsstopp auswirkt.

Das Fazit: „Es zählt jedes Jahr, in dem wir Emissionen nicht deutlich senken“, betont Eduardo Alastrué de Asenjo. „Was heute entschieden wird, bestimmt, wie heiß es in Europa über viele Generationen hinweg sein wird.“

Dabei wurde nicht nur das die weltweite Durchschnittstemperatur betrachtet, sondern explizit Mittel- und Westeuropa, Nordeuropa, Osteuropa und der Mittelmeerraum analysiert. Damit liefert die Studie eine wichtige Grundlage für regionale Klimaanpassung.