EZB: „Müssen noch einen langen Weg gehen“

dpa Frankfurt/Main. Die Infektionszahlen in vielen Ländern Europas steigen wieder. Das öffentliche Leben wird heruntergefahren. Für einen möglichen Ausstieg aus dem Notkaufprogramm ist es aus Sicht der EZB noch zu früh.

EZB: „Müssen noch einen langen Weg gehen“

Die Lichter in den Büros der Europäischen Zentralbank (r) leuchten im Abendlicht. Foto: Boris Roessler/dpa

Europas Währungshüter halten sich angesichts der dritten Corona-Welle alle Optionen im Kampf gegen die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie offen.

„Wir müssen noch einen langen Weg gehen, bis wir die Brücke der Pandemie überquert haben und die wirtschaftliche Erholung stabil ist“, sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde am Donnerstag in Frankfurt. Nach Einschätzung der Europäischen Zentralbank (EZB) wird die Wirtschaft im Euroraum erst in der zweiten Jahreshälfte 2022 im Durchschnitt wieder das Vorkrisenniveau erreichen.

Für eine Diskussion über ein Auslaufen des Notkaufprogramms für Staatsanleihen und Wertpapiere von Unternehmen (Pandemic Emergency Purchase Programme/PEPP) sei es zu früh, betonte Lagarde. Darüber sei im EZB-Rat daher auch nicht gesprochen worden. Die Entscheidung über PEPP sei nicht an ein bestimmtes Datum gebunden, sondern hänge von Wirtschaftsdaten ab. Sowohl das milliardenschwere Notkaufprogramm als auch die Zinsen bleiben nach Entscheidung des EZB-Rates vorerst unverändert.

Im Kampf gegen die ökonomischen Folgen der Pandemie hat die EZB das besonders flexible Notkaufprogramm im Volumen von inzwischen 1,85 Billionen Euro aufgelegt. Es läuft bis mindestens Ende März 2022. Die Käufe helfen Staaten wie Unternehmen: Diese müssen für ihre Wertpapiere nicht so hohe Zinsen bieten, wenn eine Zentralbank als großer Käufer am Markt auftritt. Insbesondere für Staaten ist das wichtig, weil sie in der Corona-Krise milliardenschwere Rettungsprogramme aufgelegt haben, die es zu finanzieren gilt.

Ökonomen mahnten dagegen an, beizeiten eine Perspektive für einen Ausstieg aus dem Notkaufprogramm zu entwickeln. „Wenn der Aufschwung zur Jahresmitte startet, sollte die EZB ein klares Zeichen setzen und einen baldigen Ausstieg aus dem Pandemie-Kaufprogramm PEPP ankündigen“, argumentierte Andreas Bley, Chefvolkswirt des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR).

Nach Einschätzung von Friedrich Heinemann vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) hat das Kaufprogramm „die EZB noch viel näher in Richtung der verbotenen monetären Staatsfinanzierung gerückt und ist daher nur als Ausnahme in einer gravierenden Krisensituation zu verantworten“.

Die Notenbank bekräftigte, das Tempo der Wertpapierkäufe im laufenden Quartal beschleunigen zu wollen. Anlass dafür ist, dass die Kapitalmarktzinsen zeitweise angestiegen waren, was die Finanzierung von Haushalten und Unternehmen verteuert und die wirtschaftliche Erholung zu belasten droht. Die EZB hatte das Tempo ihrer Käufe Mitte März erhöht.

Den Leitzins im Euroraum halten die Währungshüter auf dem Rekordtief von null Prozent. Geschäftsbanken müssen weiterhin 0,5 Prozent Zinsen zahlen, wenn sie Geld bei der Notenbank parken. Freibeträge für bestimmte Summen sollen die Institute bei den Kosten dafür entlasten.

Die EZB strebt ein ausgewogenes Preisniveau bei einer mittelfristigen Teuerungsrate von knapp unter 2,0 Prozent im gemeinsamen Währungsraum an. Dauerhaft niedrige Preise gelten als Risiko für die Konjunktur: Unternehmen und Verbraucher könnten dann Investitionen aufschieben - in der Hoffnung, dass es bald noch billiger wird. Der Zielwert für die Teuerungsrate wird trotz Nullzinsen und der seit März 2015 laufenden diversen Anleihenkaufprogramme jedoch seit Jahren verfehlt.

Zuletzt hatte die Inflation im Euroraum angezogen. Im März lagen die Verbraucherpreise nach jüngsten Angaben des Europäischen Statistikamtes um 1,3 Prozent höher als ein Jahr zuvor. Im Vormonat hatte der Anstieg der Teuerungsrate noch 0,9 Prozent betragen.

Die Notenbank sieht bislang aber keine Anzeichen für einen dauerhaften Anstieg der Inflation, sondern wertet den jüngsten Sprung als Folge einmaliger Effekte. Die Währungshüter verweisen unter anderem auf das Anziehen des Ölpreises und das Auslaufen der vorübergehenden Mehrwertsteuersenkung in Deutschland zum Jahreswechsel.

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